München:Neuer S-Bahn-Tunnel kostet bis zu 3,1 Milliarden Euro

Zweite S-Bahn-Stammstrecke

So soll es unter dem Hauptbahnhof aussehen: Über ein zentrales Zugangsbauwerk sollen die Fahrgäste zur zweiten Röhre in 40 Metern Tiefe gelangen. Simulation: Deutsche Bahn

  • Aus einer neuen Kostenrechnung für die neue Stammstrecke geht hervor, dass das Projekt bis zu 3,12 Milliarden Euro kosten könnte.
  • Außerdem geht die Bahn inzwischen von einer Inbetriebnahme nicht vor 2025 aus.
  • An diesem Montag werden Verkehrsminister Herrmann und Bahnvorstand Kefer über den aktuellen Stand berichten.

Von Marco Völklein

Wie teuer wird der geplante zweite S-Bahn-Tunnel unter der Innenstadt? Interne Unterlagen der Deutschen Bahn (DB), die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, zeigen jetzt: Der Bau wird bis zu 3,12 Milliarden Euro kosten. In einem Papier, das dem DB-Aufsichtsrat Ende Juni vorgelegt wurde, benennt die Controlling-Abteilung des Konzerns den voraussichtlichen "Gesamtwertumfang", also die Baukosten, mit 2,877 Milliarden Euro. So viel wird die Röhre also mindestens kosten.

Hinzu kommt ein Risikoaufschlag von 243 Millionen Euro für mögliche Unwägbarkeiten beim Tunnelbau. Diese Risiken werden in der Übersicht mit einer "Eintrittswahrscheinlichkeit größer als 50 Prozent" angegeben. Sollten diese Risiken also voll eintreten, ergibt sich nach derzeitigem Stand eine Höchstinvestitionssumme von mehr als 3,1 Milliarden Euro.

Wie bewerten Minister und Bahnvorstand die Zahlen?

Mit diesen Zahlen werden sich an diesem Montag auch Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) sowie der Infrastrukturvorstand der Bahn, Volker Kefer, beschäftigen müssen. Die beiden haben zu einem Pressegespräch in Herrmanns Ministerium eingeladen. Dabei wollen sie "aktuelle Informationen zur zweiten Stammstrecke geben", wie es in der Einladung heißt. Zudem will die Bahn "dreidimensionale computeranimierte Modelle" der geplanten Stationen zeigen, die in 40 Meter Tiefe unter dem Hauptbahnhof, dem Marienhof sowie unterm Ostbahnhof gebuddelt werden sollen.

Interessant dürfte werden, wie Herrmann und Kefer die neuen Kostensteigerungen einschätzen. Zur Erinnerung: Ende 2010 hatten Bahn und Freistaat die Baukosten noch mit 2,047 Milliarden Euro angegeben.

Wie die Kostenschätzungen gestiegen sind

Dann hatten die DB-Planer intern die Zahlen immer wieder nach oben geschraubt - zuletzt hatte der Konzern in einer Übersicht für den Aufsichtsrat, über die die SZ im Frühjahr 2014 berichtete, die Baukosten auf 2,57 Milliarden Euro taxiert. Nun also liegt eine weitere Steigerung um 305 Millionen vor - auf mindestens 2,877 Milliarden Euro, im schlimmsten Fall auf 3,12 Milliarden. Laut dem Papier ergibt sich ein Teil der Kostensteigerungen daraus, dass sich der zeitliche Ablauf weiter verschiebt.

Warum es jetzt schon wieder teurer wird

So geht die Bahn mittlerweile von einer Inbetriebnahme des Tunnels nicht vor dem Jahr 2025 aus. Zuletzt hatten sie Dezember 2024 für die Inbetriebnahme angesetzt. Wer aber ein Bauwerk später fertigstellt als geplant, der muss dafür in der Regel höhere Summen aufwenden, weil die Inflation die Preise treibt. Fachleute sprechen von "Nominalisierungseffekten". Laut dem Papier verteuern allein diese Effekte den Tunnel um 34 Millionen Euro.

In der Aufstellung reihen die Fachleute des Konzerns außerdem weitere Einzelposten aneinander, die allesamt teurer werden oder zumindest teurer werden könnten - und so in der Summe zu dem Kostenwachstum beitragen. So machen zum Beispiel gestiegene Ausgaben beim geplanten Grunderwerb Mehrkosten von 55 Millionen Euro aus; ein höherer Ansatz bei den Aufwendungen für die Entsorgung unter anderem des Aushubs bringt eine Mehrbelastung von 43 Millionen Euro.

München: SZ-Grafik

SZ-Grafik

Neue Pläne für das Empfangsgebäude am Hauptbahnhof

Außerdem plant die Bahn nun, das neue Empfangsgebäude am Hauptbahnhof mehr oder weniger gleichzeitig mit dem zweiten Stammstreckentunnel zu errichten. Entsprechende Pläne hatte der dafür zuständige Bahnmanager André Zeug im April dem Stadtrat präsentiert. Dafür müssen die Ingenieure weitere bautechnische Vorkehrungen am Tunnel treffen - und die schlagen sich in höheren Kosten nieder: Die Kontrolleure des Konzerns geben mögliche Mehrkosten von 43 Millionen Euro an.

Zuletzt hatten Verkehrsminister Herrmann wie auch die Vertreter der Bahn sich öffentlich zur Kostenfrage wie auch zum Zeitpunkt einer möglichen Inbetriebnahme gar nicht mehr geäußert. Vielmehr haben sich der Schienenkonzern und der Freistaat auf folgendes Vorgehen geeinigt: Die Bahn wird in den nächsten Wochen ein "erstes großes Baulos" ausschreiben, hatte Kefer vor dreieinhalb Wochen angekündigt - unter anderem sollen die Tunnelstrecke von der Donnersbergerbrücke bis zum Marienhof sowie die Arbeiten für die geplante Station unter dem Hauptbahnhof ausgeschrieben werden.

Baufirmen können daraufhin ihre Angebote einreichen. "Dann wird sich zeigen, ob wir mit unseren Kostenermittlungen richtig liegen", so Kefer. Konkrete Angebote erwartet er bis Ende 2015 oder Anfang 2016. Und erst dann wollen die Geldgeber, vor allem der Freistaat und der Bund, aber auch die Stadt und die Bahn, entscheiden, wie es konkret weitergeht mit dem Projekt.

Welche Klagen gegen das Projekt drohen

Sofort losbauen aber könnten die Ingenieure selbst bei einem positiven Bescheid aus den Ministerien nicht. Denn bisher liegen nur für zwei der drei Hauptbauabschnitte Genehmigungen, die "Planfeststellungsbeschlüsse", vor. Für den dritten Abschnitt, den von der Isar bis zum Leuchtenbergring, erwarten Herrmann und Kefer den Bescheid zwar noch in diesem Jahr aus dem Eisenbahnbundesamt. Allerdings haben Anwohner und Gewerbetreibende in Haidhausen bereits angekündigt, vor Gericht ziehen zu wollen.

Auch rund um den Hauptbahnhof prüfen derzeit mehrere Fachanwälte Klagen gegen den erst vor Kurzem ergangenen Planfeststellungsbeschluss. Dort befürchten Geschäftsleute und Hausbesitzer Umsatzeinbußen während der Bauzeit. Bis Freitag waren beim Verwaltungsgerichtshof, der dafür zuständig ist, nach Auskunft eines Sprechers noch keine Klagen eingegangen. Aber die Klagefrist läuft auch noch einige Zeit.

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