Garching:Kurfürst Max Emanuel gibt auf

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Zur 1100-Jahrfeier zieht ein sehenswerter bunter Festzug aus 52 Bildern durch Garching, an dem sich 1300 Menschen beteiligen. Die Hitze macht manchen zu schaffen

Von Gudrun Passarge, Garching

"Hilfe, es brennt". Der Ruf der maniriert hoch klingenden Stimme ruft Gelächter hervor bei den Umstehenden. Schließlich ist leicht auszumachen, dass sich unter der weiblichen Haube ein Mann verbirgt. Ein Feuerwehrmann genauer gesagt, der in dem vermeintlich brennenden Haus sitzt und dabei eine Rauchmaschine bedient. Emsige Feuerwehrmänner in alten Uniformen und mit Leder- und Stoffeimern ausgerüstet, versuchen das Feuer zu löschen. Zum Spaß aller landet dabei auch immer ein wenig von dem kühlenden Nass auf den Besuchern, die den historischen Festzug der Stadt Garching zur 1100-Jahrfeier säumen und in der Hitze schmoren. Wasser ist der wichtigste Begleiter aller Beteiligten.

52 Bilder waren angekündigt, 1100 Jahre Geschichte sollten es sein, dargestellt von 1301 Menschen. Wolfgang Windisch, Kulturreferent der Stadt und Organisator des Treibens, flitzt vor dem Start immer wieder mit dem kleinen weißen Stadtauto hin und her auf der alten B 471, um die letzten Instruktionen zu geben. Von überall her kommen die Teilnehmer, um sich dort aufzustellen. Musikanten mit Tuba und Trommeln, altjüngferliche Fräulein mit langen Röcken und strengen Frisuren, herausgeputzte Adelige unter schweren Perücken, kleine Bienen, fesche Fußballer und natürlich die vielen Pferdegespanne. Bereits um 12.30 Uhr hatte die Feuerwehr begonnen, das Pflaster der Straße abzuspritzen, damit es in der prallen Sonne wenigstens ein bisschen besser auszuhalten war. Aber die Kaltblüter der Brauereigespanne nehmen es ganz gelassen. Löwenbräu, Augustiner und Radeberger warten immerhin mit je einem Sechsergespann auf. "Die sind sonst nur bei der Wiesn im Einsatz", hatte Windisch schon vor dem großen Tag berichtet.

Das Bild der Garchinger Feuerwehr ist typisch für den Zug. Es zeigt den Brand im Gemeinde- und Feuerwehrhaus, der sich tatsächlich 1916 ereignet hat, als ein Blitz dort einschlug. So haben viele der mitlaufenden Vereine versucht, ihre eigene Geschichte als Teil der Garchinger Geschichte darzustellen, mit originalgetreuen Kostümen und Requisiten aus dieser Zeit. Außerdem ist auch noch fahrendes Volk im Zug dabei, das mit alten Musikinstrumenten, Fahnenschwenkern, Bauchtanz und den lustigen Moriskentänzern das Publikum in Stimmung bringt.

Am Anfang schreitet die Geschichte schnell voran. Josef Euringer alias Gowirich darf den Zug mit seiner Familie anführen. Gowirich, der sonst als Einzelkämpfer auftritt, darf diesmal Frau und auch Kinder und Bedienstete mitbringen. Wanderschäferinnen (Monis kleine Farm) ziehen vorbei, Martin Luther und seine Katharina (Laudatekirche) winken huldvoll und ein paar wenig beneidenswerte Männer vom Gewerbeverband stehen auf dem Schmiedewagen und schmieden das Feuer, das an diesem Tag noch heißer sein muss als sonst. Nicht alle halten diese Hitze aus. Ewin Muggesser, dessen prächtige Kleider eines Kurfürsten Max Emanuel würdig sind, muss aufgeben. Der 80-Jährige von den Freunden von Schleißheim sucht nur noch Schatten und bleibt erschöpft auf einer Bank sitzen. "Es ist zu heiß", sagt er und zieht sich die Perücke vom Kopf. Seine Frau allerdings schreitet als Kunigunde weiter mit und winkt, einer Kurfürstengemahlin angemessen, nach links und nach rechts. Auch bei den Jüngsten gibt es Ausfälle. Ein Mädchen der Grundschule-Ost kann nicht mehr. Ihre Eltern sind jedoch schnell da, um sie unter ihre Fittiche zu nehmen. Gut behütet oder aber im Schatten stehend verfolgen und beklatschen die Zuschauer den Festzug. Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD) steckt wie die Vertreter des Stadtrats in einem Cutaway, aber im Gegensatz zu den anderen trägt er keinen schwarzen, sondern einen grauen Zylinder. Er hat vorher noch eine Kiste mit Wasser in der Kutsche deponiert. Als er überprüft, was er den Garchingern denn zuwerfen soll, wundert er sich allerdings. Die Gummibären hatten der Hitze wohl nichts mehr entgegenzusetzen und haben sich verflüssigt, was ja bei Colaflaschen auch nicht schlimm ist. Zusammen mit Oberbürgermeister Gerhard Lemm aus der Partnerstadt Radeberg sitzt er in einer offenen Kutsche mit seiner Lebensgefährtin Antje Köhlerschmidt, die passend zu ihrem Kleid einen beigefarbenen Sonnenschirm hat. Landrat Christoph Göbel dagegen sitzt mit seiner Frau Oochma in einer geschlossenen Postkutsche. Wie auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn ist er ganz in Schwarz gekleidet. Das ruft Mitleid hervor. Als die Kutsche einen Moment anhalten muss, sprintet ein Zuschauer los, um dem Landrat zu dessen Freude eisgekühltes Wasser zu reichen.

Die Zuschauer haben ihren Spaß. Es ist ein großes Hallo, jeder kennt jemanden, der vorbeikommt und winkt begeistert oder ruft ihm etwas zu. Auch der Häftling im Zeiserlwagen von 1850 (Theatergruppe Hochbrück) muss sich einiges anhören. "Wenn's di aufhänga, mir kemma dann auch zum Maibaum zum Zuaschaugn". Aber so weit kommt es nicht. Napoleon, der Schwarze Tod und all die anderen Plagen haben Garching friedlich verlassen.

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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