WM-Sieg der USA:"Das ist für alle Frauen"

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Abby Wambach: Endlich ganz oben (Foto: Bob Frid/dpa)
  • Die USA besiegen Japan im Finale der Fußball-WM der Frauen mit 5:2 (4:1).
  • Danach schicken selbst Prominente Glückwünsche über Twitter.
  • Doch kann die USA die Begeisterung für den Frauenfußball auch in die Liga retten?

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Es gibt in den Vereinigten Staaten zwei nicht zu leugnende Indikatoren für die Bedeutsamkeit eines Ereignisses: Twitter-Einträge des Präsidenten und das Google-Logo. Der Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft durch die US-Frauen muss also wichtig sein in diesem Land, schließlich waren kurz nach dem 5:2-Sieg im Finale gegen Japan über der Suchleiste jubelnde Frauen, Fußbälle und Flaggen zu sehen, Barack Obama schrieb beim Kurznachrichtendienst: "Was für ein Sieg! Euer Land ist stolz auf Euch. Besucht das Weiße Haus bald mit dem Cup!"

Vor 16 Jahren hatten die amerikanischen Frauen zuletzt den Titel gewonnen, vor mehr als 90 000 Zuschauern im Rose Bowl in der Nähe von Los Angeles. Damals hatte sich Brandi Chastain nach dem entscheidenden Elfmeter das Trikot vom Leib gerissen, im BH ballte sie jubelnd ihre Fäuste, während ihre Kolleginnen auf sie zugelaufen kamen - das Foto der knienden Chastain gehört zu den bedeutendsten in der Sportgeschichte.

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Es gab in diesem Jahr kein derart prägendes Foto, obwohl sich nach dem Finale auf dem Rasen durchaus ein paar Motive angeboten hätten: Abby Wambach etwa, die am Ende ihrer glanzvollen Karriere bei diesem Turnier die Rolle der Ergänzungsspielerin akzeptiert hatte und nach drei enttäuschenden Weltmeisterschaften nun endlich die Trophäe in Empfang nehmen durfte. Oder Carli Lloyd, die drei Tore in diesem Finale erzielt hatte - was in der Geschichte dieses Sports bislang nur dem Engländer Geoff Hurst (1966) gelungen war.

Oder Hope Solo, die vor dem Turnier wegen privater Probleme immer wieder in die Schlagzeilen geraten war und nun als beste Torhüterin des Turniers ausgezeichnet wurde. Es hatte sogar diesen Moment gegeben, es war nach Lloyds 50-Meter-Tor zum zwischenzeitlichen 4:0, da eilte die Torschützin nach hinten, um ihren Treffer und die Vorentscheidung der Partie mit ihrer Zimmerkameradin während des Turniers zu feiern - mit Hope Solo.

Aber vielleicht braucht es gar kein Bild, um die Bedeutung dieses Titels zu verdeutlichen - vielleicht muss man von Obamas Twitter-Eintrag nur ein bisschen weiter klicken. Justin Timberlake, Ellen DeGeneres, Bill Clinton, Sharon Stone, Tiger Woods, Snoop Dogg, Courtney Cox, Michael Phelps, Kobe Bryant, Michelle Kwan: Sie alle gratulierten am Tag nach dem amerikanischen Unabhängigkeitstag den US-Frauen zum Titelgewinn. Die Sängerin Beyoncé veröffentlichte ein Foto, auf dem sie das Trikot mit ihrem Namen darauf trägt. Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hob den Erfolg auf eine gesellschaftliche Ebene: "Das ist für alle Frauen, die ihre Ziele erreichen wollen."

Schon das Halbfinale gegen Deutschland sahen mehr als zwölf Millionen Amerikaner, zum Finale wurden mehr als 19 Millionen erwartet (die exakte Zahl wird erst am Montag veröffentlicht). Das Interesse an diesem Turnier war gewaltig in den Vereinigten Staaten, der führenden Nation im Frauenfußball. Natürlich wird der Titel nun gefeiert, es war aber auch nichts weniger erwartet worden bei diesem Turnier in Kanada.

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"Das ist der Anspruch", sagte Christie Rampone, die auch vor 16 Jahren schon dabei gewesen war und nun kurz vor dem Ende der Partie eingewechselt wurde: "Ich hoffe, dass das nun nicht mit 1999 verglichen wird. Ich hoffe, dass dadurch eher die nächste Generation amerikanischer Fußballspielerinnen inspiriert wird, die bald die Weltmeisterschaft gewinnt."

Genau dort liegt jedoch bei aller Begeisterung auch die Herausforderung für die Amerikaner. Zwei Millionen junge Mädchen spielen in diesem Land Fußball, sie finanzieren dadurch nicht selten das Studium an Eliteuniversitäten - es gibt hier längst keine Debatte mehr, ob Frauenfußball eine Randsportart ist. "Wir sprechen über diese Frauen jetzt als Sportlerinnen", sagt Julie Foudy, eine der prägenden Figuren 1999 und mittlerweile Reporterin beim Sender ESPN: "Damals hieß es noch: 'Oh mein Gott, wer sind die denn? Die sehen eigentlich ganz süß aus.' Jetzt drehen sich die Diskussionen um Fußball."

Das soll auch in den kommenden Jahren so weitergehen. Nur: Seit dem Titelgewinn 1999 haben zwei professionelle Frauenfußballligen den Betrieb eingestellt, weil sich dann doch nicht genug Menschen regelmäßig für die Spiele interessierten. Die aktuelle Liga, die National Women's Soccer League, scheint auf stabileren finanziellen Beinen zu stehen, doch noch immer fehlt der lukrative TV-Vertrag und eine Idee, ein bei den Zuschauern überaus beliebtes Event wie eine WM in regelmäßig ansprechende Einschaltquoten zu verwandeln.

Damit muss sich der amerikanische Fußball allerdings erst in ein paar Tagen beschäftigen - nun dürfen sie erst einmal den Titel feiern und die Gratulationen von Berühmtheiten entgegennehmen. Vor allem aber braucht Carli Lloyd dringend ein paar Fotos von diesem Finale. Die sagte nämlich nach der Partie: "Ich habe das Gefühl, in den ersten 30 Minuten des Spiels ohnmächtig gewesen zu sein."

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