Vorschlag-Hammer:Sauna-Vorstellung

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Was passiert, wenn an Tagen wie diesen sogar das Kino zum Brutkasten wird und einem die sonst so bequemen Samtsessel zusätzlich den Rücken beheizen?

Von Susanne Hermanski

Schnee von gestern, dieses Filmfest. Aber die Hitzewelle noch nicht. Deshalb muss ich eine Episode aus den vergangenen Tagen erzählen, die dem Festival ja mit 80 000 Kinogängern einen neuen Besucherrekord bescherten. Eine Theorie besagt nämlich, dass der neue Besucherrekord beim Filmfest 2015 gar nicht den tollen Filmemachern zu verdanken sei, die den Menschen die Gelegenheit gaben, endlich einmal ihrem Alltag zu entfliehen. Die hätten vielmehr Reißaus genommen vor der Hitze. Ausverkauft seien die Säle gewesen wegen deren angenehmer Temperaturen. Klimaanlage statt Klimaxgarantie, sozusagen. Ein Entrinnen ins Kühle, ins Dunkle, statt ins Licht.

Was aber passiert, wenn an Tagen wie diesen sogar das Kino zum Brutkasten wird und einem die sonst so bequemen Samtsessel zusätzlich den Rücken beheizen? Wenn die Aircondition schlapp macht und zu den natürlichen 34 Grad in der Münchner Innenstadt noch 200 eng aufsitzende Mitzuschauer samt ihren 37 Grad Körpertemperatur treten? - Dann werden die wahrlich innovativen Ideen geboren. So geschehen im City Kino, in einer Vorstellung des Films Louder than Bombs (Starttermin 7. Januar 2016). Denn dann kommen nicht nur olfaktorische und osmotische Prozesse in Gang.

Zumindest war das so bei einer der frischsten und apartesten deutschen Schauspielerinnen, die in diesem Jahr leider keine Premiere auf dem Festival hatten: Claudia Hübschmann. "Eigentlich ist jetzt auch schon alles egal", dachte sie sich im kochenden Kino. "Ich kann im Grunde jetzt auch mein Top ausziehen, wir sitzen hier sowieso wie in einer Sauna, dicht an dicht. Bei dem wenigen Licht im Saal sieht es vielleicht noch nicht mal einer. Und falls doch; wenn es mir dann alle nachmachen, ist das auch kein Unterschied zum Müllerschen Volksbad."

Claudia Hübschmann hat es nicht getan. Sie hat die Chance verstreichen lassen, den ultimativen neuen Kulturtrend loszutreten: die Sauna-Vorstellung. Was hätte es für mannigfache Möglichkeiten gegeben: "Kino am Pool" gibt es ohnehin nicht mehr, Kino am Olympiasee dümpelt in so flachen Gewässern wie Kein Ort ohne Dich und über die Seebühne im Westpark flimmert bei Kino, Mond und Sterne (an diesem Dienstagabend) die auch nicht mehr ganz taufrische Komödie Wir sind die Neuen.

Was könnte man nicht alles zeigen in den Schwitzkammern dieser Stadt? Anspruchsvolles, bildgewaltiges Kino. Wie Den Menschen so fern, die Albert-Camus-Verfilmung, die das Filmfest eröffnete. Mollath - "und plötzlich bis Du verrückt", die Doku zum heißesten Justizfall de Jahres. Oder Kafkas Der Bau von dem deutschen Oscar-Preisträger Jochen Alexander Freydank. Alle drei Filme laufen am Donnerstag an. Und im "Bau" ist auch Claudia Hübschmann zu sehen. Ein Film, der Klaustrophobie und andere Ängste zum Thema hat. Ist allerdings auch nichts für Leute, denen es in der Sauna zu eng zugeht.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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