Beachvolleyball:Erstaunliches Experiment

Lesezeit: 2 min

Wucht und Raffinesse: Tatjana Zautys (li.) und Michaela Henry haben wenig Zeit für Training, machen das Defizit aber durch Witz und Routine wett. (Foto: Peter Hinz-Rosin)

Michaela Henry und Tatjana Zautys holen bei ihrem fünften gemeinsamen Auftritt den zweiten Sieg

Von Matthias Schmid, Ebersberg

Michaela Henry und Tatjana Zautys saßen gerade im Sand, als der Eismann vorbeikam. Ganz dicht schlurfte er an ihnen vorüber und warf die leckersten Sorten achtlos über sie hinweg. Die Temperaturen im Ebersberger Klosterbauhof waren auf mehr als 40 Grad geklettert, die Sehnsucht nach Abkühlung unermesslich. Die Zuschauer rissen sich um das kostenlose Eis wie Wüstenwanderer um einen Tropfen Wasser. Doch Henry und Zautys mussten ihr Verlangen schweren Herzens verdrängen, sie spielten gerade Beachvolleyball, nicht zum Spaß, es ging um etwas, um wertvolle Punkte für die deutsche Rangliste und auch ein paar Euro Preisgeld.

In Ebersberg hatten sich am Wochenende die besten bayerischen Beachvolleyballer versammelt, um die Sieger beim Beach Masters zu ermitteln, eine 36 Wettbewerbe umfassende Serie, die mit den Landesmeisterschaften Anfang August auf dem Augsburger Rathausplatz endet.

Als die beiden 35-Jährigen ihren Matchball zum Finale verwandelt hatten, waren sie es, die am Eismann vorbeikamen. Und als Zautys vor ihm den Hampelmann aufführte, konnte er gar nicht anders als ihr ein Eis in die Hand zu drücken. Zautys jubelte wie über einen Sieg. Dabei war die Schleckerei gar nicht für sie, sondern für den Sohn ihrer Partnerin. Das Zusammenspiel zwischen den beiden klappt offenbar nicht nur im Sand.

"Wir steigern uns von Turnier zu Turnier", sagt Henry. Ebersberg war erst der fünfte gemeinsame Auftritt der beiden, die für den SV Lohhof starten. Als sie auch noch das Endspiel gegen die Straubingerinnen Sabrina Karnbaum/Natascha Niemczyk in drei Sätzen gewannen, hatten sie mit dem zweiten Turniersieg in diesem Sommer einen weiteren Beleg dafür, dass sie zu Beginn des Jahres das Richtige getan haben, indem sie sich zusammenschlossen. Dabei waren die Voraussetzungen alles andere als so, wie man sich das in einer idealen Sportlerwelt vorstellt.

Zautys lebt in Winnenden bei Stuttgart, Henry mit Ehemann und Kind in Unterschleißheim. Nicht nur trennt sie die räumliche Distanz, sie haben auch wenig Zeit zum Training - beide sind berufstätig. Henry arbeitet in Teilzeit als Ärztin, Zautys für die Geschäftsführung eines kleineren Unternehmens. "Wir haben vor unserem ersten Turnier in Hamburg nur zweimal miteinander trainiert", sagt Zautys.

Es ist schon ein erstaunliches Experiment, doch es scheint zu gelingen. Mit dem Sieg in Ebersberg festigten sie ihre Position unter den besten 16 Teams, die an den deutschen Meisterschaften in Timmendorfer Strand teilnehmen dürfen. "Da wollen wir dann schon ein, zwei Runden überstehen", sagt Henry, die 2009, 2010 und 2013 mit Sabine Schulz bayerische Meisterin war. Henry und Zautys, eine ehemalige Hallen-Nationalspielerin, rangieren zurzeit auf Platz 15. Sie sind keine Neulinge im Geschäft, sie profitieren davon, dass sie in den vergangenen Jahren stets auf hohem Niveau gespielt haben und auch auf der deutschen Beach Tour schon mehrmals auf dem Treppchen standen. Zautys konnte sogar zwei Wettbewerbe der höchsten deutschen Turnierserie gewinnen. Ihre Klasse verringert die Eingewöhnungszeit, sie können viel mit ihrer Routine ausgleichen. Und außerdem sind sie für ihre Gegnerinnen schwer auszurechnen. "Wir können beide gut annehmen und schmettern", sagt Henry. Sie ist dabei die Extrovertiertere, übernimmt auch schon mal das Trash Talking, mit teilweise derben Sprüchen versucht sie, die Gegnerinnen zu beeindrucken. Doch meistens haben sie das gar nicht nötig, dank ihrer Wucht und Raffinesse beeindrucken sie ihre Gegnerinnen schon genug.

Manchmal müssen sie sich selber zwicken, um sich zu vergewissern, dass das alles kein wilder Traum ist. Zautys hatte im vergangenen Winter schon abgeschlossen mit ihrer Karriere. Doch als sie an Weihnachten ihr Fotoalbum durchblätterte und dabei die Bilder von den Sandturnieren sah, merkte sie, dass ihr Ehrgeiz noch nicht erloschen ist. Und sie wählte Henrys Nummer.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: