Rathaus München:"Die AfD ist tot"

Wahlparty AFD im Weyprechthof

Auch wegen des Umgangs mit Ex-Parteichef Bernd Lucke legte Andre Wächter sein Amt nieder.

(Foto: Florian Peljak)
  • Fritz Schmude, Stadtrat der Partei Alternative für Deutschland (AfD) hat per Facebook angekündigt, dass er aus der Partei austreten wird.
  • Er ist einer von zwei AfD-Stadträten im Münchner Rathaus. Der zweite Stadtrat, Andre Wächter, hat noch nicht öffentlich bekundet, ob er die Partei verlassen will.
  • Dass Schmude hinschmeißt, hat mit den Ereignissen vom vergangenen Samstag zu tun, als auf dem AfD-Parteitag in Essen Frauke Petry zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Sie steht für den nationalkonservativen Flügel der AfD.

Von Andreas Glas

Ob er denn jetzt auch austreten werde? Andre Wächter schnaubt ins Telefon, ein paar Sekunden herrscht Stille. Sollte die Alternative für Deutschland (AfD) tatsächlich noch weiter nach rechts rücken, sagt er irgendwann, "dann ist das nicht mehr meine Partei". Aber jetzt müsse er die Dinge "erst mal sortieren, das geht alles ein bisschen zu schnell für mich". Im Moment, sagt Wächter, "überschlagen sich die Ereignisse".

Wächter, 42, ist einer von zwei Stadträten der AfD. Einer von zwei Stadträten, der zumindest noch einen Funken Vertrauen in seine Partei hat. Der zweite AfD-Stadtrat, Fritz Schmude, 46, hat am Montag via Facebook angekündigt, dass er die Partei "dieser Tage" verlassen werde. Dass Schmude hinschmeißt, hat mit den Ereignissen vom vergangenen Samstag zu tun, als auf dem AfD-Parteitag in Essen Frauke Petry zur neuen Bundesvorsitzenden gewählt wurde. Sie steht für den nationalkonservativen Flügel der AfD und setzte sich gegen Parteigründer Bernd Lucke durch, der sich selbst zum wirtschaftsliberalen Parteiflügel zählt. Empört hat Schmude aber "ausdrücklich nicht, dass manche Inhalte zu ,rechts' wären", wie er in einer Stellungnahme schreibt. Sein angekündigter Parteiaustritt habe allein damit zu tun, "dass Stil und Radikalität vieler Lucke-Gegner ungeeignet sind, diese Inhalte etwaigen Wählern zu vermitteln". Auf Facebook schreibt Schmude: "Die AfD ist tot".

Mit Rechtspopulisten wolle auch er nichts zu tun haben

Gut ein Jahr nachdem Schmude und Wächter in den Stadtrat einzogen, steht die Rathaus-AfD also vor dem Aus. Wächter zögert zwar noch, aus der Partei auszutreten, doch mit Rechtspopulisten wolle er nichts zu tun haben. Dieser Schritt hätte schon deshalb Gewicht, weil er auch dem bayerischen AfD-Landesverband vorsitzt. Er habe immer Luckes Kurs unterstützt, sagt Wächter. Dass dieser nun den Machtkampf verloren habe, finde er "sehr traurig".

Wächter, der als Betriebswirt bei der Bundesbank arbeitet, war einst vor allem wegen der eurokritischen Haltung der AfD in die Partei eingetreten. Dass einige seiner Parteikollegen inzwischen NPD-Mitglieder umwerben, bezeichnet er als "totalen Quatsch", den Lagerkampf zwischen Nationalkonservativen und Wirtschaftsliberalen findet er "besorgniserregend".

"Eine NPD im Schafspelz"

Ähnlich sehen das die Stadträte der Fraktion Bürgerliche Mitte: Sie hat am Montag ihre Ausschussgemeinschaft mit der AfD aufgekündigt. "Mit der jetzt erfolgten klaren Positionierung der AfD in Richtung Rechtspopulismus war für unsere Fraktion der Schritt der Auflösung des technischen Zusammenschlusses unabwendbar", sagt Johann Altmann, der Vorsitzende der Fraktion, die aus Stadträten der Freien Wähler und der Bayernpartei besteht. Auch SPD-Stadtrat Christian Vorländer spricht von einem "dramatischen Rechtsruck", den die AfD beim Essener Parteitag vollzogen habe. "Sie ist nun endgültig eine Partei am rechten Rand, eine NPD im Schafspelz", sagt Vorländer.

Im Rathaus gab es von Anfang an Vorbehalte gegen Schmude und Wächter. Die Skepsis wurde noch größer, als die beiden sich im Herbst für das Bürgerbegehren gegen ein geplantes Islamzentrum aussprachen. Nur wenige Wochen später ruderten die AfD-Stadträte zurück und stimmten nicht nur gegen das Begehren, sondern unterstützen obendrein eine Resolution der Stadt gegen die Ausgrenzung von Muslimen. Trotzdem blieb der Verdacht, dass die beiden Münchner AfD-Stadträte die gleiche Strategie verfolgen wie viele ihrer Parteikollegen im Rest der Republik: sich einerseits gegen Fremdenfeindlichkeit auszusprechen und andererseits auch nationalkonservative Wähler anzusprechen.

Der Austritt Schmudes überrascht

Überhaupt symbolisieren Wächter und Schmude ziemlich gut die beiden Lager ihrer Partei. Wächter ist der Banker mit der Euro-Phobie, Schmude der Rechtspopulist mit Angst vor dem Islam, der im Januar sogar mit dem Pegida-Ableger Mügida durch die Stadt marschiert ist. Der Islam, sagte Schmude vor einigen Monaten der SZ, sei "nicht nur Religion, sondern auch Ideologie". Schmudes Argumentation zufolge ist also jeder Muslim indirekt Unterstützer islamistischer Terroristen.

Wie es mit den beiden AfD-Stadträten weitergeht, dürfte nun davon abhängen, ob nach Schmude auch Wächter die Partei verlässt. Denn ihr Stadtratsmandat wollen beide behalten. Bleibt Wächter also in der Partei, wäre die AfD eine Art Ein-Mann-Fraktion und dürfte nicht mehr an Ausschusssitzungen teilnehmen, sondern nur noch an der Vollversammlung des Stadtrats, die einmal im Monat stattfindet. Tritt auch Wächter aus der AfD aus, ist es denkbar, dass die beiden eine neue Partei gründen. Wie diese Partei heißen könnte, dafür hat Fritz Schmude auf Facebook bereits einen Vorschlag gemacht: AfM. Das M dürfte dann für München stehen.

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