Sigmar Gabriel und die SPD:Der da oben

Sigmar Gabriel bei einer Pressekonferenz in Berlin.

Sigmar Gabriel bei einer Pressekonferenz am Montag.

(Foto: AP)
  • Vielen Sozialdemokraten gefällt nicht, wie sich SPD-Chef Sigmar Gabriel derzeit zur griechischen Schuldenkrise äußert.
  • Einige halten ihm vor, er rücke die Partei mit seiner harten Haltung gegenüber Athen "nach rechts".
  • Seit Gabriels Treffen mit der islamfeindlichen Pegida-Bewegung am Jahresanfang mehren sich die Zeichen einer Entfremdung.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Als Sigmar Gabriel am Montagnachmittag vor die Presse trat, klang er abgewogener als noch am Abend zuvor. Da hatte der Berliner Tagesspiegel ihn mit der Aussage zitiert, dass die griechische Regierung mit ihrem Referendum "letzte Brücken eingerissen" habe, "über die Europa und Griechenland sich auf einen Kompromiss zubewegen konnten". Vor diesem Hintergrund seien "Verhandlungen über milliardenschwere Programme kaum vorstellbar".

Am Montagnachmittag dann, nach den Sitzungen von SPD-Präsidium und Parteivorstand, war davon keine Rede mehr. Statt die ganz harte Linie zu fahren, erklärte der Parteichef nun, man könne natürlich wieder eine Brücke aufbauen. Das sei nur eben viel schwieriger als vorher.

Was lag dazwischen? War Gabriel in sich gegangen? Hatte er realisiert, welche Wirkung die Wortmeldung des deutschen Vizekanzlers noch am Abend des Referendums auch international entfaltet hatte? Eher nicht. Tatsächlich hatten die anderen Mitglieder des Präsidiums ihn am Montagvormittag von seiner harten Linie abgebracht.

Mehr als eine kosmetische Korrektur auf Gabriels Zettel

Das belegt ein Entwurf für den anschließenden Vortrag vor der Presse, mit dem Gabriel in die Präsidiumssitzung gegangen war. In dem Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, Griechenland könne nicht seine nationalen Interessen bedingungslos gegen die anderen Euro-Staaten durchsetzen - ansonsten würde jeder Mitgliedstaat Sonderrechte beanspruchen, was faktisch das Ende der Euro-Zone bedeutete. "Deshalb ist für die SPD klar: Es gibt auf der Grundlage dieses Referendums keine neuen Milliarden-Hilfsprogramme der Euro-Zone für Griechenland", heißt es auf dem Sprechzettel. "Ob Griechenland im Euro noch eine Zukunft hat, ist deshalb zur Stunde ungewiss."

In der Pressekonferenz sagte Gabriel diese beiden Sätze dann nicht - wobei sich der zweite Satz noch in der bereinigten Fassung findet, die nach der Präsidiumssitzung verbreitet wurde. Der erste Satz, die Absage an weitere Hilfsprogramme, ist aus dieser Fassung komplett verschwunden. Und das ist alles andere als eine kosmetische Korrektur: Hätte Gabriel diesen Satz in der Pressekonferenz gesagt, wäre das die Meldung des Tages gewesen. Vor allem aber hätte sich der SPD-Chef, was Griechenland angeht, schon wieder härter als die Kanzlerin gegeben.

Nach einhelliger Darstellung mehrerer Teilnehmer hatte ihm das Präsidium in einer ausführlichen Debatte diesen Satz und die damit verbundene Botschaft ausgeredet. Im anschließend tagenden, größeren Parteivorstand ging die Debatte weiter - obwohl der Sprechzettel bereits entschärft war. Hier fühlten sich viele Teilnehmer offenbar noch durch Gabriels Formulierung vom Abend zuvor genötigt, das Wort zu ergreifen. Als erster meldete sich nach Angaben von Teilnehmern der Parteilinke Niels Annen und stellte die Frage nach der Strategie, die man verfolge. So ging es weiter. Zwar blieb die Debatte laut Teilnehmern moderat im Ton, doch zahlreiche Vorstandsmitglieder brachten zum Ausdruck, dass sie sich eine andere Linie als die von Gabriel vorgegebene wünschten.

Gabriels Gespräch mit Pegida-Anhängern sehen viele als Beginn eines Irrwegs

Abseits der Gremien äußern sich zahlreiche Genossen dieser Tage noch deutlich härter: Der SPD-Vorsitzende dürfe die Partei nicht rechts von der Union positionieren, heißt es in vertraulichen Gesprächen, in denen mittlerweile eine Mischung aus Verärgerung und Resignation zum Ausdruck kommt. Die SPD, heißt es weiter, dürfe nicht die Kraft sein, die größtmögliche Härte gegenüber Griechenland und am Ende womöglich das Ausscheiden des Landes aus der Euro-Zone fordere. Tatsächlich kommt in der Kritik ein allgemeines Unbehagen vor allem auf der Parteilinken an Gabriels Kurs zum Ausdruck, die Partei in die Mitte zu rücken - wobei linke Sozialdemokraten hier widersprechen: Gabriel, sagen sie, rücke die SPD "nach rechts".

Sie ziehen dabei eine Linie vom Beginn des Jahres an, als Gabriel mit Anhängern der Pegida-Bewegung sprach, bis hin zu einem kürzlich bekannt gewordenen Strategiepapier, in dem für den Geschmack der Parteilinken zu viel von Sicherheit und Patriotismus sowie zu wenig von Gerechtigkeit die Rede ist. Griechenland ist aus ihrer Sicht nur das Ende einer unheilvollen Entwicklung. Schon Gabriels kürzlich in der Bild-Zeitung platzierter Satz, wonach man "nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen" werde, hatte erheblichen Unmut erzeugt.

Gabriel wiederum behauptet, mit seinen Thesen eine Mehrheit in der Mitgliedschaft und der (potenziellen) Wählerschaft zu vertreten. Aus seiner Sicht haben viele Spitzenfunktionäre das Gefühl dafür verloren, was diese Menschen bewegt: etwa zunehmender Unmut über Griechenland.

Daraus entsteht eine zunehmende Entfremdung. Ob sie sich weiter verschärft, wird auch vom Thema Griechenland abhängen. Parteivize Ralf Stegner jedenfalls warb am Dienstag im Deutschlandfunk dafür, "auch Respekt gegenüber Griechenland anzuwenden". Man solle nicht glauben, man könne "da mit dem erhobenen Zeigefinger Ratschläge" geben. "Auch wir Deutschen haben Erfahrungen mit Zeiten, wo andere uns geholfen haben."

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