Mitten in Bayern:Die Rampenfrau vom Bayerwald

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Josefa Schmid, die trällernde Bürgermeisterin von Kollnburg, hat sich im Nachbarort Viechtach eine Bühne gesucht - gegen den Willen des dortigen Bürgermeisters. Der ist ordentlich verstimmt

Von Wolfgang Wittl

Den Bewohnern des Bayerischen Waldes wird völlig zurecht eine gesunde Portion Hartnäckigkeit und Fleiß nachgesagt. So gesehen ist Josefa Schmid eine besonders typische Vertreterin dieser Spezies. Sie ist nicht nur Diplomjuristin und Bürgermeisterin der Gemeinde Kollnburg, sondern arbeitet neuerdings auch als Beamtin im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Vor allem aber forciert Schmid ihre Karriere als Schlagersängerin - unbeirrt von kleinen und großen Widerständen.

Am vergangenen Wochenende hatte sie für sich das Bürgerfest im benachbarten Viechtach als Bühne auserkoren. Dass der Bürgermeister ihr einen Auftritt ausdrücklich untersagt hatte, focht Schmid nicht weiter an. Sie stellte sich eben kurzerhand auf die Straße und trällerte drauflos - tapfer ignorierend, dass die Lebenswirklichkeit des Künstlers sich nicht immer mit dem Inhalt des eigenen Hochglanz-Videos decken muss.

Statt von einer frischen Mittelmeerbrise umweht, stand Schmid also vor einer griechischen Taverne in Viechtach, umringt von gackernden Jugendlichen. Auch der von ihr besungene Tiziano ("ti amo") hatte sich verändert, zum Glück nur unwesentlich. Der schmachtende Latino-Schönling mit seinem akkurat getrimmten Fünftagebart hatte sich in einen lebensfrohen Bayerwaldburschen verwandelt, dessen Gesichtsbehaarung an eine Ziege erinnerte. Seinen Typ unterstrich er dadurch, dass er Schmid mit einem Bierkrug in der Hand umtanzte - anstatt ihr wie im Video rote Rosen zu überreichen. Schmid säuselt dazu feinsinnig die Zeilen: "Und zum Morgen wird die Nacht. Tiziano ist verschwunden, hat sich aus dem Staub gemacht."

Der Viechtacher Bürgermeister erfuhr nur aus der Ferne von Schmids Darbietung. Er weilte in Berlin - bei einem Konzert von Helene Fischer. Die könne wenigstens singen, sagte er. Seine Bürgermeisterkollegin bedachte er mit weniger hymnischen Worten. Ob eine wahre Bayerwald-Rampenfrau sich davon beeindrucken lässt, ist freilich zu bezweifeln. Buh-Rufe konterte Schmid mit der These, es habe sich nur um enttäuschte Fans gehandelt, weil sie ihren Auftritt nach gut zehn Minuten schon wieder beendet habe. Der Titel ihrer Zugabe lautete: "Du hast mich tausendmal belogen."

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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