Best-Case-Szenario:Best-Case: Das muss passieren, damit Athen Kredite bekommt

Greece Facing Uncertain Future After Rejecting EU Proposals

Die Akropolis in Athen: Griechenlands Zukunft ist äußerst unsicher, aber nicht hoffnungslos.

(Foto: Getty Images)
  • Griechenland hat Milliardenkredite aus dem Euro-Rettungsfonds ESM beantragt und im Gegenzug die sofortige Umsetzung von Reformen beschlossen.
  • Falls die Euro-Gruppe entscheidet, dass Verhandlungen mit Athen aufgenommen werden sollen, müssen in mehreren Staaten die nationalen Parlamente ihren Regierungen ein Verhandlungsmandat erteilen - auch in Deutschland.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

An diesem Mittwoch ist genau das passiert, was Alexis Tsipras versprochen hat: Die griechische Regierung hat einen Antrag beim Euro-Rettungsfonds ESM gestellt. Nach Artikel 13 des ESM-Vertrags kann ein Mitgliedsland an den Vorsitzenden des Gouverneursrats ein sogenanntes Stabilitätshilfe-Ersuchen richten; zurzeit ist das Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem. Der wiederum überträgt der EU-Kommission und der Europäischen Zentralbank (EZB) die Aufgabe, den Antrag zu prüfen.

Im Kern geht es dabei um die Frage, ob eine "Gefahr für die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt oder seiner Mitgliedstaaten" besteht. Ist dem so, müssen Kommission und EZB bewerten, ob Athen seine Staatsschulden mit Hilfe neuer Kredite tragen kann. Um dies festzustellen, ziehen die Prüfer den Internationalen Währungsfonds (IWF) zu Rate. Sollten dessen Experten zu dem Ergebnis kommen, dass dies möglich ist, wird der Finanzierungsbedarf des Landes bewertet. Wie groß also ein Hilfsprogramm für Athen ausfallen könnte, wird erst dann wirklich klar werden. In der vergangenen Woche hatte der IWF geschätzt, dass Griechenland bis 2018 zusätzlich mehr als 50 Milliarden Euro benötige.

In seinem Brief an Dijsselbloem und den Chef des ESM, Klaus Regling, beruft sich der neue griechische Finanzminister, Euklid Tsakalotos, auf die Artikel 12 und 16 des ESM-Vertrags. Unter der Überschrift "Grundsätze" steht da: "Ist dies zur Wahrung der Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt und seiner Mitgliedstaaten unabdingbar, so kann der ESM einem ESM-Mitglied unter strengen Auflagen Stabilitätshilfe gewähren." Der Gouverneursrat kann dann beschließen, nach dieser Maßgabe Finanzhilfe in Form eines Darlehens zu genehmigen. Die Voraussetzung, dass Griechenland die Chance auf eine neuerliche Hilfe der Euro-Partner bekommen kann, ist mit dem formalen Antrag jedenfalls erfüllt.

Versprochen, fällige Schulden tatsächlich zu begleichen

Geht es nach der Regierung in Athen, soll das neue Hilfsprogramm zunächst für drei Jahre abgeschlossen werden. Außerdem kündigt sie in dem Schreiben an, Reformen von nächster Woche an sofort umzusetzen - und zwar bei Steuern und Renten. Spätestens an diesem Donnerstag würden, so steht es in dem einseitigen Brief aus Athen, detaillierte Vorschläge zur Reformagenda vorgelegt.

Griechenland verpflichte sich außerdem dazu, alle finanziellen Verbindlichkeiten gegenüber seinen Gläubigern vollständig zu erfüllen und auch rechtzeitig zu zahlen. Dieses Versprechen ist wichtig, denn zuletzt ist das Vertrauen der Geldgeber stark erschüttert worden. Eine am 30. Juni fällige Kreditrate beim IWF hat Griechenland einfach nicht beglichen. Die lapidare, aber ehrliche Begründung: Uns fehlt das Geld. Spätestens nach Ablauf dieses dritten Hilfsprogramms will Griechenland in der Lage sein, sich wieder zu erträglichen Zinsen über den freien Kapitalmarkt dauerhaft selbst zu finanzieren.

Die Finanzminister der Euro-Gruppe müssen an diesem Samstag über den Antrag befinden. Sie sind es, die darüber entscheiden, ob Verhandlungen mit Griechenland aufgenommen werden - oder eben nicht. Falls die Euro-Gruppe sich dafür ausspricht, müssen in einigen Staaten, darunter Deutschland, die nationalen Parlamente den jeweiligen Regierungen ein Verhandlungsmandat erteilen.

Am Samstag entscheiden die Euro-Finanzminister

Kanzlerin Angela Merkel hatte beim Euro-Sondergipfel am Dienstag in Brüssel gesagt, dass sie von der griechischen Regierung "weiter gehende Vorschläge" erwarte als jene, die bereits auf dem Tisch liegen. Die wirtschaftliche Situation in Griechenland habe sich deutlich verschlechtert. Ganz im technischen Jargon der Euro-Rettungspolitikerin sagte Merkel: "Man wird auf Prior Actions bestehen." Prior Actions sind Reformmaßnahmen, die vorrangig umgesetzt werden müssen. Die Euro-Partner dringen darauf, dass die griechische Regierung in Vorleistung geht. Das heißt nichts anderes, als dass das Parlament in Athen so schnell wie möglich Reformgesetze beschließen soll. Dies würde das Vertrauen der Geldgeber wieder stärken.

Am Samstag sollen die Euro-Finanzminister entscheiden, ob sie Verhandlungen empfehlen. Sagen sie Ja, wird es auf dem EU-Sondergipfel am Sonntag, an dem alle 28 EU-Staaten teilnehmen sollen, um Zweierlei gehen: erstens um eine Brückenfinanzierung bis zum 20. Juli. Dann muss Athen 3,5 Milliarden Euro an die EZB zahlen. Und zweitens darum, wie Athen zusätzlich zu dem ESM-Programm wirtschaftlich geholfen werden kann. Im Gespräch ist ein Struktur- und Wachstumspaket, das aus Töpfen der Union gespeist werden könnte. Dafür ist aber nicht nur die Zustimmung der Euro-Länder nötig, sondern die aller 28 EU-Mitgliedstaaten.

Sondersitzung des Bundestags?

Damit die Verhandlungen beginnen können, müssten die Bundestagsabgeordneten aus dem Urlaub geholt werden. Die Bundesregierung braucht ein Mandat des Plenums, um überhaupt über ESM-Kredite verhandeln zu dürfen. Geht am Wochenende alles glatt, könnte Bundestagspräsident Norbert Lammert den Bundestag am Montag für eine Sondersitzung am kommenden Dienstag einberufen.

Die entscheidende Frage ist, ob die Euro-Partner die griechischen Vorschläge für ausreichend halten. Das wird nicht leicht für die Regierung in Athen, nachdem die Griechen in einem Referendum die bisherige Reformagenda der Kreditgeber klar abgelehnt haben.

Kommt es trotzdem zu einer Übereinkunft, könnten die Euro-Partner auch über das sprechen, was bislang keine Rolle in den Papieren der Gläubiger spielte: Wachstum. Denn genau das braucht das hochverschuldete Land. Die Retter Griechenlands könnten nach fünf Jahren Hin und Her ein umfassendes Wirtschaftsprogramm in Angriff nehmen. Dann hätte sogar, Ironie der Geschichte, der zurückgetretene griechische Finanzminister recht bekommen: Yanis Varoufakis war es, der seit fünf Monaten immer wieder einen "New Deal", also einen europäischen Pakt für mehr Wachstum, gefordert hatte.

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