Wechsel an der Spitze:Eine Präsidentin für Passau

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Die Wirtschaftsprofessorin Carola Jungwirth steht künftig an der Spitze der Universität. Sie setzte sich überraschend gegen Burkhard Freitag durch, der nach nur vier Jahren abgewählt wurde. Vielen ging sein Expansionskurs zu schnell

Von Martina Scherf, München

Als dritte Hochschule in Bayern wird die Universität Passau künftig von einer Frau regiert. Die Wirtschaftsprofessorin Carola Jungwirth ist aus dem Kopf-an-Kopf-Rennen um das Präsidentenamt als Siegerin hervorgegangen. Sie hat die Mitglieder des Universitätsrates überzeugen können, dass sie das bessere Konzept hat, um die Uni, an der zuletzt um Stellen und Kompetenzen gestritten wurde, wieder in ruhigeres Fahrwasser zu lenken. "Qualität statt Quantität" hatte sie öffentlich gefordert und damit Amtsinhaber Burkhard Freitags Expansionskurs kritisiert. Der Informatiker, erst seit vier Jahren Präsident, musste sich geschlagen geben.

Es brauchte am Mittwochabend zwei Wahlgänge, doch dann hatten sich die zehn Professoren und zehn externen Mitglieder des Universitätsrates mit absoluter Mehrheit für Jungwirth entschieden. Die Betriebswirtin, seit 2007 Inhaberin des Lehrstuhls für Internationales Management, sagt: "Dies ist mein Traumjob." Wobei Job sicher untertrieben ist, denn die Universität, wenngleich mit 12 000 Studenten eher klein, erlebt große Umbrüche.

Amtsinhaber Freitag hatte für die einst überwiegend geisteswissenschaftlich ausgerichtete Hochschule das Programm "Technik Plus" ersonnen und das bayerische Wissenschaftsministerium davon überzeugen können. In der Uni soll sich ein Kompetenzzentrum für digitale Technologien entwickeln. Neun neue Lehrstühle sind seither eingerichtet worden, vor allem in der Informatik, aber auch an den anderen drei Fakultäten, denn es soll auch um gesellschaftliche, juristische oder psychologische Fragen gehen, die mit den neuen Technologien verbunden sind. Seither herrscht viel Unruhe - die Art und Weise, wie die neuen Lehrstühle eingeführt wurden, empfanden viele als "Überrumpelung".

Carola Jungwirth will es anders machen. Sie zweifelt keineswegs am Sinn von Technik Plus, im Gegenteil: "Ich war von Anfang an davon überzeugt. Schließlich lebt unser Land davon, dass es technische Neuerungen erfindet und verkauft. Auch ein Kulturwirt kann eines Tages bei Bosch oder BMW landen, das ist sogar recht wahrscheinlich." Allerdings komme es bei der Einführung neuer Forschungsbereiche auf die Umsetzung an. Und da sei doch einiges zu verbessern. "Technik Plus ist das größte Investitionsprogramm, das die Universität bisher erlebt hat, das ist großartig. Aber man kann das den Leuten nicht einfach überstülpen."

Erst müsse man prüfen, wie neue Lehrstühle mit vorhandenen Fächern vernetzt werden könnten. Soziologen, Juristen, Ökonomen und Philosophen könnten zusätzliche technische Kompetenzen gewinnen, es gehe bei der Forschung zur Industrie 4.0 ja auch darum, "dass wir Menschen lernen, die Systeme zu kontrollieren und nicht umgekehrt". Wenn man aber Fächer verknüpfen wolle, müsse man auch die Stellenpläne aufeinander abstimmen, um die Kapazitäten effizient zu verteilen, sagt die Ökonomin: "Wachstum ohne Investition in Wachstum funktioniert nicht." Sonst passiert, was in der Fachwelt der "new toy effect" ist - ein neues Spielzeug verführt dazu, alten Geschäftsfeldern Personal und Mittel zu entziehen, "das ist gefährlich".

Freitag hatte auf Wachstum gesetzt und gehofft, durch den Druck hoher Studentenzahlen zusätzliche Stellen vom Ministerium zu erhalten. Jungwirth will "Klasse statt Masse". Das heißt: Nicht so viele Studenten wie möglich aufnehmen, sondern die Kapazitäten abstimmen, auch in der Lehre, "Feinsteuerung" eben. "Da muss man auch die Studien- und Prüfungsordnungen anpassen." Gründlichkeit vor Eile sei da angesagt.

Dass sie das nötige Fingerspitzengefühl mitbringt, davon ist die 49-Jährige, die sich selbst als "ehrgeizig" bezeichnet, überzeugt. Sie sei extrovertiert und kommunikationsfreudig. "Man muss eben mit den Betroffenen oft lange reden, bis man zu einer Lösung gelangt." Reden, daran hat es in der Vergangenheit meist gefehlt, sagten Professoren und Studenten immer wieder. Das soll sich jetzt ändern. Feedback sei ihr wichtig und konstruktive Kritik, auf die ein Unipräsident reagieren müsse, sagt Jungwirth. "Das ist eine komplexe Aufgabe, aber ich freue mich darauf", sagt die Professorin.

Studiert hat Jungwirth an der Ludwig-Maximilians-Universität München, sie wurde an der Technischen Universität Bergakademie Freiberg promoviert und an der Universität Zürich habilitiert. Kurz nachdem sie 2007 auf ihren Lehrstuhl in Passau berufen worden war, wurde sie gleich Studiendekanin der Universität. Seither hat sie verschiedene Führungsaufgaben übernommen, als Dekanin oder auch als Frauenbeauftragte, und zahlreiche Projekte angestoßen, wie etwa ein Dialogforum mit der Wirtschaft. Sie ist Mutter einer siebenjährigen Tochter und engagiert sich im Aufsichtsrat der Caritas in der Diözese Passau.

Bei ihren Studenten ist Jungwirth beliebt, wie Andreas Terörde von der Fachschaft der Wirtschaftswissenschaftler bestätigt. "Wir freuen uns, dass unsere frühere Dekanin nun Präsidentin wird." Das Motto "Klasse statt Masse" findet er unterstützenswert. Denn zuletzt hätten die Studienbedingungen unter dem Ansturm der Studenten doch gelitten. "Passau war immer für seine guten Studienbedingungen berühmt, das sollte so bleiben", sagt auch der langjährige Vorsitzende des Universitätsrates, der Münchner Unternehmer Dierk Ernst. Die kleine Universität mit ihrer "Kuschelatmosphäre" habe es geschafft, trotz ihrer Randlage im Drei-Länder-Eck einen hervorragenden Ruf zu erarbeiten: "Jeder Unternehmer weiß, wer einen Juristen oder Betriebswirt aus Passau einstellt, bekommt Qualität". Der Kulturwirt, in Passau erfunden, sei zu einem Markenzeichen geworden. Diese Traditionen und die besondere Atmosphäre in Passau gelte es zu bewahren. "Man darf nicht vergessen, dass 90 Prozent der Studenten in den klassischen Fächern studieren und nur zehn Prozent in den Mint-Fächern" - sagt der Unternehmer, der durchaus weiß, wie wichtig Fachkräfte im Technikbereich sind.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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