Alternative für Deutschland:"Auf Bundesebene hat die Rumpf-AfD keine echte Chance"

AfD Political Party Holds Federal Congress

Auf dem vergangenen Bundesparteitag der AfD trennen sich die Wege von Bernd Lucke, Gründer und Ex-Vorsitzender der Partei, und Frauke Petry, der neuen Frau an der Spitze.

(Foto: Getty Images)

Was bedeutet der Austritt von Bernd Lucke für die AfD? Nichts Gutes, glaubt Parteienforscher Oskar Niedermayer. Für den Rechtsruck der Partei sei der Ex-Vorsitzende mitverantwortlich.

Von Paul Munzinger

SZ: Was bedeutet der Parteiaustritt von Bernd Lucke für die AfD?

Oskar Niedermayer: Es ist ein schwerer Schlag für die Partei. Neben Lucke sind ja auch mehrere Landesvorsitzende ausgetreten. Und es haben hauptsächlich jene Mitglieder die Partei verlassen, die gemäßigt konservative Positionen vertreten haben. Der Konflikt in der Partei ist jetzt ganz klar zugunsten des rechtskonservativen Flügels entschieden worden, der sich nur unscharf zum äußersten rechten Rand abgrenzt. Das zeigt nicht nur die Wahl von Frauke Petry, sondern des gesamten Vorstandes. Mit einer Ausnahme: Jörg Meuthen. Dessen Wahl hat aber eher Feigenblattcharakter.

Ist die Partei ohne ihren gemäßigten Flügel am Ende?

Sie ist noch nicht am Ende. Im Osten, gerade in Sachsen, kann sie noch Erfolge erzielen. Aber auf Bundesebene hat die Rumpf-AfD keine echte Chance. Eine Partei mit dieser Ausrichtung konnte noch nie Fuß fassen im deutschen Parteiensystem. Es gibt eine ganz klare Stigmatisierung von rechten Parteien aufgrund unserer nationalsozialistischen Vergangenheit. Der überwiegende Teil der Bevölkerung ist überzeugt, dass man den Anfängen wehren müsse. Die bürgerlichen Wählerschichten, die bisher vor allem aus einer ökonomischen, wirtschaftsliberalen Sicht heraus für die AfD gestimmt haben, wählen eine solche Partei nicht.

Oskar Niedermayer

Oskar Niedermayer, 62, leitet seit 1993 das Otto-Stammer-Zentrum für Empirische Politische Soziologie an der FU Berlin.

(Foto: dpa)

Deutet der Erfolg von Pegida nicht darauf hin, dass es auch rechtsaußen ein Wählerpotenzial gibt?

Pegida hat selbst in längst vergangenen Hoch-Zeiten nicht mehr als einige Zehntausend Demonstranten auf die Straßen gebracht - bei 67 Millionen Wahlberechtigten. Für die Bundesebene reicht das nicht.

Die Union rückt immer weiter in die politische Mitte und hinterlässt damit eine Lücke im konservativen Spektrum, heißt es. Doch wenn selbst die zunächst demonstrativ bürgerlich-akademisch auftretende AfD diese Lücke nicht besetzen kann - kann das überhaupt irgendjemand?

Diese Lücke ist nach allen bisherigen Erfahrungen eher theoretischer Natur. Eine bürgerlich-konservative Partei rechts von der Union ist denkbar, es gibt solche Parteien ja auch in anderen Ländern. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass es ein Potenzial an konservativen Wählern gibt, die vom Kurs von Frau Merkel enttäuscht sind. In der Realität aber hat sich bisher immer gezeigt: Parteien, die in diese Lücke stoßen wollen, scheitern an der notwendigen Gratwanderung zwischen konservativ und rechtsaußen.

An dieser Gratwanderung ist letztlich auch Bernd Lucke gescheitert.

Lucke hat einerseits geholfen, der Partei ein bürgerlich-honoriges Image zu geben. Mit seinem Standing als Wirtschaftsprofessor und der anfänglichen Konzentration auf eine Kritik an der Euro-Rettung, hat er auch bürgerlich-liberale Schichten angezogen. Andererseits hat er immer wieder gezeigt, dass er nicht unfroh war, auch Wähler von weiter rechts einbinden zu können. Am Anfang hat er nach rechts kokettiert und bewusst in Kauf genommen, dass dieser Kurs dann auch solche Mitglieder anzieht. Später hat er gemerkt, dass er die Geister, die er rief, nicht mehr losbekommt. Da war es aber zu spät.

Lucke hat bei seiner Verabschiedung gesagt, er wolle nicht als "bürgerliches Aushängeschild" einer Partei dienen, die die "ursprüngliche liberale und weltoffene Ausrichtung der AfD in ihr Gegenteil verkehren" wolle.

Das kann man schon unter Legendenbildung verbuchen. Auch Lucke und seine Mitstreiter sind ja keine Progressiv-Liberalen, sondern Konservative. Der Konflikt in der Partei ging nicht um liberal-weltoffen versus konservativ, sondern um gemäßigt konservativ versus deutlich weiter rechts stehend.

Sollte Lucke gemeinsam mit den anderen AfD-Abtrünnigen eine eigene Partei gründen - hätte diese Chancen, sich zu etablieren?

Unter normalen Umständen: Ganz klar Nein. Sollte Deutschland den Griechen am Sonntag Zugeständnisse machen, die der Bevölkerung das Gefühl geben, man werde über den Tisch gezogen, dann könnte diese Partei kurzfristig wieder interessant werden. Aber diese Unterstützung hält nicht bis zur nächsten Bundestagswahl 2017. Die Partei müsste ihr Programm verbreitern und sich auch gesellschaftspolitisch positionieren. Dann geht das ganze Spiel von vorne los.

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