Bad Tölz:Kulinarische Reise ins Urbairische

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Sabine und Peter Rank betreiben das Traditionsgasthaus Jägerwirt im ländlichen Kirchbichl in vierter Generation. Um Gäste anzulocken, setzen sie auf alte Familienrezepte und die zeitgemäße, qualitative Umsetzung bayerischer Wirtshausküche mit Produkten aus der Region

Von Claudia Koestler, Bad Tölz

Stammkunden dürfen den folgenden ersten Absatz getrost überspringen. Wer aber die Fahrt von Dietramszell aus zum ersten Mal auf sich nimmt, braucht zugegebenermaßen ein bisschen Mut und Geschicklichkeit. Denn der Straßenverlauf durch die Wälder ist abenteuerlich kurvenreich, sogar bis in einen "Teufelsgraben" geht es hinunter und wieder rauf. Am Ende aber wartet das, was für den Bayern und immer mehr Besucher den Himmel bedeutet: freier Blick auf die Alpenkette abseits der Pfade, ein urbairisches Örtchen, neben der Kirche ein herrlich lauschiger Biergarten unter Kastanien und eine urige Stub'n. Wenn dann noch schmackhafte bayerische, regionale Küche in exzellenter Qualität dazu kommt, kann es sich nur um ein Gasthaus handeln: den Jägerwirt in Kirchbichl. Und schon dürften die Stammkunden wieder an Bord sein, denn wer einmal da war, kommt wieder. Auch wenn, wie Wirt Peter Rank lacht, "die Lage kein Vorteil ist, abgesehen von der schönen Aussicht und dass man von hier aus alles machen kann: wandern, spazieren, Rad fahren". Denn ein Gast müsse immer erst einmal mindestens sechs Kilometer zurücklegen, bis er nach Kirchbichl komme. "Deshalb brauchen wir etwas, was die Leute rauszieht", weiß Rank. Und das ist: die Qualität.

Das Wirtspaar, Peter und Sabine Rank, sind bereits die vierte Generation im Traditionsgasthaus. Über 350 Jahre alt ist das Gebäude zum Teil, schwere Eisenbeschläge an den Türen und historische Fotos an den Wänden zeugen von der langen Geschichte. Doch erst seit 1928 wird in dem ehemaligen Bauernhaus auch ausgeschenkt und bewirtet. "Der eigentliche Grund war, dass damals die Starkstromleitung vom Walchensee nach Rosenheim gebaut wurde, und es in dieser Gegend weit und breit nichts gab, wo sich die Arbeiter verköstigen konnten", weiß Peter Rank. Seine Familie betrieb lange die Landwirtschaft weiter nebenher, doch die Gastronomie wuchs stetig. Mitte der 1950-er Jahre hatte der Großvater von Peter Rank eine Idee: Er baute einen großen Saal an, um Platz für Hochzeiten oder Tanzveranstaltungen zu haben. Und noch einen weiteren Raum fügte Nikolaus Rank hinzu: Er war nach 1945 von den Amerikanern als Bürgermeister der damals noch eigenständigen Gemeinde Kirchbichl eingesetzt und blieb Ortschef bis 1965. Platz für Gemeinderatssitzungen gab es nicht, also baute Nikolaus Rank einen geeigneten Raum in seine Wirtschaft. Heute finden darin Taufen oder kleine Vereinsversammlungen statt.

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

Um nach Kirchbichl von Sabine und Peter Rank zu gelangen, muss ein Gast erst einmal sechs Kilometer zurücklegen. Im Jägerwirt erwarten ihn...

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

... eine gute Stub'n...

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(Foto: Harry Wolfsbauer)

...und ein Biergarten mit freiem Blick auf die Alpen. Vor allem aber die qualitätvollen bayerischen Gerichte.

Als die Eltern von Peter Rank die Wirtschaft übernahmen, standen sie vor einer Entscheidung: "Damals waren Landwirtschaft und Gastronomie nicht mehr vereinbar", sagt Peter Rank. Denn wenn es draußen schön war, wurden alle Hände auf den Feldern gebraucht - zugleich aber nutzten eben auch Ausflügler das Wetter und strömten in den Rank'schen Biergarten. Die endgültige Entscheidung zugunsten der Gastronomie fiel Anfang der 1980-er Jahre. Doch Peter Rank ließ sich zunächst als Zimmerer ausbilden. "Als Jugendlicher habe ich mir noch gedacht, nein, Gastronomie, das tue ich mir nicht an", lacht er heute. Denn damals habe er am Beispiel seiner Eltern gesehen, dass ein Wirtshaus viel Arbeit und wenig Freizeit bedeutet. Während seiner Bundeswehrzeit verbrachte er allerdings die Freizeiten im elterlichen Betrieb und kam auf den Geschmack. Also schloss er eine Kochlehre in Bad Wiessee an und übernahm schließlich 1996 das Haus.

Die Veredelung von Lebensmitteln, das ist bis heute seine Leidenschaft. Einen besonderen Schwerpunkt setzt er auf Frische und Qualität. Soweit es möglich ist, bezieht er seine Waren, insbesondere die Fleischwaren, nicht nur aus der Region, sondern von Landwirten, die er persönlich kennt. Die Kräuter kommen sogar aus dem eigenen Garten. "Bei meinen Waren will ich wissen, was und wer dahinter steckt", sagt Rank. An der Verbesserung seines Angebotes arbeitet er jeden Tag auf's Neue, was Anspruch und Herausforderung zugleich ist. Das alles trage nicht nur zum Geschmack des Essens, sondern eben auch zum Schutz der Umwelt und der Kultur bei. "Wir beziehen auch nie große Mengen, sondern arbeiten nach der Philosophie, alles zu verarbeiten, nicht nur die Edelteile", sagt Rank.

Natürlich bedeutet das umgekehrt auch, dass es nicht immer alles auf der Speisekarte geben kann. Dieses Qualitätsmerkmal wissen die Kunden jedoch zu schätzen. "Ganz ehrlich, es macht eben einfach Spaß, was Gescheites zu kochen, genauso wie es mehr Spaß macht, was Anständiges zu essen", weiß Rank. Vieles, was er auf seiner regulären oder der Tageskarte anbietet, sind zudem alte Familienrezepte. "Das Böfflamot etwa, da beizen wir das Fleisch noch tatsächlich drei Wochen." Eine andere Spezialität: die Kalbs- und Schweinshaxen vom Grill, "damit identifizieren uns viele", weiß Rank. Die allerdings gibt es nur auf Vorbestellung. Und auch der Schweinsbraten unterliegt noch einer alten, klaren Regel: Es ist ein Essen für den besonderen Tag, also Wochenende oder Feiertag. Der Arbeitsaufwand für all das sei enorm, erläutert der Wirt. Aber es zahle sich aus: "Wir haben nicht nur Gäste aus allen Bereichen, die sich bei uns wohlfühlen, vom Waldarbeiter bis zum Professor, sondern auch viele Stammgäste, teilweise bis aus München", weiß Rank. Einmal sei gar ein Berliner mit dem Motorrad bis nach Kirchbichl gefahren, nur um die Schweinshaxe zu genießen. Als der Wirt das erzählt, spitzen plötzlich am Nachbartisch zwei Gäste die Ohren: "Wir sind auch aus Berlin, und kommen schon seit Jahren immer hier vorbei, wenn wir nach Italien reisen", werfen Lothar und Sabine Schramm ein. Denn, schwärmen beide, der Kirchbichler Jägerwirt verbinde ausgezeichnete Speisen mit jenem "süddeutschen Ambiente", das sie lieben.

Das Wort "ausgezeichnet" ist dabei übrigens wörtlich zu verstehen: Seit über 15 Jahren wird der Jägerwirt jährlich von den Inspektoren des Guide Michelin prämiert für sein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Auch der "Feinschmecker" wie der "Schlemmeratlas" loben das Gasthaus. Und besonders stolz ist Rank auf die jüngste Auszeichnung: "Slow Food Deutschland" empfiehlt das Kirchbichler Wirtshaus treffend als "gut, sauber und fair".

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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