Schauspieler Numan Acar:Zufällig Schurke

Homeland - Dies ist keine Übung / Astrid / Niemandsland

Hände hoch: Numan Acar als Haissam Haqqani in "Homeland".

(Foto: Showtime)

Vom Bauingenieur zum Bösewicht: Der Berliner Schauspieler, Regisseur und Produzent Numan Acar spielt in "Homeland" einen Terroristen. Ein Treffen.

Von David Denk

Numan Acar sitzt, wo er meistens sitzt, wenn er nicht gerade in Südafrika dreht, in Aserbaidschan oder in China: in seinem Stammcafé am Landwehrkanal in Berlin-Kreuzberg, an einem Tresen gleich an der Tür. Es ist sein Arbeitsplatz und Observationsposten ("Ich bin ein Beobachter"), hier schreibt er am Skript für die Multikulti-Komödie Weihnachten unterm Halbmond. "Ich brauche das Drumherum, die Geräusche, das Gewusel", sagt er. Das Projekt begleitet Acar seit vier Jahren. Er hofft, dass die aktuelle achte Fassung diejenige ist, die womöglich noch in diesem Jahr verfilmt wird. Die Chancen stehen nicht schlecht: 2014 gewann Weihnachten unterm Halbmond den Hessischen Drehbuchpreis. Die Jury lobte den "überspitzten, subversiven Ton" von Acar und seinen beiden Co-Autoren.

Es ist sein zweiter Film als Autor. 2014 kam Vergrabene Stimmen ins Kino. Da war er außerdem Regisseur, Produzent und Darsteller, denn eigentlich ist Acar ja Schauspieler. Wobei es in seinem Fall, bei seiner Geschichte kein Wunder ist, dass ihm das nicht reicht. "Ich gehöre zu den Menschen, die vielseitig arbeiten müssen", sagt er. "Das erfüllt mich, daraus sauge ich meine Kraft." Acar ist Kreativer durch und durch - wenn er nähen könnte, würde er wohl auch noch das Kostümbild übernehmen.

Gut spielen reicht erst, sobald man zu Castings eingeladen wird

Seit diesem Freitag ist der 40-Jährige im deutschen Fernsehen in einer Rolle zu sehen, für die Kollegen töten würden. Oder sagen wir angesichts des Themas besser: um die viele Kollegen ihn sehr beneiden. Denn in der vierten Staffel der US-Serie Homeland spielt er den fiktiven pakistanischen Terroristen Haissam Haqqani, den Antagonisten von CIA-Agentin Carrie Mathison (Claire Danes). Und was macht Acar? Der freut sich zwar über diese Chance, das schon, aus dem Häuschen aber gerät er nicht. Die Rolle sei für ihn "eine Art Ernte", sagt er: "Es hat mich sehr viel Zeit und Geld gekostet, überhaupt erst in diese Situation zu gelangen." Alle anderen sehen nur das Ergebnis, Acar sieht auch den Weg dorthin: die Reisen zu Branchentreffen, das Buhlen um die Aufmerksamkeit von Agenten in London und Los Angeles, das ganze Klinkenputzen und Charmieren. Gut spielen alleine reicht eben nicht. Oder besser: Es reicht erst, sobald man zu Castings auch eingeladen wird.

Für Homeland hat er sich selbst mit der Handykamera gefilmt und mit dem Ansatz, den Terroristen als vielschichtigen Charakter zu zeigen, den Geschmack der Macher getroffen: Schon kurz darauf saß er im Flieger nach Südafrika, wo die Serie gedreht wurde. Was ihn dort erwarten, was er spielen würde, wusste er nicht. Die Drehbücher bekam er erst am Ort. In Kapstadt war die Überraschung groß, dass es sich um eine tragende Rolle handelte. "Ich bin ein totaler No-Name für die Amerikaner und darf diese Rolle spielen", fasst Acar zusammen. "Nicht trotzdem, sondern gerade deswegen." In Deutschland hingegen würden meist die üblichen Verdächtigen besetzt. "Die Denke ist: Lieber auf Nummer sicher gehen, als etwas zu riskieren. Das Problem ist aber: Wer nichts riskiert, kann auch nichts gewinnen."

In Berlin wird gerade die fünfte Staffel gedreht - aber bis jetzt hat noch niemand bei Acar angerufen

"Stillstand ist der Tod."

Das ist ein cooler Spruch, aber Acar ist keiner dieser branchentypischen Maulhelden. Er weiß, wovon er spricht, hat er doch für die Schauspielerei seinen vorgezeichneten Karriereweg aufgegeben. Er hat Maurer gelernt und anschließend Bauingenieurwesen studiert, für große Baukonzerne gearbeitet. Befriedigt hat es ihn nicht. "Mir wurde klar: Ich möchte nicht mein Leben lang Häuser bauen." In der Entwicklung von Menschen gebe es diesen einen Punkt, wo aus einer Idee Realität werden könne, sagt Acar, "und dann muss man sich entscheiden, ob man immer noch will, worauf man so lange hingearbeitet hat." Acar hat sich gegen ein Leben als Bauingenieur entschieden und schon Jahre zuvor gegen eine Karriere als Fußballprofi. Er war beim Probetraining für den Istanbuler Verein Zeytinburnuspor und von der Aggressivität in den Augen seiner Gegenspieler abgestoßen: "Ich wollte nicht jedes Wochenende in den Kampf ziehen."

Zur Schauspielerei fand Numan Acar durch einen Zufall. Auf dem Weg zu seiner damaligen Baustelle bekam er mit, dass bei einem Amateurtheater ein Darsteller ausgefallen war. Er bekundete Interesse und sprang kurzfristig ein. Sein Eifer war geweckt, "selbst das Instrument" zu sein, wie er es einmal nannte, gefiel ihm. Er belegte Schauspielworkshops und schaffte mit einer kleinen Rolle im Film Kebab Connection (2005) den Einstieg ins Filmgeschäft. Seitdem pendelt Acar, der im Alter von acht Jahren nach Deutschland kam, zwischen deutschen, türkischen und internationalen Produktionen. Zuletzt drehte er mit Mandy Patinkin, Carrie Mathisons CIA-Mentor Saul Berenson aus Homeland, mit dem er sich bei den Dreharbeiten angefreundet hat, den Kinofilm Ali und Nino nach dem Bestseller von Kurban Said.

Heimweh ist Numan Acar fremd

Mittlerweile ist Acar also ein gefragter Darsteller und durch Homeland auch ein bekanntes Gesicht. Er habe keine Ahnung, wie viel von seinem derzeitigen Erfolg auf die Serie zurückzuführen sei, sagt Acar, darüber denke er aber auch nicht nach. "Es geht mir in meiner Karriere darum, mich von Projekt zu Projekt weiterzuentwickeln", formuliert er seine Priorität. "Stillstand ist der Tod."

Während seine Kollegen in Berlin die fünfte Homeland-Staffel drehen ("Es würde mich sehr freuen, wenn ich dabei wäre, aber bislang habe ich keinen Anruf bekommen"), hat es Acar nach China verschlagen. Wieder weiß er kurz vor Abflug nicht, was ihn erwartet. Es reicht ihm zu wissen, dass Regisseur Zhang Yimou (Hero, House of Flying Daggers) mit ihm arbeiten will - "eine Riesenehre", sagt er. "Da habe ich nicht nach einem Drehbuch gefragt." Hinzu kommt, dass Acar gern im Ausland dreht, Heimweh ist ihm fremd. "Heimat ist für mich nicht an einen Ort gebunden", sagt er. "Das ist etwas, was ich in mir trage und mitnehme, wohin auch immer ich gehe." Anschluss zu finden ist für ihn kein Problem, in Aserbaidschan hat er mit den Angestellten des Hotels, in dem die Ali und Nino-Crew wohnte, Fußball gespielt. "Mir wurde zu Hause mitgegeben, jeden Menschen so anzunehmen, wie er ist", sagt Acar. "Das ist mein anatolisches Erbe."

Die Homeland-Kollegen müssen nun also für ein paar Wochen auf Numan Acars Dienste verzichten, auf ihren "Berlin-Guide", wie er sich selbst scherzhaft nennt. Klar sei er schon mehrfach mit Mandy und einigen anderen unterwegs gewesen, vorzugsweise in Schöneberg und Kreuzberg: Feierabendbier, Abendessen, Spaziergänge - solche Sachen. "Ich zeige ihnen meine Ecken, weil ich weiß, dass sie gerne dahin wollen, wo sich die Berliner herumtreiben." Seinen Observationsposten im Café hat er ihnen also höchstwahrscheinlich auch schon gezeigt.

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