Tsipras und Syriza:Rebellion gegen den Rebellen

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Das Parlament befürwortet Tsipras' Reformliste - doch Syriza ist zerrissen. Hilfe bekommt der Premier ausgerechnet von Vertretern des verhassten alten Systems.

Von Jannis Brühl

Jetzt fliegt Alexis Tsipras erst einmal nach Brüssel, um an diesem Wochenende eine Möglichkeit zu finden, sein Land im Euro zu halten und frische Kredite zu bekommen. "Alles andere kommt danach zu seiner Zeit", sagte der griechische Premier am Samstagmorgen nach der Abstimmung über neue Sparvorschläge. "Alles andere", das bedeutet: die Zukunft seiner Regierung.

"Das Parlament hat der Regierung heute ein starkes Mandat gegeben"", um mit EU, EZB und IWF zu verhandeln, sagte er. Das "starke Mandat" überdeckt aber eine Schwäche seiner Regierung: Die Abstimmung hat einen Riss innerhalb seiner Partei Syriza offenkundig gemacht, der für die griechische Politik entscheidend sein könnte.

Zwar stimmten 251 der 300 Abgeordneten im griechischen Parlament für Tsipras' Vorschläge, doch 17 Stimmen aus der eigene Partei fehlten. Darunter waren zwei Nein-Stimmen und acht Enthaltungen. Sieben Abgeordnete fehlten, auch der ehemalige Finanzminister Yanis Varoufakis. Syriza und die rechte Partei Anel regieren mit 162 der 300 Sitze. Zieht man 17 Syriza-Stimmen ab, hat das Bündnis keine Mehrheit mehr. Dazu braucht sie 151 Sitze.

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Der Entwurf eines Sparpakets, mit dem Tsipras nach Brüssel reist, sieht die Abschaffung von Steuervergünstigungen im Tourismus und auf den Inseln vor. Das Rentenalter soll auf 67 Jahre erhöht werden; die Militärausgaben gesenkt, Steuerbetrug stärker verfolgt werden. Dafür soll über eine Umstrukturierung griechischer Schulden verhandelt werden ( Details zu den Vorschlägen hier).

Sollten die Verhandlungen mit den Geldgebern an diesem Wochenende erfolgreich sein, wartet zu Hause die nächste Herausforderung: Tsipras muss seine Regierung retten, linken Wählern und Parteimitgliedern erklären, warum er erst die Bevölkerung ein Austeritätspaket ablehnen ließ und dann eine abgeschwächte Version vom Parlament beschließen ließ. Nur um den Anschein griechischer Souveränität zu wahren? Tsipras selbst gab vor dem Parlament zu, die neuen Vorschläge seien "marginal besser" als jene, die die Griechen am Sonntag abgelehnt hatten.

Hilfe von der Partei des Klientelismus

Tsipras, der nach dem Referendum am Sonntag noch den Rebellen gegen die Austeritätspolitik aus dem Norden geben konnte, hat es jetzt selbst mit einer Rebellion zu tun. Zumindest, wenn der Widerstand mehr ist als nur ein symbolischer, um linke Wähler bei der Stange zu halten.

Nicht alle Syriza-Abgeordneten stimmten für die Reformliste des griechischen Premiers Tsipras. (Foto: REUTERS)

Freitagnacht ging es um neue Austeritäts-Einschnitte, denen manche Syriza Linken nach monatelanger rhetorischer Gegenwehr nicht zustimmen konnten. Das bedeutet allerdings nicht automatisch, dass die Gegner eines Deals sich in einem Misstrauensvotum explizit gegen Tsipras stellen würden.

Weil einige der Rebellen den Deal jedoch grundsätzlich ablehnen, wird die entscheidende Frage nach einer Einigung mit den Gläubigern sein: Verweigern sie sich den Abstimmungen, in denen die Änderungen in Gesetze gegossen werden, etwa die schrittweise Abschaffung von Zuschlägen für Rentner? Dann bräuchte Tsipras Stimmen aus der Opposition. Eine Regierung aus mehr als zwei Parteien wäre möglich, wenn Syriza sich spaltet.

Unterstützt wurde Tsipras' Plan nun von drei Oppositionsparteien, darunter der neuen Partei der Mitte, Potami ("Der Fluss"), und der konservativen Nea Dimokratia. Das ist jene Partei der korrupten, klientelistischen Elite, die Syriza zu bekämpfen angetreten war. Jetzt hilft sie mit, Tsipras vor der Rebellion in den eigenen Reihen zu retten - und dient sich den Geldgebern erneut als Lieblingspartner an. Vangelis Mimarakis, Chef der Fraktion der Nea Dimokratia, forderte Tsipras auf, ja nicht wieder sofort den Verhandlungstisch zu verlassen, sollten die Kreditgeber zusätzliche Forderungen erheben. Eine Regierungsumbildung könnte für die Nea Dimokratia der erste Schritt zurück Richtung Macht sein.

Für manche ist der Plan Verrat

Syrizas Koalitionspartner Anel, unterstützte Tsipras Paket "mit schwerem Herzen", wie Parteichef Panos Kammenos. Und das obwohl es hohe Einsparungen beim Militär enthält, dem wichtigsten Klienten der Partei. Kompromissloser sind Teile von Syriza. Für sie sind die Vorschläge Verrat.

Unangenehm für Tsipras ist besonders, dass es nicht nur Hinterbänkler waren, die ihm die Gefolgschaft verweigerten. Auch zwei Kabinettsmitglieder gehören zu den Abtrünnigen. Energieminister Panagiotis Lafazanis hatte schon vor der Abstimmung der Nachrichtenagentur Reuters gesagt: "Die Vorschläge sind nicht vereinbar mit dem Syriza-Programm." Vor der Abstimmung hatte der Premier versucht, die Syriza-Politiker auf seinen Kurs einzuschwören: "Wir stehen vor einer schlechten und einer katastrophalen Wahl." Also: neues Sparprogramm oder Grexit.

Während die Abgeordneten im Parlament berieten, schwenkten Tausende Demonstranten davor rote Fahnen und die Landesflagge. Unterstützer der Kommunisten demonstrierten gegen die neuen Sparpläne - gemeinsam mit Syriza-Anhängern Die kommunistische Partei, mit 15 Sitzen im Parlament vertreten, hatte gegen das Paket gestimmt, ebenso wie die Rechtsradikalen von der Goldenen Morgenröte. Und die beiden Syriza-Abgeordneten.

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