Bad Tölz:Mit Begeisterung und Hingabe

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Drei Bach-Kantaten standen auf dem Programm der Tölzer Johanneskantorei, die von vier Solisten und einem kleinen Kammerorchester unterstützt wurden. (Foto: Manfred Neubauer)

Die Tölzer Johanneskantorei und Solisten singen unter der Leitung von Elisabeth Göbel drei Bach-Kantaten

Von Reinhard Szyszka, Bad Tölz

Es müssen nicht immer die ganz großen Brocken sein. Johann Sebastian Bach hat nicht nur die h-Moll-Messe, die Passionen und Oratorien hinterlassen, sondern auch fast 200 Kirchenkantaten, die eine Fülle schönster Musik enthalten. Dekanatskantorin Elisabeth Göbel, seit zweieinhalb Jahren Nachfolgerin von Friedrich Sauler, hat drei dieser Kantaten ausgewählt und mit der Johanneskantorei einstudiert. Am Samstag war Aufführung in der leider nur zu zwei Dritteln gefüllten Stadtpfarrkirche Maria Himmelfahrt.

Die Johanneskantorei hat, wie so viele Laienchöre, das Problem, dass die sangesfreudigen Herren gegenüber den Damen hoffnungslos in der Unterzahl sind. Bei diesem Konzert brachte es die Weiblichkeit sogar auf eine satte Dreiviertel-Mehrheit. Göbel hatte klugerweise darauf verzichtet, den Chor durch Profis zu verstärken, die dann alle erarbeiteten Feinheiten in Grund und Boden schmettern. Die Tenöre und Bässe schlugen sich auch wacker; dennoch war das Ungleichgewicht zwischen den Stimmen nicht zu überhören. Die Kantorin machte das Beste aus der Situation, und der Chor sang sauber intoniert, fein abgestuft und klar artikuliert, ohne die Textdeklamation zu übertreiben. Man merkte die Sorgfalt der Einstudierung.

Dabei sind diese Werke für den Chor eigentlich undankbar, weil der Löwenanteil der Musik den Gesangssolisten zufällt. In den Kantaten "Es wartet alles auf dich" und "Wer nur den lieben Gott lässt walten" gibt es wenigstens umfangreiche Eingangschöre, dazu jeweils einen Schlusschoral. Bei "O Ewigkeit, du Donnerwort" hingegen darf der Chor nur ganz am Ende eine kurze Liedstrophe singen. Ungeachtet dessen waren die Choristinnen und Choristen mit bewundernswerter Begeisterung und Hingabe bei der Sache, obwohl sie das ganze Konzert hindurch stehen mussten.

Unter den Gesangssolisten ist der Bassist Martin Burgmair hervorzuheben, der kurzfristig für den erkrankten Ludwig Mittelhammer eingesprungen war. Burgmair sang mit angenehmer, in allen Lagen ausgeglichener Stimme, klar und deutlich. Winzige Ungenauigkeiten beim ersten Rezitativ sind für einen Einspringer verständlich und verzeihlich. Auch die Sopranistin Stephanie Krug konnte mit schönem Stimmklang für sich einnehmen. Besonders gut gelang ihr das Duett mit dem Alt in der letzten Kantate.

Der Altus Andreas Pehl ist seit Jahren mit der Johanneskantorei eng verbunden, arbeitet er doch als Stimmbildner für den Chor. Mit blitzenden Koloraturen und in der Höhe trompetenhaft aufstrahlender Stimme meisterte er seinen Part. Bei seiner ersten Arie wurde er in den tieferen Passagen noch vom Orchester zugedeckt, doch je weiter das Konzert fortschritt, desto mehr wuchs er über sich hinaus. Die Kantate "O Ewigkeit, du Donnerwort" beginnt mit einem schwülstigen, für uns Heutige kaum noch erträglichen Dialog zwischen den allegorischen Figuren der "Furcht" und der "Hoffnung", und Pehl gestaltete die "Furcht" eindringlich und überzeugend. Auf diesem Niveau konnte der Tenor Victor Schiering nicht ganz mithalten. Er irritierte mit nasaler Stimmgebung, die an Aldo Baldin an seinen weniger guten Tagen erinnerte. Außerdem hatte er die Angewohnheit, seine Stimme gelegentlich ins Pianissimo zurückzunehmen und dann wieder im Forte aufstrahlen zu lassen, ohne dass dies durch die Musik oder den Text motiviert gewesen wäre.

Begleitet wurden die Sänger von einem neunköpfigen Kammerorchester, das ganz in der Tradition barocker Aufführungspraxis musizierte, federnd und schwingend, mit kurz angesetzten Tönen. Ärgerlich: Fast jedes Mal, wenn ein Instrumentalist für sein Solo aufstand, gab es ein hässliches Kratzgeräusch des Stuhles auf dem Kirchenboden. Wenn so etwas einmal vorkommt, sieht man gerne darüber hinweg; wenn es sich aber wiederholt, dann sollten die Musiker beim Aufstehen entsprechende Vorsicht walten lassen.

Elisabeth Göbel hatte hinter dem Volksaltar Aufstellung genommen. Die Solisten konnten sich nur akustisch orientieren. Doch auch so hatte die Leiterin alles im Griff. Mit weichen, schwingenden, fast tänzerischen Bewegungen leitete sie Chor und Orchester, was der Bach-Musik entgegenkam. Alles in allem war es ein erfreuliches Konzert. Der Johanneskantorei aber ist zu wünschen, dass wieder mehr Herren zum Chor stoßen, damit solche Konzerte auch in Zukunft stattfinden können.

© SZ vom 13.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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