SZ-Talentiade:Tanz als Integrationskultur

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Europäische Erfolgsgemeinschaft: Die Teenies der Oberschleißheimer JazzADa bei ihrem EM-Auftritt in Aachen, wo sie zweimal Gold gewannen. (Foto: privat/oh)

Die Jazz-Formationsteams des TSV Schleißheim beeindrucken nicht nur durch sportliche Erfolge, sondern auch durch ihr soziales Engagement

Von Stefan Galler, Oberschleißheim

Es geht um Selbstdisziplin. Darin unterscheidet sich dieser Sport allerdings nicht wesentlich von anderen Freizeitformen, in denen trainiert werden muss. Und es geht um Sensibilität gegenüber anderen. Womit schon ein deutlich prägnanteres Merkmal für den Tanzsport gefunden ist. Im Falle der Jazztänzer des TSV Schleißheim gilt diese Sensibilität nicht nur den eigenen Formationskolleginnen oder den Konkurrentinnen. Sie haben sich auf die Fahnen geschrieben, auch Mitmenschen zu unterstützen, die mit dem Tanzen gar nichts zu tun haben: "Wenn es um einen guten Zweck geht, sind vor allem die jungen TSV-Tänzer immer dabei", sagt Michaela Wiencke, Hauptamtsleiterin im Oberschleißheimer Rathaus. "Wir können uns darauf verlassen, hochwertigen Sport geboten zu bekommen, wenn wir sie für unsere Charity-Veranstaltungen buchen."

Und das war in vergangenen Jahren oft der Fall. So traten Formationen der erfolgsverwöhnten Vereinssparte, die unter dem Namen "JazzADa" ("Jazz Art & Dance") firmiert, etwa bei zwei Galas auf, die eine Anschubfinanzierung für den Oberschleißheimer Tisch garantierten. Auch in Behindertenwerkstätten, Senioren- und Männerwohnheimen zeigen die Mädchen ihr Können, oftmals mit der Nachwuchstruppe, den zwölf- bis 15-jährigen "Teenies". "Und das kommt bei Jung und Alt gut an", sagt Wiencke.

Und doch ist das soziale Engagement nur ein Nebenaspekt, denn in erster Linie verfügt JazzADa über herausragend gute Formationen bei Frauen und Mädchen, die seit Jahren nicht nur in Deutschland, sondern europaweit Maßstäbe setzen. Zuletzt stand ein absolutes Highlight in der mittlerweile 30-jährigen Geschichte der Jazz-Tanzsport-Abteilung auf dem Programm: In Würselen bei Aachen fand die Europameisterschaft statt - und die Schleißheimer sammelten an der niederländischen Grenze reichlich Edelmetall. Frauen und Teenies gewannen jeweils in den beiden Kategorien "Künstlerischer Tanz" und "Moderne Gruppenformationen ohne Hebefiguren" .

Sie krönten damit eine Saison, die erfolgreicher nicht hätte verlaufen können, denn schon bei der deutschen Meisterschaft im Mai in Frankfurt am Main und zuvor bei den bayerischen Titelkämpfen hatten die Jazztänzer aus dem Münchner Norden sämtliche erste Plätze abgeräumt - erstmals holten sie damit alle Titel innerhalb einer Saison. Dramatisch verlief dabei der Wettbewerb "Moderne Gruppenformation" bei der DM für die Teenies: Als letzte Formation, die an den Start ging, bewiesen sie Nervenstärke und hievten sich zum Song "Dance with me tonight" von Olly Murs dank einer furiosen Vorstellung auf den ersten Rang. Zuvor hatten die Mädchen zu "Titanium" von Madilyn Bailey bereits in der Disziplin "Künstlerischer Tanz" ganz vorne gelegen.

Dieter Armannsberger ist der starke Mann hinter den Erfolgen der TSV-Jazztänzer, er ist seit 1987 Abteilungsleiter, managt sämtliche Auftritte der Formationen. Für seine ganze Familie ist das Tanzen Lebensinhalt, Armannsbergers Ehefrau Gabi ist Sportliche Leiterin, alle vier Töchter des Paares tanzen aktiv beim TSV. Und die Zweitälteste wird den Staffelstab irgendwann weitertragen: Sie beendet noch in diesem Jahr ihre Ausbildung zur Gymnastiklehrerin und ist jetzt schon stellvertretende Spartenchefin. Womit die Geschicke der JazzADa dann schon in der dritten Generation in den Händen der Familie bleiben dürften: Einst hatte Gabi Armannsbergers Mutter Ingrid Mark die Tanzabteilung aus der Turnsparte heraus gegründet. Unermüdliche Arbeit und ein hohes Maß an Selbstdisziplin führten dazu, dass die Schleißheimer schon 1989 erstmals Europameister wurden. Der Start einer Erfolgsgeschichte.

Von Anfang an verschrieben sich die Verantwortlichen der Talentförderung, aus der Region rund um Ober- und Unterschleißheim strömten stets zahlreiche Kinder zu den drei bis vier Trainingseinheiten pro Woche. Dabei ging es nie darum, nur besonders begabte Jugendliche zu fördern. Zuletzt etwa nahm der TSV verstärkt Kinder von Hartz-IV-Empfängern auf, um deren Integration in die Gemeinde zu unterstützen. Nun haben sich die TSV-Tänzer auch der aktuellen Flüchtlingsproblematik angenommen. Drei syrische Mädchen zwischen vier und sechs Jahren kommen regelmäßig zum Training. "Zuletzt sind im Asylbewerberheim jedoch die Masern ausgebrochen, da mussten die Mädchen wegbleiben", sagt Dieter Armannsberger, der auch sprachliche Barrieren als Problem sieht. Dennoch haben die Mädchen, nicht zuletzt dank der Unterstützung durch den Helferkreis Asyl, die Chance, sich über das Tanzen in der Gemeinde zu integrieren.

Die Vereinsbeiträge für Hartz-IV- und Flüchtlingskinder teilen sich im Übrigen der Verein und die Gemeinde. "Es ist schon toll, was der TSV da auf die Beine stellt", findet Hauptamtsleiterin Wiencke.

Mit diesem Porträt endet die Serie. Bisher erschienen: VV Ingelsberg (20.6.), Sydney Lohmann (22.6.), Victoria Kothny (25.6.), Amelie Döbler (27.6.), Valentin Müller (2.7.), Isabel Baumann (6.7.), Johann Kaiser (7.7), Martina Willibald (9.7.), Lea Winkler (10.7.), Maximilian Goller (13.7.).

© SZ vom 14.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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