Merkel bei LeFloid:Junge Union

  • Kanzlerin Merkel ließ sich von dem bei jungen Leuten sehr bekannten Youtube-Blogger LeFloid interviewen.
  • US-Präsident Obama und Großbritanniens Premier Cameron wurden vom Boulevard-Portal "Buzzfeed" zum Gespräch geladen. Obama sprach mit Bloggern im Weißen Haus.
  • Mit solchen Aktionen versuchen Politiker auch jüngere Wählerschichten zu erreichen, die traditionelle Medien oft nicht mehr konsumieren.

Analyse von Hannah Beitzer

Für seine Verhältnisse ist Florian Mundt handzahm: "Guten Tag Frau Bundeskanzlerin, mich hat es sehr gefreut, dass das geklappt hat." So begrüßt der als "LeFloid" bekannte Videoblogger, der Angela Merkel vorigen Freitag im Kanzleramt besuchen durfte, sie in seinem Youtube-Interview. Tausende Fragen gingen bis Freitagnachmittag per Twitter, Facebook und Youtube bei ihm ein, von denen LeFloid einige stellt.

Der Youtuber ist mit schnodderigen Kurzkommentaren zu politischen Fragen berühmt geworden. Er scheute etwa nicht davor zurück, Merkel im Zusammenhang mit dem Freihandelsabkommen TTIP als "Industriehure" zu beschimpfen. Da ist so ein Interview mit der Kritisierten natürlich eine spannende Sache. Ein Coup ist es auch für Merkel. Sie bekommt PR auf einem Kanal, den junge Wähler konsumieren, die traditionelle Medien und Institutionen nicht mehr erreichen. Die Tagesschau verfolgen etwa 1,75 Millionen junge Zuschauer. LeFloids Show, die zwei Mal wöchentlich erscheint, hat zweieinhalb Millionen Abonnenten.

Im Interview präsentiert sich LeFloid seriöser als sonst, statt der üblichen Zappeleien und mit Fäkalsprache gespickten Witze stellt er der Kanzlerin Fragen wie: "Was heißt gut leben für Sie?" Die Antworten fallen in typischer Merkel-Manier verschwurbelt aus. Was allerdings im Sommerinterview der Öffentlich-Rechtlichen meist nicht anders ist. "Merkel führt den gleichen Monolog wie immer" - in diesem Sinne beschweren sich viele Zuschauer.

Auch Mundt kritisieren einige: zu zahm sei er, zu aufgeregt, heißt es vor allem zu Beginn. In der Tat hätte ein, zwei Mal weniger Höflichkeit gut getan. Zum Beispiel, wenn Merkel ihre ablehnende Haltung zur Homo-Ehe mit den Worten begründet: "Ich glaube, dass man akzeptieren muss, dass es da unterschiedliche Meinungen gibt." Und LeFloid, dessen Haltung eine ganz andere ist als die der Kanzlerin, entgegnet: "Absolut." Doch er nimmt auf der anderen Seite seinen Auftrag als Sprachrohr der Jugend ernst genug, um nicht herumzublödeln. Was zu ihm passt: Auch in seiner häufig polemischen Show versäumt er es nie, nach der Meinung der Zuschauer zu fragen.

Merkel ist nicht die Einzige, die über neue Kanäle versucht, an junge Menschen heranzukommen. US-Präsident Barack Obama gab Anfang des Jahres Buzzfeed ein Interview, dem Internet-Portal, das mit Katzenvideos und Listen wie "Fünf Dinge, die Du über Deine Brüste wissen musst" groß geworden ist. Auch der britische Premier David Cameron stellte sich den Fragen des Portals. Kürzlich lud der US-Präsident drei Videoblogger ins Weiße Haus ein, darunter die Komikerin GloZell Green.

Unterhaltsam sind sie, diese Interviews. Green steigt in die Diskussion über Rassismus in den USA mit der flapsigen Bemerkung ein, sie hätte ihrem Mann die Kapuzen von den Kapuzenpullis geschnitten, damit er nicht aus Versehen erschossen wird. Der "Hoodie" wurde zum Symbol für Rassismus, nachdem ein Mitglied einer "freiwilligen Bürgerwehr" in Florida einen schwarzen 17-jährigen Kapuzenpulliträger erschossen hatte. Obamas Antwort klingt sehr nach Regierungserklärung: Rassismus sei natürlich ein Problem in den USA. Da helfe nur Aufklärung.

Grimassen vor dem Spiegel ziehen und mit dem Selfie-Stick hantieren

Anders wirkte der Präsident auf Buzzfeed. Das Portal stellte nach dem Interview, das relativ konventionell daherkam, ein Video online, das zeigen soll, wie sich Obama vorbereitet hat: Der Präsident zieht Grimassen vor dem Spiegel, der Präsident verhaspelt sich, der Präsident spielt mit einem Selfie-Stick. Obama präsentiert sich als Mensch wie du und ich, der vor wichtigen Terminen nervös ist und sich auch mal verspricht. Prompt hieß es, Buzzfeed räume Obama zu viel Platz zur Selbstdarstellung ein.

Ihm fällt das Spiel mit den sozialen Medien leicht, seine Auftritte sind netzkompatibel. Aber kann sich jemand vorstellen, dass Angela Merkel - wie Obama auf einer Trauerfeier nach dem rassistischen Attentat von Charleston - spontan "Amazing Grace" anstimmt? Das würde gar nicht passen. Merkel setzt bei LeFloid lieber auf feinen Spott. Wenn sie etwa auf die Frage, ob sie sich einem russischen Whistleblower gegenüber anders verhalten würde als Edward Snowden, antwortet, sie wisse nicht, ob es Whistleblower in Russland überhaupt gebe: "Oder kennen Sie welche?"

Ansonsten aber trifft LeFloid beim Thema NSA-Skandal auf eine hartnäckig lavierende Kanzlerin. "Ich finde, das ist nicht in Ordnung", kommentiert sie die neuesten Enthüllungen, wonach die USA jahrelang systematisch deutsche Politiker ausspähten, etwas lahm. Und was hält sie von Whistleblowern? "Es gibt sie und damit müssen wir leben." Das gefällt den Zuschauern von LeFloid nicht, ebenso wenig ihre Einstellung zur Homo-Ehe. Das Video hat so nach eineinhalb Stunden zwar mehr als 45 000 Likes - aber der Kanzlerin dürften sie nicht gelten.

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