Atomabkommen mit Iran:Wie wichtig Deutschland für die Verhandlungen war

Die Deutschen standen nicht im Zentrum der Atomgespräche mit Iran. Doch als Vermittler waren sie von erheblicher Bedeutung. Das liegt vor allem an einem engen Berater Frank-Walter Steinmeiers.

Von Stefan Braun, Berlin

Die Verhandlungen über dieses Abkommen sind bis zum Schluss zäh gewesen. Auch nach einem Finale von mehr als zwei Wochen und zahllosen Überschreitungen selbst gegebener Fristen blieb bis zuletzt offen, ob Washington, Teheran, die EU, die übrigen vier UN-Veto-Mächte und Deutschland den Mut zum Sprung haben würden. Nun also ist es so weit, das historische Atomabkommen ist geschlossen - mit Freudenfeiern in Teheran, großer Zufriedenheit beim US-Präsidenten und einer Regierung in Israel, die von einer Kapitulation spricht.

Nicht zu den großen Siegern, aber zu den stillen Gewinnern gehört auch Hans-Dieter Lucas. Bekannt ist der deutsche Diplomat nur wenigen. Ein politischer Lautsprecher ist der 55-Jährige schon gar nicht. Gleichwohl gehörte Lucas seit Jahren zum engsten Zirkel der Verhandler. In Wien saß er Tag und Nacht in den Gesprächen, um Winkelzüge zu erkennen, Gefahren vorzubeugen und das Ziel einer Einigung trotz aller Fallen nicht aus dem Auge zu verlieren.

Hans-Dieter Lucas Iran

Hans-Dieter Lucas während der Verhandlungen mit dem Iran in Genf vor knapp zwei Jahren

(Foto: picture alliance / dpa)

Wenn Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier Luft holen wollte oder sich um Tunesien, die Ukraine, andere Krisen kümmern musste, blieb Lucas Auge und Ohr seines Ministers. Politischer Direktor nennt sich der Job im Organigramm des Auswärtigen Amtes. Übersetzt heißt das: Lucas gehört zu Steinmeiers engsten Beratern.

Deutschland war als Vermittler von erheblicher Bedeutung

Und er zählt zu denen, die seit langem auf dieses Abkommen hingearbeitet haben. Lucas sieht darin im Kern den Versuch, ausgerechnet dort ein Stück mehr Sicherheit zu schaffen, wo Hass und Gewalt zurzeit vor allem Konflikte, Kriege und Flüchtlingsströme hervorbringen: im Nahen Osten. Die Hoffnung ist, dass ein Iran, das nicht mehr gegen die Sanktionen ankämpft, sondern sich öffnet, zu einem Stabilisator werden könnte, wo derzeit so viel Instabilität vorherrscht. Deshalb sprach der stets sehr zurückhaltende Lucas vor Abschluss der Verhandlungen in einer ruhigen Minute von der "großen Freude", die ein Abkommen bereiten würde. Als ein "kleines Werkstück" auch seiner eigenen Arbeit würde er es empfinden.

Nun standen die Deutschen nicht im Zentrum der Gespräche. Aber als Vermittler, gerade gegenüber Iran, waren sie von erheblicher Bedeutung. Von denen, die sich um das Abkommen bemüht haben, genießen gerade die Deutschen in Teheran besonderes Vertrauen. Und das, obwohl sie als unumstößliche Verbündete Israels gelten. Berlin ist mehr als andere als Vermittler wahrgenommen worden, nicht als einer, der vor allem ganz eigene Interessen verfolgen möchte.

Das Wort "Werkstück" weist freilich auch darauf hin, was Lucas bevorsteht. In Kürze wird er aufhören und als Botschafter zur Nato nach Brüssel wechseln. Das entspricht den gewöhnlichen Ämterwechseln; Lucas ist schon mehr als vier Jahre auf seinem Posten. Angesichts der Arbeitsbelastung der vergangenen Jahre freilich könnte das auch als glückliche Fügung zum Schutze seiner Gesundheit in die Geschichte eingehen.

Neben dem Iran-Dossier war er für Nordamerika, die EU und Osteuropa zuständig. Seit zwei Jahren rang er also auch um einen Frieden in der Ukraine. Die Folge: Kein Wochenende in Ruhe, Telefonate auch mitten in der Nacht, weil Washington und Moskau sich nicht gerne an deutsche Zeiten halten. 24 Stunden, sieben Tage - seit Ausbruch der Ukraine-Krise weiß Lucas, was das bedeutet.

Eine Aufgabe wird nun ein anderer übernehmen: Israel vom Nutzen des Abkommens zu überzeugen. Eine Aufgabe, die sehr schwer werden dürfte angesichts der Schärfe, mit der die Regierung von Benjamin Netanjahu gegen die Vereinbarung wettert. So gesehen könnte es helfen, dass ausgerechnet Andreas Michaelis Lucas nachfolgt. Er ist seit Juli 2011 deutscher Botschafter in Israel gewesen - und hat Erfahrung darin, mit Netanjahu auch über sehr schwierige Fragen zu sprechen.

Der Atomstreit mit Iran im Zeitstrahl

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