K+S:Beben an der Werra

Salzberg aus Kaliabbau in Hessen

Manche denken an Schnee - doch der 200 Meter hohe "Monte Kali" bei Heringen im Werratal besteht aus rund 80 Millionen Tonnen nicht verwertetem Salz.

(Foto: DPA)

Hessens Landesregierung stemmt sich gegen einen Verkauf des Kali-Produzenten K+S an Potash.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Selten hatte der Kasseler Düngemittelproduzent K+S so viele Fürsprecher aus der Politik auf seiner Seite. Konservative, Sozialdemokraten, Linksparteiler und sogar die Grünen dies und jenseits der hessischen Landesgrenze setzten sich mit Solidarbekundungen dafür ein, dass das Dax-Unternehmen eigenständig bleibt und nicht von der kanadischen Firma Potash geschluckt wird.

Die Hauptsorge der Politiker: Im Fall einer Übernahme gingen womöglich Tausende Arbeitsplätze in der Abbauregion entlang der Werra im schönen, wenngleich strukturschwachen Dreiländereck zwischen Hessen, Niedersachsen und Thüringen verloren. Aber sie treibt auch die Furcht, das nordamerikanische Unternehmen könnte sich jedweden Bemühungen um einen besseren Umweltschutz beim Kali-Abbau hartnäckiger und erfolgreicher widersetzen, als es K+S aus Sicht verschiedener Landesregierungen in den vergangenen Jahren immer wieder versucht hat.

Der Kali-Abbau ist aus ökologischer Sicht ein schmutziges Geschäft. Alljährlich fallen mehr als 20 Millionen Tonnen Salzabfall an. Die festen Überreste werden auf riesigen Halden verladen. Wer von Frankfurt nach Hamburg mit dem ICE fährt, kann sich im osthessischen Neuhof einen dieser seltsam bleichen Berge aus dem Zugfenster anschauen.

Die flüssigen Abfälle werden seit Jahrzehnten entweder in den Boden oder in die Werra, den einstigen deutsch-deutschen Grenzfluss, geleitet. Als die DDR noch existierte, ließen die thüringischen Bergwerke fast ihre gesamten Salzwasser in die Werra fließen, der Fluss war in schlimmen Zeiten ein Brackgewässer, ökologisch so gut wie tot.

Der salzige Abfall ist eine schwere Belastung für die Flüsse

Mit der Schließung etlicher ostdeutscher Werke hat sich die Wasserqualität der Werra und der Weser zwar etwas verbessert. Aber noch immer ist der Salzgehalt viel zu hoch. Bürgerinitiativen und Politiker der Anrainerländer beklagen die Situation und fordern Besserung und berufen sich dabei auch auf EU-Wasserschutzrichtlinien.

Zwischenzeitlich glaubte man in Hessen, eine Lösung für das lästige Problem gefunden zu haben. Eine gigantische Pipeline sollte von Osthessen aus das Salzwasser direkt in die Nordsee pumpen. Die Werra, so freuten sich lokale Umweltschützer und Politiker gleichermaßen, würde sich wieder erholen, mit ihr auch die Weser. In Küstenländern wie Niedersachsen sah man das anders: Die hohen Einleitungen würden die Wesermarsch und sicher auch das Wattenmeer schädigen.

Zur Kraftprobe über den Pipeline-Bau kam es nie. Denn im vergangenen Jahr verabschiedete sich die nun schwarz-grüne hessische Landesregierung von dem Projekt. Nicht aus Umweltschutzgründen, sondern mit Rücksicht auf den Konzern K+S, der in der wildromantischen, aber strukturschwachen Region im nordöstlichen Hessen gut 4000 Arbeitsplätze stellt. Gut zwei Milliarden Euro hätte die etwa 400 Kilometer lange Verbindung womöglich gekostet, ein aus Sicht des Unternehmens und letztendlich auch der hessischen Politik zu großer Batzen, der unter Umständen den Bestand des Unternehmens und damit der Arbeitsplätze gefährdet hätte.

Mit dem Konzern wurde gerade erst ein Umweltschutzplan vereinbart

Landesumweltministerin Priska Hinz von den Grünen handelte mit K+S eine neue und deutlich preiswertere Übereinkunft aus. Ein Vier-Stufen-Plan soll dafür sorgen, dass die Weser bis spätestens 2075 zumindest wieder Süßwasserqualität hat. Das Kasseler Unternehmen verpflichtet sich, eine kleine Pipeline zu bauen, über die Laugenwasser nicht in die Werra, sondern in die Oberweser geleitet wird. Auch die Sicherung der riesigen Halden wie bei Neuhof oder in Heringen wurde darin vereinbart. Ab 2060 wird der Abbau in der Region ohnehin reduziert, dann nämlich werden die Lagerstätten erschöpft sein.

Für etliche Grüne in Hessen war dieser Kompromiss, der K+S einige Hundert Millionen Euro kosten dürfte, eine äußerst bittere Pille. Die Partei, die seit Anbeginn mit dem Umweltschutz Wähler und Sympathien gewonnen hatte, akzeptierte als frischgebackener Regierungspartner der CDU in Wiesbaden das Primat der Arbeitsplatzsicherung vor der Ökologie.

Versuche auch der Grünen, das Unternehmen zu neuen und effektiven Formen der Abfallvermeidung zu drängen, etwa einem Eindampfungsverfahren, scheiterten immer wieder an vergleichsweise hohen Investitions- und Betriebskosten.

In den vergangenen Jahren hatten Politiker aller Couleur immer wieder über K+S geschimpft, wenn es um Umweltschutzbelange ging. Das Unternehmen spiele auf Zeit, erfülle Verpflichtungen erst in letzter Minute und sperre sich überhaupt gegen striktere Regelungen. Davon ist in diesen Tagen nichts mehr zu hören. Im Gegenteil.

Mögen die Politiker K+S auch als sperrig und widerspenstig beklagt haben - die Vorstellung, einem kanadischen Unternehmen höhere Schutzauflagen abzuringen, macht sie nahezu schaudern. Ob die Kanadier sich an die Vereinbarungen zum Vier-Stufen-Plan halten würden, weiß niemand in Wiesbaden genau zu sagen. Und ob die riesen Abfallberge dann über Jahrhunderte hinweg gesichert würden, ist ebenfalls unklar.

Der Wasserexperte der hessischen CDU-Fraktion Dirk Landau befürchtet, dass Ökologie den Kanadiern schnuppe sein könnte. Er sagt, der Erfolg des Stufenplanes hinge wesentlich von der Eigenständigkeit des Kasseler Unternehmens ab. Vizeministerpräsident und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir von den Grünen formulierte das Unbehagen der Landesregierung unverhohlen: "Mit einem kanadischen Konzern würden solche Verhandlungen (über Umweltschutz) sicherlich deutlich erschwert."

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