Neue, weibliche Online-Medien:Ich bin so eine Frau

Actress Dunham poses at Elle Magazine annual Women in Television dinner in Los Angeles

Schauspielerin, Autorin - und nun auch Herausgeberin: Lena Dunham.

(Foto: Mario Anzuoni/Reuters)

Zwischen politischem Kampf und Kosmetik-Opportunismus: Newsletter wie "Lenny" von Lena Dunham oder "Vice"-Ableger "Broadly" stehen für einen neuen Feminismus im Netz.

Von Karoline Meta Beisel

Das Konzept von "too much information", von zu vielen privaten Details also, scheint im Leben der Lena Dunham keine allzu große Rolle zu spielen. In ihrer Fernsehserie Girls zeigt sie sich häufig nackt, in ihrem autobiografischen Buch "Not that kind of girl" berichtet sie von Doktorspielen mit ihrer Schwester, und ihr Hund hat einen eigenen Instagram-Account. Im Netz wird sie dafür von vielen gehasst. "Sie ist fett. Sie ist hässlich. Sie ist dumm, aber laut" schrieb vor ein paar Tagen jemand in einem Forum mit dem Namen "Warum hassen alle Lena Dunham?".

Es ist nicht so, als würde sich die 29-Jährige durch solche Kommentare überhaupt nicht beeindrucken lassen: Im Januar löschte sie öffentlichkeitswirksam Twitter von ihrem Handy, aus Gründen der emotionalen Gesundheit, wie sie sagte. Aber einschüchtern lässt sie sich von derlei Geplärre auch nicht, sucht sich im Gegenteil immer neue Kanäle für Nachrichten aus ihrem Universum. Am Dienstag kündigte sie Lenny an, einen "Newsletter, in dem es die Kategorie too much information nicht gibt". Lenny soll von September an wöchentlich erscheinen und richtet sich an junge Frauen: "Wir wollen die Welt verbessern, für Frauen und alle Menschen, die Frauen lieben", heißt es in der E-Mail, mit der neue Abonnenten begrüßt werden.

Junge berufstätige Frauen, denen Schminktipps zu platt sind, sind zu einer Zielgruppe geworden

Dunham ist nicht die einzige Medienschaffende, die junge Frauen jenseits des Teeniealters als Leser und Nutzer im Auge hat. Seit dem Frühjahr gibt es die Seite the-pool.com, auf der sich britische Journalistinnen mit ungleicher Bezahlung von Männern und Frauen und der Frage befassen, ob die gerade geschasste Reddit-Chefin Ellen Pao wohl auch hätte gehen müssen, wenn sie ein Mann wäre. Und im August geht in den USA das multimediale Broadly aus dem sonst eher männlich geprägten Vice-Imperium an den Start, ein deutscher Ableger soll folgen. Shannon Kelley, die den Kanal als Herausgeberin betreut, sagte im April auf der Fernsehmesse in Cannes: "Es gibt derzeit keine Plattform, die Frauen auf die Art anspricht, in der wir Frauen auch miteinander reden."

Junge berufstätige Frauen, denen klassische Frauenmagazine mit ihren Schminktipps und "Daran merkst du, dass er dich liebt"-Geschichten zu platt sind, sind zu einer eigenen Zielgruppe geworden - einer, die auch für Werbekunden attraktiv ist. Lenny - ein Kunstname aus "Lena" und "Jenni", nach der Girls-Produzentin Jenni Konner, mit der Dunham den Newsletter herausbringt - will sich neben klassischer Werbung auch über E-Commerce-Angebote von "unabhängigen Künstlerinnen und Designerinnen" finanzieren; Broadly hat eine groß angelegte Medienpartnerschaft mit Unilever angekündigt.

Während Broadly mit kurzen und langen Formaten alle Kanäle bespielen will - über die Webseite, auf Snapchat, Youtube und wohl auch im Fernsehen, immerhin hat Vice erst kürzlich eine umfassende Partnerschaft mit Dunhams Heimatsender HBO vereinbart - kommt Lenny als E-Mail-Newsletter daher. Altmodisch ist dieses Format nur auf den ersten Blick: Als eine Art Mixtape des Internets erlebt der sorgsam kuratierte Newsletter seit ein paar Jahren eine Renaissance. Er funktioniert vor allem dann, wenn sich seine Leser als verschworene Gemeinschaft von Eingeweihten verstehen - was die DunhamAnhänger auch ohne diesen Newsletter bereits tun.

Thematisch aber ähneln sich die Angebote. Die Welt für Frauen zu verbessern, das bedeutet bei Lenny zum Beispiel, sich dafür einzusetzen, dass "Abtreibung sicher und erlaubt bleibt", dafür zu sorgen, dass die richtigen Leute gewählt werden - und dabei "rattenscharfe Jumpsuits" zu tragen. Auf ihrer Lesereise im vergangenen Jahr hätten sich die Zuhörerinnen für scheinbar unvereinbare Themen interessiert, sagt Dunham: von "Wie schaffst du es, dass deine Strähnchen so lange pink bleiben?" bis zu "Wen wählst du?". Eine Bandbreite, die sich auf Lenny wiederfinden soll, und für die auch Dunhams Mädchen-Posse aus Popstars, Schauspielerinnen und Models steht.

Broadly wird, soweit man das jetzt schon sagen kann, in dieselbe Richtung gehen - aber Vice-typisch ein wenig auf Krawall getrimmt sein. Der Slogan, mit dem das Portal auf der Startseite wirbt, gibt den Ton vor: "For women who know their place", für Frauen, die wissen, wo sie hingehören. Die Ironie dahinter: Wenn man in die Google-Suchmaske "Frauen gehören" eingibt, schlägt die Seite als Vervollständigung wahlweise "in die Küche", "hinter den Herd" oder "geschlagen" vor. Daneben sieht man einen Frauenarm mit einem "GRLPWR"-Tattoo, kurz für "Girl Power".

Auf Twitter sucht die Redaktion zum Beispiel nach Frauen, die Egg-Freezing zum Studienabschluss geschenkt bekommen haben - sich jetzt also Eizellen entnehmen und für eine spätere Befruchtung einfrieren lassen dürfen. Unter der Marke Broadly sind auf der Vice-Homepage außerdem auch schon Geschichten über Abtreibungspillen und Frauen als Zielgruppe für Cannabis-Werbung versehen. "Stellt euch das Projekt als eine Art New Yorker für Frauen vor", heißt es selbstbewusst in einer Stellenausschreibung.

Mit dem Feminismus, wie er im Netz oft praktiziert wird, soll ihr Projekt nichts zu tun haben, sagte Lenny-Chefredakteurin Jessica Grose zu Buzzfeed: In diesen Debatten würden viele Stimmen mit dem Argument ausgeschlossen, sie seien "nicht feministisch genug". Lenny dagegen sei eine Möglichkeit, "die verschiedenen Formen von Feminismus zu vereinen und zusammenzuarbeiten." Eine Art schwesterlicher Feminismus light, der kritisch sein und trotzdem Spaß machen soll.

Und der seinen Machern Geld bringt. Sei es, weil Firmen wie Unilever sich von Broadly nach eigener Aussage "Hunderte Millionen Zuschauer auf der ganzen Welt" erhoffen. Sei es, weil die Fortschreibung der eigenen Marke selbst dann nicht schaden kann, wenn man ansonsten auf Girl Power vertraut.

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