Serien-Star:Nimm dies!

Lizzy Caplan geht erstaunlich gelassen mit den Anforderungen ihrer Rolle in "Masters of Sex" um - auch ihre Popularität hat die Schauspielerin nicht verkrampft. Ein Treffen mit Zitronenkuchen.

Von Jürgen Schmieder

Kaffee, schwarz. Dazu Zitronenkuchen. Das ist das Frühstück von Lizzy Caplan an diesem Morgen. Sie trinkt. Sie isst. Dann sieht sie einen an mit diesen riesigen grünen Augen, die je nach Gesprächsthema traurig, begeistert oder sarkastisch aussehen, ganz selten freundlich und niemals verführerisch. Fernsehstars ordern in diesem Hotel in Beverly Hills gewöhnlich eine Holunderlimonade, grünen Tee oder einen Bio-Fitness-Shake, dazu Salat oder Müsli - auch gar nichts mit einem Glas Wasser ist eine beliebte Bestellung.

Lizzy Caplan will Kaffee und Kuchen. Sie ist ein Fernsehstar, sie ist die Hauptdarstellerin der Showtime-Serie Masters of Sex, von der seit dieser Woche die dritte Staffel (in Deutschland auf Sky Atlantic HD) zu sehen ist. Sie verkörpert die berühmte Forscherin Virginia Johnson, die gemeinsam mit William Masters von 1957 an das Verhältnis von Menschen zur Sexualität zu ergründen versuchte. "Es ist intensiv", sagt sie: "Du arbeitest jeden Tag 16 Stunden lang und kannst nicht schlafen. Du hältst einen Monolog über schreckliche und depressive Sachen. Du ziehst deine Klamotten aus. Du weinst - nackt. Das geht unter die Haut, das kann man am Abend nicht einfach ablegen."

Für ihre Leistung wurde sie im vergangenen Jahr für den Emmy nominiert, gegen die Nicht-Berücksichtigung an diesem Donnerstag gab es heftige Proteste wie auch gegen die snubs von Co-Star Michael Sheen, Jim Parsons (The Big Bang Theory) und Terrence Howard (The Empire). Die Aufregung verdeutlicht, dass Caplan nicht mehr nur als Fernsehstar gesehen wird, sondern auch als herausragende Schauspielerin. Der Regisseur Steven Soderbergh sagte einmal, dass es da einen gewaltigen Unterschied gebe. Beide wollen erfolgreich sein, doch definiert der Star seinen Erfolg über Einschaltquoten und Einspielergebnisse, der Schauspieler über künstlerische Anerkennung. Soderbergh: "Es kommt selten vor, dass jemand beides ist." Matthew McConaughey etwa ist schon lange ein Star, als herausragender Schauspieler wurde er erst durch Dallas Buyers Club und True Detective bekannt.

Lizzy Caplan

"Ich sehe nicht, dass es für Frauen heutzutage viel leichter ist als damals. Nehmen Sie meine Branche: Die Anzahl weiblicher Regisseure liegt noch immer im einstelligen Prozentbereich"

Man tut Caplan, 33, sicherlich nicht Unrecht, wenn man ihr unterstellt, dass sie ein Star werden wollte. Sie spielte in Serien wie Freaks and Geeks und Filmen wie Mean Girls mit und war dabei stets die, über die Zuschauer und Kritiker dachten: Wow, was für eine Schauspielerin, die wird bestimmt bald ein Star sein! Ihr Durchbruch wurde in Branchenheften zehn Jahre lang immer wieder verkündet - doch er fand nicht statt. Sie spielte in Serien wie Tru Calling, The Class und Party Down mit, die heute als bahnbrechend gelten, damals jedoch wegen schlechter Quoten eingestellt wurden. Ein Star war sie eher wegen einer langen Beziehung mit Matthew Perry.

"Als ich Schauspielerin wurde, wusste ich, dass ich niemals eine feste Beschäftigung haben würde", sagt sie: "Ich hatte immer dieses Gefühl: 'Was mache ich nun? Ich werde nie mehr Arbeit finden!'" Sie spielte, was sie bekam: in der Klamauk-Komödie Hot Tub Time Machine, im Science-Fiction-Thriller Cloverfield, im Independent-Hit 127 Hours. Wieder viel Lob, wieder kein Durchbruch. Dann kam Masters of Sex - und war erfolgreich: Die Serie wurde für Emmys und Golden Globes nominiert, es sahen genügend Menschen zu, dass der Pay-TV-Sender Showtime weitere Staffeln orderte. "Es ist unglaublich, weil ich nicht nur eine feste Anstellung habe, sondern eine Herausforderung", sagt Caplan: " Ich weiß, dass es da diese Aufgabe gibt, die mir viereinhalb Monate im Jahr in den Arsch tritt."

Sie muss, seit sie diese Rolle übernommen hat, viel über Sex reden, übers Nacktsein

Ja, so spricht Lizzy Caplan, ihre Antworten klingen noch nicht wie von einem Hollywood-Agenten vorformuliert. Ganz pragmatisch spricht sie über die Anforderungen ihrer kniffligen Rolle: Wer Virginia Johnson spielt, der ist hin und wieder nackt zu sehen. "Das gehört zu meinem Arbeitstag. In diesem Beruf wird man ohnehin andauernd dazu gezwungen, vor anderen Menschen nackt zu sein", sagt sie: "Bei jeder Anprobe sagt man zum Kostümbildner: 'Hier ist mein nackter Körper, statte ihn mit Klamotten aus.' Dann geht man zur Make-Up-Frau: 'Hier ist mein nackter Körper, sprühe ihn ein.' Für viereinhalb Monate gehört mein Körper dieser Show. Es ist ein bisschen wie: 'Hier ist mein nackter Körper - arbeitet damit!'"

Sie muss, seit sie diese Rolle vor zwei Jahren übernommen hat, viel über Sex reden, übers Nacktsein, über Frauen überhaupt: "Ich sehe nicht, dass es für Frauen heutzutage viel leichter ist als damals. Nehmen Sie meine Branche: Die Anzahl weiblicher Regisseure liegt noch immer im einstelligen Prozentbereich. Das ist doch krank! Die Leute glauben, dass Frauen nicht in der Lage sind, eine männliche Geschichte zu erzählen. Das ist verrückt, weil alte Männer sehr wohl von weiblichen Teenagern berichten dürfen."

Sie spricht dann über Sexismus ("Eine Castingcouch wäre nichts für mich. Ich wurde auch noch nie gefragt - aber man hört bisweilen überraschende Geschichten über Mädchen, die ihre Sexualität einsetzen, um nach oben zu kommen"), über Feminismus ("Eine Frau, die ihre Arbeit den Kindern vorzieht, ist noch immer mit einem Stigma belegt, das heute so kräftig ist wie damals") und auch über Politik: "Die Menschen interessieren sich für die Kleidung von Hillary Clinton. Jetzt wirklich? Das interessiert mich doch einen Scheißdreck, ob sie einen Hosenanzug trägt." Sie spricht auch über Männer, die elementare Dinge über Frauen nicht wissen: "Ich habe neulich erfahren, dass manche nicht wissen, dass eine Frau aus einem anderen Loch uriniert."

Sie weiß, dass sie nun ein Star ist und dass ihre Worte gehört oder gelesen werden. Sie nutzt diese Plattform für Botschaften an die Welt. "Die Serie hat mich verändert - sie hat meine Augen geöffnet", sagt sie: "Sie sorgt für einen Dialog, ob mit Freunden, Kindern oder den Partnern. Das ist wichtig. Ich habe gesehen, dass dieser Beruf nicht nur Spaß macht, sondern dass er im besten Fall auch bedeutsam sein kann." Lizzy Caplan ist ein seltenes Exemplar, um im Weltbild von Steven Soderbergh zu bleiben. Sie war als herausragende Schauspielerin bekannt, zum Star wurde sie erst durch Masters of Sex. Nun darf sie beides sein.

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