Golf:Die Macht der rüden Natur

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St. Andrews an der wilden Ostküste Schottlands gilt als Heimat des Golfsports. Weil das Wetter so unberechenbar ist, geht das älteste Turnier der Welt dieses Mal erst am Montag zu Ende.

Von Frieder Pfeiffer, St. Andrews

Martin Kaymer hat einen Traum. "Open Championship, St. Andrews, ich in der letzten Gruppe am Sonntag. Ich loche einen Fünf-Meter-Putt zu Sieg."

Die 144. Open Championship findet in dieser Woche tatsächlich wieder im Schoß der Sportart im schottischen St. Andrews statt. Doch der Traum des besten Deutschen wird sich nicht zur Gänze erfüllen lassen, auch wenn theoretisch noch die Chance auf Platz eins besteht. Denn zum ersten Mal seit 1988 und erst zum zweiten Mal überhaupt seit 1860 wird das älteste Golfturnier der Welt nicht an einem Sonntag seinen finalen Höhepunkt erleben. Nach drei Stunden Unterbrechung am Freitag aufgrund heftigen Regens und einem samstäglichen Sturm, der die Veranstalter zwang, fast den kompletten Samstag auszusetzen, hatte sich der Raum für den noch zu absolvierenden Sport zu sehr verengt. Der Montag wird aller Voraussicht nach der Tag der dritten Major-Entscheidung des Jahres.´

Mehr Geschichte geht nicht

Es hätte dieser besonderen Wendung nicht bedurft, um diese Open Championship im Kampf um den Platz in den Geschichtsbüchern eine kleinen Schub zu verleihen. In St. Andrews soll schon im 14. Jahrhundert gegolft worden sein, das kleine Städtchen mit seinen alten grauen Steinhäusern beherbergt nicht nur eine weithin geschätzte Universität, sie ist auch Heimat der Regelhüter der R&A. "Home of Golf" nennen sie in der ganzen Welt diesen kleinen Flecken an der wilden Ostküste Schottlands. Und der Old Course, direkt vor dem Clubhaus des Royal and Ancient Golf Club unweit des Stadtkerns gelegen, ist des Golfs zentrale Spielwiese, die mit dem Vergleich zum Centre Court in Wimbledon nur unzureichend beschrieben ist. In jedem Fall: Mehr Geschichte geht nicht.

"Wenn ich hier am ersten Tee stehe, denke ich immer daran, dass alle Großen unseres Sports einmal an diesem Abschlag standen. Dass alles hier in Schottland begann", hat Tom Watson, fünffacher Open-Sieger, dieser Tage berichtet. Und Jack Nicklaus, mit 18 Major-Siegen erfolgreichster Golfer der Geschichte, findet: "Wenn die Open Championship in Schottland ist, ist das etwas sehr Besonderes. Und wenn sie in St. Andrews stattfindet, ist es noch größer." Beide US-Golfer sind Legenden, so groß wie St. Andrews werden sie jedoch nie sein.

In St. Andrews golft jeder - für unter 200 Pfund pro Jahr

Alle fünf Jahre schauen die besten Fairway-Athleten derzeit auf dem Old Course vorbei, inzwischen zum bereits 29. Mal. Und immer hört man die sonst so regelmäßig vom Wetter und der Welt verwöhnten Golfsportler schwärmen von diesem rauen Ort mit seinem Kurs, dessen Mythos sich vor allem aus der Tradition speist, dem Ursprünglichsten, was diese Sportart zu bieten hat. Die Golf-Anlagen in St. Andrews sind so offen und zugänglich wie nur möglich. Sonntags stoppt der Golfverkehr, Familien picknicken auf den Bahnen. Doch auch an den anderen Tagen tummeln sich neben unzähligen Touristen immer auch Einheimische, nicht nur, wenn sie den Hund ausführen. In St. Andrews golft nahezu jeder, der Taxifahrer türkischer Herkunft ebenso wie die Studentin aus Deutschland. Und das für unter 200 Pfund pro Jahr. Auf insgesamt sieben Golfkursen direkt rund um St. Andrews, inklusive dem Old Course.

Für viele ist dieser nicht einmal der beste der örtlichen Kurse, doch er hat alle wichtigen Zutaten einer mehr als besonderen Anlage: Bahnen, die jeder Golffan schon einmal in Gedanken gespielt hat, tiefe Topfbunker, deren Namen Angstperlen auf die Stirn treiben, weite Fairways und Grüns, anfällig für den Wind von der See, der von den Spielern eine spezielle Art des Golfs fordert: Weniger durch die Luft, mehr am sandigen Boden mit seinen unzähligen keinen Hügeln entlang. Linksgolf beinhaltet immer auch den Zufall, mancher gut getroffene Ball springt weit weg von der Ideallinie ins Ungemach.

Über die Zukunftsfähigkeit als Major-Turnier gibt es Debatten

An diesem Samstag wurde das Unberechenbare jedoch zu mächtig. Der allzeit vorherrschende Wind erhob sich zu einem Sturm, Bälle wurden wie von Zauberhand aus der Ruhe von der fliehenden Luft mitgerissen, wer sich sein Getränk aus der Flasche in einen Becher füllen wollte, verlor die Flüssigkeit, wenn er nicht die Flasche tief ins Glas hob.

Es gehört zur Aura des Golf-Mutterlandes, dass sich die Natur hier rüder präsentiert als in quasi jedem anderen Golfer-Landstrich dieses Planeten. Für den Old Course ist das die letzte große Verteidigungslinie vor den modernen Entwicklungen der Technik. Profis schlagen inzwischen mithilfe neuer Gerätschaften und sportwissenschaftlicher Fortschritte den Ball deutlich weiter als ihre Vorgänger, den Kurs in St. Andrews macht das mitunter deutlich leichter. Aber auch uninteressanter?

Mit dieser Frage muss sich der Veranstalter R&A auseinandersetzen, über die Zukunftsfähigkeit als Major-Kurs war in den Tagen zuvor viel diskutiert worden. An diesem Samstag wurde es jedoch ruhig in der Debatte um zu gute Ergebnisse. Der Sturm ließ dafür keinen Raum.

Tiger Woods scheitert nach zehn Stunden Unterbrechung

Immerhin, am Abend wurde dann weiter gespielt. Und eine Legende verabschiedete sich: Der amerikanische Golfstar Tiger Woods hat die Qualifikation für die Finalrunden verpasst. Der 39-Jährige verfehlte nach mehr als zehnstündiger Unterbrechung wegen starken Sturms mit insgesamt 151 (76+75) Schlägen am Samstag klar den Cut. Damit schaffte der 14-malige Majorsieger erstmals in seiner Karriere zweimal nacheinander nicht den Sprung ins Wochenende bei den Prestige-Turnieren. Schon bei der US Open hatte er am Freitag die Koffer packen müssen.

© SZ vom 19.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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