Kurzkritik:Sinnlich erlebbar

Lesezeit: 1 min

Martin Smolkas "Psalmus 114" in der Reihe "Paradisi Gloria"

Von Klaus Kalchschmid, München

Was für farbige wie fassliche und doch fantastisch avancierte geistliche Musik heute komponiert wird! Das vierte und letzte Konzert dieser Saison innerhalb der Reihe "Paradisi Gloria", die unter dem Motto "Herrlichkeit" stand, endete in der Herz-Jesu-Kirche mit Martin Smolkas "Psalmus 114" aus dem Jahr 2009.

Ob ätherische Anrufung ("In exitu Israel"), mit dem das Stück für Chor und Orchester über den Auszug der Israeliten aus Ägypten begann und endete, das lautmalerisch exzentrische Hüpfen der "Berge wie Widder" und "Hügel wie junge Lämmer", ein à la Orff im Sprechgesang skandiertes "Mare vidit et fugit", die gregorianisch angehauchten Lobpreisung Gottes oder das getragene, leise und a cappella gesungene "Iordanis conversus est retrorsum", also die Beschreibung vom Zurückweichen des Jordans: Smolka zieht hier alle Register eines oft in trennscharfer Instrumentation (Blech gegen Streicher, Männer gegen Frauen) ungemein plastischen Komponierens. Die Musik wird zu einer konzisen musikalischen Theologie, die wie Altarbilder des Mittelalters oder prächtige Kirchenfenster funktioniert: Plastische Vergegenwärtigung von Glaubensinhalten mittels sinnlich erlebbarer Kunst.

Ähnlich funktionierte das ein halbes Jahrhundert ältere Triptychon "Trois petites liturgies de la présence divine" von Olivier Messiaen: Auch dies nicht zuletzt dank des "Ondes Martenot", gespielt von Cynthia Millar, eines elektronischen Tasteninstrument aus den 1920ern, das, so ein Konzertbesucher hinter mir, "wie eine singende Säge" klingt.

Eine vielfältig schillernde, dreiteilige Komposition. Mal rhythmisch enorm packend, dann wieder im seraphischen Frauenchor herrlich opalisierend, gibt es hier in 40 Minuten die Verkündigung der unbedingten Liebe zu Gott zu hören, die Offenbarung der Himmelfahrt Jesu und schließlich die faszinierend musikalische Gestalt werdende pantheistische Präsenz Gottes in allen Geschöpfen und Elementen, sowohl in der belebten als auch unbelebten Natur dieser Erde.

Der Chor des BR und das Münchener Rundfunkorchester unter Peter Dijkstra sangen und spielten mit einem Höchstmaß an Lebendigkeit und differenzierter Sinnlichkeit, während die Streicher allein Einojuhani Rautavaaras 13-minütigen Canto V ("Into the Heart of Light") in seiner vegetativ wuchernden, aus sich selbst fortzeugenden Intensität mit großer Dringlichkeit musizierten.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: