Opern-Festspiele:Ein Gespür für die Stimme

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Komponist Iain Bell. (Foto: Peter M. Mayr)

Komponist Iain Bell schreibt gern Stücke für Gesang

Von Egbert Tholl, München

Iain Bell ist fasziniert von der Geschichte. Findet er dann einen Text, der ein historisches Geschehen plastisch beschreibt, schreibt er eine Oper. Oder Lieder. Oder eine Kantate. Denn er schreibt gerne Stücke für Gesang, am liebsten für Frauenstimmen. So komponierte er etwa drei Liederzyklen für Diana Damrau; für sie, Damrau, schuf er auch eine ganze Oper, "A Harlot's Progress", die 2013 am Theater an der Wien herauskam. Mit dabei: Tara Erraught in der Rolle von Damraus praktischer und pragmatischer Weggefährtin.

Für Erraught nun nahm er den Kompositionsauftrag der Freunde und Förderer der musikalischen Akademie des Bayerischen Staatsorchesters an. "Litany in the Time of Plague" soll eine Reihe begründen, in welcher alle zwei Jahre ein junger Komponist - Bell ist Jahrgang 1980 - ein neues Werk präsentieren kann. Da er Erraught und ihre Stimme von Wien her kannte, freute er sich, eine Sängerin zu haben, die den von ihm erdachten Emotionen Ausdruck verleihen kann. Denn eines hat Bell, auch wenn seine Musik, so der Eindruck nach der Uraufführung von "A Harlot's Progress", stets tonal geordnet bleibt, Sekundschritte zwar für Reibung sorgen, dunkle Klänge für düstere Spannung, alles aber weitgehend am Text entlang geht: Bell hat ein sehr gutes Gespür für Stimme, für die expressiven Möglichkeiten einer Sängerin. Der stärkste Moment damals in Wien war einer, in dem das Orchester verstummte und Damrau allein mit dem Kondensat einer Wahnsinnsszene verblüffte. "A Harlot's Progress" ist eine düstere "Traviata"-Variante, inspiriert von Radierungen William Hogarths, von dem ein anderer Zyklus die Grundlage für Strawinskys "Rake's Progress" bildete.

Nun, in der Litanei, geht es nicht um den Abstieg eines Landmädchens im Londoner Sündenpfuhl des frühen 18. Jahrhunderts, es geht um den Ausbruch der großen Pest im Jahr 1665. Aber London ist wieder der Ort des Geschehens, wird dies auch bei Bells nächstem Werk sein, eine Auseinandersetzung mit dem großen Feuer von 1666, die im kommenden Jahr herauskommt. Bell bleibt sich also von Sujet her treu, fand für die Pest-Litanei mit Thomas Nashe auch einen versierten Dichter. Nur die Sängerin kam ihm zwischenzeitlich abhanden. Tara Erraught erkrankte, und so wird den Gesangspart bei der Uraufführung an diesem Montag Ursula Hesse von den Steinen übernehmen. Die gebürtige Kölnerin hat reiche Erfahrung im spätromantischen und zeitgenössischen Repertoire - sie passt also gut zu Bells Musik, die Constantinos Carydis dirigieren wird, neben Werken von Bach, Mozart und Strawinsky.

Festspielkonzert der Orchesterakademie , Montag, 20. Juli, 20 Uhr, Haus der Kunst

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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