Mitten in Bad Tölz:Ab nach Buxtehude

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Musik kann so schön sein - muss sie aber nicht

Von Alexandra Vecchiato

Wo man singt, da lass Dich nieder, böse Menschen haben keine Lieder." Was hat sich der deutsche Schriftsteller und Dichter Johann Gottfried Seume (1763-1810) nur dabei gedacht. Ihm wird dieses Zitat nämlich zugeschrieben. Nun, Seume wurde in Kursachsen geboren und starb in Böhmen - beides weit, weit weg von Bad Tölz. Und natürlich lebte er in einer anderen Zeit, mit anderem Liedgut. Sicherlich hätte er sich auf die Zunge gebissen, hätte er miterleben dürfen - oder: müssen -, was sich sonntäglich in der Tölzer Marktstraße abspielt.

Damit wir nicht falsch verstanden werden: Musik tut gut, vereint Menschen, schafft eine gesellige Atmosphäre. Musik ist Balsam für die Seele, hilft über Liebeskummer und andere Pein hinweg. Es ist auch nicht die Musik, also die Abfolge von Noten an sich, die in einem das Gefühl hochkochen lässt, man müsse PC, Bildschirm und Tastatur auf die Marktstraße runterdonnern, wie einst Göttervater Zeus seine Blitze vom Olymp schleuderte. Nein, der Interpret macht hier quasi die Musik. Oder eben nicht. Warum sich so manch einer berufen fühlt, vor Publikum loszuschmettern, wird wohl eine der unbeantworteten Fragen des Universums bleiben.

Man nehme diesen Sonntag. Den Anfang macht Blasmusik. Mehrere Stunden. Mal behäbig-ruhig, mal schmissig-fetzig. Gut, auch das mag nicht jedermann. Aber den Gästen in den Lokalen, die Stühle und Tische im Freien aufgebaut haben, scheint es zu gefallen. Dann ist Ruhe. Auch schön, denkt man sich. Das war ein wenig vorschnell.

Eine sehr eigenwillige Interpretation von "We shall overcome" dringt von der Fußgängerzone hinauf in den ersten Stock. Reggae-Elemente wechseln sich mit Jodler ab. Das meint der nicht wirklich ernst? Ein Blick, der Übeltäter ist entdeckt: ein Mann, eine Gitarre, ein Cowboy-Hut. Das kann heiter werden.

Wird es auch. Mit Verve trällert er den Country-Klassiker "Take me home, Country Roads". Das Original stammt vom amerikanischen Folk-Sänger John Denver. Über Landstraßen fährt der Songwriter gen Heimat. Ach, lieber Sänger da unten, gibt es nicht auch eine schöne Straße, die dich nach Hause führen könnte? Vielleicht nach Buxtehude.

© SZ vom 20.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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