Ebersberger Amtsgericht:Stalker verurteilt

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Amtsgericht verurteilt 39-Jährigen, der trotz Gerichtsbeschluss seine Noch-Ehefrau nicht in Ruhe lässt, zu einer Geldstrafe.

Von Anselm Schindler, Ebersberg

Inzwischen hat sie ihre Telefonnummer gewechselt und ist nach Hamburg gezogen, weg aus Ebersberg, weg von ihrem Ehemann. "Er hat mir so Angst gemacht", schildert die Logopädin nun vor dem Ebersberger Amtsgericht die Situation aus der sie und ihre Töchter durch den Umzug entflohen. Vergangene Woche saß ihr Ehemann - die beiden sind immer noch nicht geschieden, dann auf der Anklagebank des Ebersberger Amtsgerichts. Ein unauffälliger Mann, blaues Hemd, ein paar Flecken, ungepflegt und reumütig wirkt er. "Ein gekränkter Vater, der nicht über seine Frau hinwegkommt", so beschreibt der Anwalt Richterin Vera Hörauf seinen Mandanten. Und so wirkt er auch, kleinlaut und harmlos.

Das Bild, dass seine Noch-Ehefrau von ihm zeichnet ist ein anderes: Es sind die Umrisse einer übergriffigen Persönlichkeit, eines Menschen, der rote Grenzlinien nicht respektiert. "Er hat mich mit dem Auto verfolgt", klagt seine Ehefrau, und: "Am Morgen stand sein Auto vor meiner Wohnung, der Motor ist gelaufen." Und das obwohl das Ebersberger Familiengericht dem 39-Jährigen den Kontakt zu seiner Frau und den gemeinsamen Kindern durch einen Beschluss im Herbst vorigen Jahres untersagt hat.

Im vergangenen Dezember radelt die Geschädigte im strömenden Regen durch ein Gewerbegebiet in Landkreis, es ist kalt und dunkel. Die Logopädin hat ein mulmiges Gefühl, hinter ihr fährt ein Auto, das sie einfach nicht überholen will, sie fühlt sich verfolgt. Nach einigen Minuten überholt der Wagen, durch die beschlagenen Scheiben erkennt die Geschädigte ihren Ehemann. Das Auto verschwindet, die Angst bleibt. Wenig später bekommt die Logopädin eine Textnachricht auf WhatsApp: "Auch nass siehst du schön aus", steht darin. Der Angeklagte beteuert: "Es war als Kompliment gemeint", eine Straftat sei es aber trotzdem, betont Richterin Hörauf, schließlich umfasse der Unterlassungs-Beschluss jegliche Kontaktaufnahme. "Aber den habe ich nie erhalten" behauptet der Angeklagte mit Blick auf den Beschluss.

Richterin Hörauf blättert konzentriert in den Akten, schnell stellt sich heraus, dass ein Polizeibeamter ihm den Beschluss persönlich ausgehändigt hat. Der Angeklagte starrt schuldbewusst auf den Boden, er gibt zu, "das schon irgendwie erhalten" zu haben, der Polizist muss nicht als Zeuge geladen werden. Aber "verfolgt habe ich sie nie", beteuert er. Der Vorwurf der Geschädigten, ihr Mann habe sie bei der Fahrt durchs Gewerbegebiet verfolgt, ist ohnehin nicht nachzuweisen. Es stelle keine Straftat dar, wenn er zufällig an ihr vorbeigefahren sei, argumentiert Richterin Hörauf. Der Angeklagte schnauft durch.

Vor einigen Jahren verlor er seinen Job in der Logistikbranche und ist seither arbeitslos. Seit der Trennung lebt er bei seinem Cousin, eine Zeit lang wohnte er aber auch in seinem Auto. Es ist der selbe PKW, den die geschädigte Logopädin einige Tage nach der angeblichen Verfolgung auf dem Parkplatz vor ihrer Wohnung gesehen haben will. Am frühen Morgen steht ein Auto mit laufendem Motor auf dem Parkplatz der Wohnung der Logopädin. Sie blickt nach draußen und erkennt den Wagen, vor der Trennung war es das gemeinsame Auto, "ich habe das Geräusch des Motors sofort erkannt und da hab ich Panik bekommen". "Er hat mal gesagt, er hängt sich auf dem Parkplatz vor dem Fenster auf", berichtet die Logopädin nervös. Sie hat ein ärztliches Attest dabei, sie leidet seit den Vorfällen an einer Angststörung. Nach einer halben Stunde verschwindet das Auto wieder. Die Geschädigte geht zur Polizei.

Der Angeklagte bestreitet den Vorwurf. Und sein Anwalt bezweifelt die Wahrnehmung der Geschädigten. Denn diese habe im zweiten Stock gewohnt, zudem sei der Parkplatz "ein ganzes Stück von der Wohnung entfernt". Um dieses Stück wird dann einigen Minuten lang gefeilscht. Erst sind es 20, geht es nach dem Anwalt könnten es aber auch bis zu 70 Meter sein. Dann bittet der Anwalt, die Verhandlung zu unterbrechen. Als es weitergeht hat sein Mandant die Strategie geändert, er gibt zu, vor dem Haus gestanden zu haben, ihm sei das "Alles aber nicht so klar gewesen". Und der Anwalt will einige tatmildernde Umstände geltend machen: Die Entfernung des Parkplatzes zu Wohnung der Geschädigten und dass sein Mandant die Auflagen des Familiengerichts nicht wirklich verstanden habe. Das allerdings bezweifelt Richterin Hörauf und verurteilt den Angeklagten zu 750 Euro Geldstrafe.

© SZ vom 21.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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