British Open im Golf:Die Karaffe geht nach Iowa

144th Open Championship - Final Round

Zach Johnson setzt sich im verregneten St. Andrews gegen den Südafrikaner Louis Oosthuizen und den Australier Marc Leishman durch.

(Foto: Andrew Redington/Getty Images)

Erst zum zweiten Mal in der langen Turniergeschichte fällt die Entscheidung bei der Open Championship verspätet. Zach Johnson setzt sich im Stechen durch.

Von Gerald Kleffmann, St. Andrews/München

Diese 144. Open Championship würde in die Historie eingehen, das stand vor der finalen Runde fest. Erstmals seit 1988 und erst zum zweiten Mal seit der Premiere im Jahr 1860 wurde das nunmehr dritte Major des Jahres am Montag entschieden. Xaver war schuld, dieses derartig getaufte Wettertief über Schottland hatte am Freitag und Samstag so gut wie kein Golf zugelassen, und deshalb ging das Finale des größten europäischen Turniers, dotiert mit 8,5 Millionen Euro, als zerfledderte Meisterschaft erst nach dem Wochenende über die Bühne. In St. Andrews, auf dem furchtbar traditionsreichen Old Course, wurde dann ein spezielles Stück aufgeführt, selten hatten so viele Profis eine Chance auf den Titel. Am Ende setzte sich im Stechen nach vier Löchern der Amerikaner Zach Johnson gegen den Südafrikaner Louis Oosthuizen und den Australier Marc Leishman durch.

Mit dem zweiten Major-Triumph des heute 39-Jährigen aus Iowa, 2007 beim Masters in Augusta siegreich, endete aber auch eine andere außergewöhnliche Geschichte. Der Texaner Jordan Spieth, der schon das Masters und die US Open gewonnen hatte, scheiterte auf dem Weg zum möglichen Grand Slam knapp. Der 21-Jährige wurde Vierter.

Jordan Spieth kam dem nächsten Erfolg sehr nahe - mit einem 15-Meter-Putt

Es war an diesem sonst golffreien Wochentag ein würdiges Schlussspektakel, für nur zehn Pfund Eintritt pro Zuschauer sogar ein günstiges. Als die Besten auf die Runde gingen, begann sofort die gegenseitige Jagd. Nach der dritten Runde lagen 14 Spieler drei Schläge entfernt voneinander. Als um 14.30 Uhr Ortszeit die Führenden Oosthuizen und der irische Amateur Paul Dunne zum ersten Tee schritten, lagen 23 Spieler drei Schläge entfernt voneinander. Viele Siegergeschichten waren möglich. Sollte der Australier Jason Day, der an Vertigo leidet und als einer der Stärksten ohne Major-Triumph gilt, endlich gewinnen? Oder Hideki Matsuyama als erster Japaner? Oder einer der drei gut postierten Amateure Dunne, Ashley Chesters (England) und Oliver Schniederjans (USA)?

Dunne lag gar mit in Führung. Seit 1930 und dem Lebemann Bobby Jones hatte kein Amateur mehr die Open Championship gewonnen. Möglich war immer noch auch die Spieth-Show. Sollte der smarte Normalo gewinnen, wäre er der erste, der seit 1953 und dem eleganten Ben Hogan die ersten drei Majors der Saison abräumt. So viele Optionen - und nur ein Claret Jug, diese ulkige, kleine Karaffe für den Champion, die Walter Hagen 1928 als erster Spieler in Empfang nehmen durfte.

Den größten Fehlstart zeigte Dunne, der 22-Jährige aus Dublin, der übernervös gleich zwei Bogeys kassierte. Dabei hatte er nichts zu verlieren, in seinem Fall stimmte diese Phrase wörtlich. Hätte er gewonnen, hätte er als Amateur das Preisgeld in Höhe von 1,44 Millionen Euro nicht annehmen dürfen; der Zweite würde es erhalten. Oosthuizen war der Erste, der auf 13 unter Par davonzog, es war, als hätte er in eine Trompete geblasen und alle aufgerüttelt. Das Wetter wurde zwar schlechter, richtig hässlich-herrliches Open-Wetter, aber die Attacken der Profis litten nicht darunter. Binnen Minuten teilten sich fünf Spieler die Führung, auch der Australier Adam Scott mischte mit, der wiederum Zach Johnson auf -15 folgte; Spieth und Day tasteten sich heran (-14).

Der Old Course, der seinen Ursprung Mitte des 15. Jahrhunderts hat und laut dem Royal and Ancient Golf Club of St Andrews als ältester existierender Golfplatz der Welt gilt, ist ein Platz mit tausend Wellen und dem berühmten Road Hole Bunker. Nur wer ihn mit Köpfchen spielt, wer das Sprung- und Rollverhalten des Balles antizipiert, verzweifelt nicht an diesem Kurs. Diese Generation aber, die 2015 über den Old Course herfiel, spielte ihn phasenweise, als sei er ein Pitch&Putt-Platz. Johnson, bei -16, patzte erstmals, auf der 13. Bahn überwand er zwar die Särge - coffins, so heißen ein paar Bunker hier. Vor dem Grün aber landete der Ball indes doch im Sandhindernis - Bogey, Schlagverlust. Johnsons Glück war, dass die Mitstreiter abreißen ließen, der Ire Padraig Harrington verabschiedete sich mit einem Doppelbogey aus dem Titelkampf. Spieth musste nach einer schlechten Annäherung auch ein Doppelbogey verkraften und warf wütend den Ball. Nun lagen nur noch neun Spieler drei Schläge auseinander, und der Australier Marc Leishman gesellte sich zu Johnson und Scott an der Spitze bei -15.

Auf den Schlussbahnen ging es nicht mehr um Technik und Taktik - es ging darum, die Nerven zu bewahren, das gelang nicht allen. Der Engländer Anthony Wall verlor drei Schläge auf sechs Bahnen. Oosthuizen puttete schlecht, Scott auch. Das Feld hatte sich oft neu sortiert. Auf einmal aber wirkte das Tableau wie eingefroren. Die Zahl der Birdies nahm ab, Pars waren Gold wert. Plötzlich leisteten sich viele viele Fehler. Kurz führt Leishman mit zwei Schlägen, dann schaffte Johnson das Birdie an der 18. Spieth? Der knallte aus dem Nichts einen Putt aus 15 Metern ins Loch, er war zurück an der Spitze (-15). Doch er kassierte umgehend das Bogey, während sich Oosthuizen mit einem letzten Birdie auf dem 18. Grün ins Playoff zauberte.

Als es dunkel wurde in der Grafschaft Fife im Osten Schottlands, stand fest: Day ist weiter ohne Majortitel, Japan muss weiter warten, bester Amateur wurde ein ganz anderer als angenommen, nämlich der Amerikaner Jordan Niebrugge (-11/6.), Leishman verpasste den Coup und Oosthuizen das Kunststück, nach seinem Open-Erfolg 2010 an selbiger Stätte abermals zu reüssieren. Johnson war es, der stille, bibelfeste Profi, der nach zwei Birdies im Stechen den Claret Jug hochhielt. "Ich fühle mich geehrt, Teil der Geschichte hier zu sein. Wenn ich die Namen der vorherigen Sieger sehe, macht mich das demütig", sprach der den Tränen nahe Johnson - an einem Montag in St. Andrews.

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