Asylpolitik:EU kann sich nicht auf Verteilung von Flüchtlingen einigen

  • Den EU-Innenministern gelang es abermals nicht, sich auf eine einigermaßen faire Verteilung von Flüchtlingen in Europa zu verständigen.
  • Österreich beklagt mittlerweile die höchste Pro-Kopf-Quote an Asylbewerbern zu haben und zum "Zielland Nummer eins" geworden zu sein.
  • Es sind vor allem osteuropäische Mitgliedsländer, die bei der "Relocation" (Umsiedlung) aus Griechenland und Italien nicht mitmachen wollen. Manche nennen als Grund schlicht den Unwillen ihrer Bevölkerung.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Am Ende hat es die Europäische Union so gemacht, wie sie es häufig macht: Ein bisschen Zahlenschieberei, ein bisschen an der Uhr drehen, dann kann man auch eine Nicht-Einigung noch als Erfolg verkaufen. Denn in Wahrheit gelang den EU-Innenministern am Montag abermals nicht, woran sie schon bei ihrem letzten regulären Treffen am 9. Juli gescheitert waren: sich auf eine einigermaßen faire Verteilung von Flüchtlingen in Europa zu verständigen. Womit sie einerseits den derzeit besonders unter dem Flüchtlingsdruck leidenden Staaten, vor allem aber auch den Migranten selbst helfen würden.

Insgesamt 60 000 Flüchtlinge, so beschlossen es die Staats- und Regierungschefs Ende Juni, sollen in den kommenden zwei Jahren auf die Mitgliedstaaten verteilt werden: 20 000 Menschen würden direkt aus Konfliktgebieten aufgenommen, 40 000 will man aus Italien und Griechenland in andere Staaten umverteilen. Für die 20 000 lagen schon früh mehr als genügend Zusagen vor.

Das Problem ist das zweite Kontingent, wie die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner vor dem Treffen verkündete. Österreich habe mittlerweile die höchste Pro-Kopf-Quote an Asylbewerbern und sei zum "Zielland Nummer eins" geworden. Die Kapazitäten seien ausgereizt. Ihr Land nehme pro Kopf gerechnet mehr Flüchtlinge auf als Italien und Griechenland zusammen. Zusätzliche Migranten könne man nur akzeptieren, wenn diese Staaten endlich "ihre Hausaufgaben machen" und Asylbewerber nach EU-Vorgaben registrieren würden.

Bulgarien und Ungarn fühlen sich nicht angesprochen

Es sind aber vor allem osteuropäische Mitgliedsländer, die bei der "Relocation" (Umsiedlung) aus Griechenland und Italien nicht mitmachen wollen. Manche nennen als Grund schlicht den Unwillen ihrer Bevölkerung. Polen verweist darauf, Hunderttausenden Ukrainern wenn nicht Asyl, so doch vorübergehend Zuflucht gewährt zu haben. Bulgarien und Ungarn wiederum fühlen sich nicht angesprochen von dem Ruf nach Solidarität, weil ihre Länder auf den Flüchtlingstransitlinien liegen.

Damit die Zahl etwas besser aussieht, hat die amtierende luxemburgische EU-Ratspräsidentschaft die vorliegenden Zusagen nun einfach addiert: Die 22 504 aus dem ersten Kontingent werden zu den noch nicht ausreichenden 32 256 aus dem zweiten gezählt, so dass nur noch 5240 fehlen. "Dies sind provisorische Zahlen. Bis Ende des Jahres muss es weitere Bemühungen geben", sagte der luxemburgische Migrationsminister Jean Asselborn. Im Herbst werde weiterverhandelt.

Die praktischen Vorbereitungen könnten jedoch nun beginnen, damit die ersten Menschen im Oktober umziehen könnten, unterstrich Asselborn. Auch die deutsche Innen-Staatssekretärin Emily Haber weigerte sich, von einem Scheitern zu sprechen. Man sei "ganz, ganz nahe an der angestrebten Zahl". Auch sei nun klar, dass alle mitmachen müssten. Viele Länder seien von der Flüchtlingsfrage nicht unmittelbar betroffen und verfolgten die Diskussion eher als "Zaungäste".

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