Familienpolitik:Wie über das Betreuungsgeld gestritten wurde

Die Union musste ihr Projekt vor der Einführung nicht nur gegen die Opposition verteidigen. Die Kritiker saßen auch in den eigenen Reihen.

Das Bundesverfassungsgericht hat das umstrittene Betreuungsgeld gekippt. Gemäß dem Urteil der Karlsruher Richter hatte der Bund nicht die Kompetenz, das im Sommer 2013 eingeführte Gesetz zu erlassen. Damit ist auf Bundesebene das Ende des Betreuungsgeldes besiegelt - auch wenn CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt direkt nach der Urteilsverkündung bekannt gibt, daran festhalten zu wollen.

Die Reaktion der CSU überrascht so wenig wie die Freude der SPD über das Urteil. Die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Carola Reimann sprach sich zusätzlich für einen stärkeren Kita-Ausbau aus (zu den Reaktionen). Ein Blick auf frühere Debatten zeigt, wie umstritten das Betreuungsgeld in Berlin war:

"Rund die Hälfte der Eltern von Kleinkindern möchte die Betreuung zu Hause organisieren. Die andere Hälfte will einen Kita-Platz. Ich fände es anmaßend, als Staat der einen Hälfte zu sagen: Ihr macht es falsch, und die anderen machen es richtig. Das wissen die Familien besser", erklärte im Februar 2013 die damalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) ihre Entscheidung, das Betreuungsgeld einführen zu wollen.

Das Betreuungsgeld

Eltern, die ihr Kleinkind nicht in eine staatlich geförderte Kinderbetreuung schicken, haben Anspruch auf Betreuungsgeld. Sie können dies vom 15. bis zum vollendeten 36. Lebensmonat ihres Kindes beziehen. Das Betreuungsgeld wurde zum 1. August 2013 eingeführt. Es betrug zunächst 100 Euro pro Monat, mittlerweile werden 150 Euro pro Monat ausgezahlt. Derzeit beziehen mehr als 455 000 Eltern Betreuungsgeld, meist die Mütter. Im Bundeshaushalt 2015 sind insgesamt 900 Millionen Euro für die Leistung veranschlagt.

Es gehe um "ein Stück freiheitlicher Entscheidung eines Bürgers", argumentierte CSU-Chef Horst Seehofer in einer emotionalen Debatte im bayerischen Landtag. "Trauen wir denn das den Leuten nicht mehr zu?"

"Das Betreuungsgeld ist für unsere Eltern wichtig, denn es ermöglicht ihnen echte Wahlfreiheit, wie ihr Kind betreut werden soll", sagte Bayerns Familienministerin Emilia Müller (CSU).

Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sprach in der Frankfurter Rundschau im Juli 2013 von einem "Ladenhüter". Statt einer Prämie für die Erziehung daheim bräuchten Familien eine gute Infrastruktur, ausreichend Kitaplätze sowie eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Der Fraktionsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, bezeichnete das Betreuungsgeld als "Rohrkrepierer". Die CSU müsse erkennen, dass es "keine Mehrheit für die Herdprämie" gebe, sagte er. Der Vorschlag sei "frauen-, integrations- und haushaltspolitisch verfehlt".

"Einfach schwachsinnig", urteilte der einstige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Das Betreuungsgeld würde Frauen vom Arbeitsmarkt fernhalten.

Familienministerin Schröder verteidigte ihr Projekt gegen diesen Vorwurf - und wetterte gegen Steinbrück: "Wer glaubt, nur weil man uns Frauen 150 Euro hinhält, vergessen wir gleich sämtliche berufliche Ambitionen, der lebt in den 50er Jahren und hat in der Tat ein Problem mit seinem Frauenbild."

Diskussionen auch innerhalb der Koalition

Aber auch in der damals regierenden schwarz-gelben Koalition war man sich nicht einig. So machte FDP-Frau Sibylle Laurischk aus ihrer Abneigung 2012 keinen Hehl: "Das Betreuungsgeld ist ein wenig überzeugendes Taschengeld", sagt sie. Es löse auch nicht das aus ihrer Sicht zentrale gesellschaftliche Problem, dass zu wenige Kinder geboren würden.

"Das Betreuungsgeld ist keine Herzensangelegenheit der FDP", sagte die stellvertretende FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Welt am Sonntag im April 2012. Es liege allein an der Union.

Und selbst dort herrschte Uneinigkeit: Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) lehnte das Betreuungsgeld im selben Jahr ebenfalls ab. "Ich stehe dem Betreuungsgeld skeptisch gegenüber und kann das Unbehagen in der Fraktion gut verstehen", sagte Kramp-Karrenbauer. "Ich habe Verständnis für die Kritik und teile sie in vollem Umfang."

Damit stand sie auch in der Union nicht allein: CSU-Politikerin Dorothee Bär ließ im August 2007 wissen: "Ich halte gar nichts von dem Betreuungsgeld." Die Prämie diene allein dazu, konservative Wählerschichten ruhig zu stellen, die aushäusige Kinderbetreuung ablehnen, sagte Bär. Heute, acht Jahre später zeigt sie sich über das Urteil des Bundesverfassungsgericht jedoch nicht allzu glücklich:

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