Klangqualität:Was aktuelle Kopfhörermodelle können

Klangqualität: Illustration: Stefan Dimitrov

Illustration: Stefan Dimitrov

Kopfhörer sind zum Mode-Accessoire geworden. Dem Wohlklang dient das nicht immer, und die Vielfalt der Modelle ist unüberschaubar. Ein Überblick.

Von Helmut Martin-Jung

Noch vor wenigen Jahren wäre man als Mensch mit einem womöglich auch noch neonfarbenen Kopfhörer bestaunt worden wie ein Marsmensch. Heute gehören nicht bloß die wesentlich dezenteren In-Ear-Hörer zur Grundausstattung etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln. Immer häufiger sieht man auch große Kopfhörer im Outdoor-Einsatz. Trug man Kopfhörer früher nur im Studio oder zu Hause, um Musik besonders intensiv zu genießen, sind die Hörer mittlerweile ein Mode-Accessoire geworden, mit dem man nicht nur gesehen wird, sondern sich auch sehen lassen will.

Das Verdienst, den davor ziemlich langweiligen und eingeschlafenen Markt wieder attraktiv gemacht zu haben, gebührt der Firma des Rappers Dr. Dre, Beats Audio. Inzwischen aufgekauft von Apple, machte das Unternehmen Kopfhörer mit viel Marketing-Sachverstand wieder so sexy, dass sich mehr und mehr vor allem Jüngere gerne mit den bunten Kopfhörern zeigen. Man musste nur die richtigen Leute dazu bringen, sie aufzusetzen oder sie wenigstens - auch cool - in DJ-Manier um den Hals zu tragen. Zu Veranstaltungen wie den olympischen Spielen verschenkte Beats großzügig Geräte, und nicht wenige Sportler trugen sie dann auch.

Wo sich ein Milliardenmarkt auftut, ist die Konkurrenz nicht weit

Dass die Hörer von Beats bei unabhängigen Tests nicht unter den Besten zu finden waren, spielte dabei keine so große Rolle. Sie passen den Klang elektronisch an, vor allem der fette Bass ist dabei wichtig - vielen Beats-Kunden scheint das zu reichen, etwa zwei Drittel des Marktes für teure Kopfhörer konnte Beats so erobern. Doch wo sich solch ein Milliardenmarkt auftut, sind die Konkurrenten nicht weit. Und so haben sich viele der etablierten Hersteller, aber auch viele Newcomer aufgemacht, sich von dem großen Kuchen auch ein Stück abzuschneiden.

Doch wie setzt man sich ab vom Marktführer? Das noch coolere Design zu liefern, ist ziemlich schwierig, diese Nische halten die Beats ziemlich gut besetzt. Viele haben es trotzdem versucht, mit eher mäßigem Erfolg. Andere versuchen, mit technischen Neuerungen dagegen zu halten, offerieren nicht bloß drahtlose Verbindung zum Smartphone oder Musikspieler, sondern auch berührungsempfindliche Sensorflächen, mit denen man lauter und leiser stellen kann oder auch zum nächsten Stück weiterklicken kann. Parrot bietet für seinen Zik II sogar eine eigene App, mit der sich eine ganze Menge an Klangcharakteristika individuell einstellen lassen.

Ein Kopfhörer - viele unterschiedliche Klangcharakterstika

Das funktioniert natürlich nur, wenn im Hörer auch elektronische Bausteine sitzen, die sich entsprechend manipulieren lassen. Für viele Freunde des unverfälschten Klangs ist allein schon deren Existenz reines Teufelszeug, andere sind froh, wenn sie den Klang ihres Hörers den eigenen Gewohnheiten so weit wie nur möglich anpassen können.

Der deutsche Hersteller Beyerdynamic, dessen Hörer man in vielen Studios antrifft, hat für eines seiner Modelle einen Mittelweg gefunden und es mit einem mechanischen Schieberegler versehen. Dieser verändert das Gerät stufenweise von einem offenen zu einem geschlossen Hörer - entsprechend veränderte Klangcharakteristik eingeschlossen.

Aber was heißt das eigentlich - offen, geschlossen, und welche Unterschiede gibt es sonst noch?

Geschlossene Kopfhörer sind ein Segen für die Mitmenschen

Bei einem geschlossenen Kopfhörer wird versucht, möglichst wenig von den Schallwellen, die in den Ohrmuscheln produziert werden, nach draußen gelangen zu lassen. Das hat zwei Vorteile: Die Mitmenschen werden bei solchen Konstruktionen so wenig wie möglich belästigt, der Träger wird von der Umwelt abgeschottet, Außengeräusche werden gedämpft. Meist neigen solche Kopfhörer dazu, den Bass zu betonen und meist ist das auch gewünscht. Bei offenen Kopfhörern dringt auch Schall nach draußen, Außengeräusche kommen viel leichter durch. Oft ist auch der Klang solcher Hörer luftiger, leichter und durchsichtiger. Halb offene Systeme versuchen das Beste aus beiden Welten zu verbinden.

Es gibt aber noch andere Unterschiede, die meist auch mit dem Tragekomfort einhergehen. Die kleineren unter den Kopfhörern werden auf den Ohrmuscheln getragen. Deshalb kommt es bei ihnen sehr darauf an, dass die Spannung des Bügels und die Elastizität der Kissen gut zusammenpassen. Sie sollen weder leicht verrutschen, noch aber bei längerem Tragen zu sehr auf die Ohren drücken. Dies ist ein Grund, warum es sich beim Kauf hochwertiger Kopfhörer auf jeden Fall lohnt, sie vorher ausgiebig auszuprobieren. Dazu kann man auch die eigene Musik auf dem Smartphone mitbringen - die kennt man schließlich am besten und hat eine Vorstellung davon, wie sie klingen sollte.

Aktive Geräuschunterdrückung reduziert den Umgebungslärm

Die größeren Hörer umschließen die Ohrmuscheln ganz und schaffen - wenn es sich denn um geschlossene Systeme handelt - eine sehr deutliche akustische Abschottung von der Umwelt. Das gilt auch für manche In-Ear-Hörer. Diese werden in aller Regel mit Silikon-Stücken in verschiedenen Größen geliefert, damit sie sich in den Gehörgang gut einpassen, ohne zu drücken oder herauszufallen. Apple hat für seine Ohrhörer ein etwas anderes System entwickelt, das ohne die Gummistöpsel auskommt, sie halten aber auch nicht in jedem Ohr.

Wem es um noch perfektere Abschottung nach außen geht als sie geschlossene Kopfhörer oder In-Ears ohnehin schon bieten, der greift zu Hörern mit aktiver Geräusch-Unterdrückung. Dabei werden Umweltgeräusche mit Mikro aufgenommen und mit genau entgegengesetzter Phasenlage wiedergegeben, sodass Lärm, vor allem tieffrequentes Brummen, auf ein leises Rauschen reduziert wird. Das ist super für Flugzeugreisen, kann aber in ruhiger Umgebung nerven, denn die Hörer produzieren - manche mehr, manche weniger - ein Eigenrauschen. Prinzipbedingt verändern sie auch den Klang der Musik elektronisch - Klangpuristen werden sich mit ihnen also weniger anfreunden, oder sie nur im Flugzeug nutzen. Wie sie das nervende Brummen in ein leises Rauschen verwandeln, das hat schon was und ist oft seinen Preis wert.

Anprobieren, Ausprobieren!

Leider ist es bei den meisten Hörern mit aktiver Geräuschunterdrückung so, dass sie entweder nicht funktionieren, wenn Akkus oder Batterien leer sind. Oder aber sie klingen ohne die helfende Hand der Elektronik ganz anders, meist dumpfer und weniger durchsetzungskräftig. Für Boses ansonsten rundherum gelungenen QC 25 trifft das zum Beispiel zu.

Aus dem mittlerweile fast unüberschaubaren Angebot an Kopfhörern hat die SZ fünf neue Geräte beispielhaft herausgesucht. Jeder davon bietet etwas, das in seiner Klasse ungewöhnlich, oft sogar einzigartig ist. Da aber jeder andere Hörgewohnheiten hat und - im wahrsten Sinne des Wortes - seinen eigenen Kopf, ist der beste Rat, den man geben kann, noch immer der, Kopfhörer unbedingt vor dem Kauf auszuprobieren und das wenn möglich auch etwas länger. Denn erst dann merkt man, ob ein Gerät, das anfangs perfekt zu passen scheint, auf Dauer nicht doch auf die Ohren drückt. Wer halbwegs Wert auf Qualität legt, sollte etwa 100 Euro einplanen für gute Kopfhörer, brauchbare In-Ears gibt es auch für die Hälfte.

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