Bericht "Wissenschaft weltoffen":Kluge Köpfe

Studieren in Sachsen beliebt

Vorlesung an der Uni Leipzig: Viele Studierende müssen sich ihr Studium selbst finanzieren, da kann ein Job als Werkstudent optimal sein.

(Foto: Jan Woitas/dpa)
  • Jeder neunte Studierende an deutschen Hochschulen stammt aus dem Ausland. Nach den USA und Großbritannien ist Deutschland das beliebteste Gastland - und besonders gefragt ist da Berlin, wo 16,7 Prozent der Studierenden aus dem Ausland kommen.
  • Die mit Abstand meisten Studierenden kommen aus China - 2014 waren es mehr als 28 300.
  • 37 Prozent der deutschen Hochschüler machen einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt, ob als Austauschsemester, Praktikum oder Sprachkurs.
  • Die meisten sparen sich ein Auslandssemester, weil sie dadurch zu viel Zeit verlieren würden oder der Studienplan ein Austauschsemester gar nicht zulässt.

Von Anne Kostrzewa und Johann Osel, Berlin

Deutschlands Hochschulen werden immer internationaler, jeder neunte Studierende stammt mittlerweile aus dem Ausland. Im vergangenen Jahr waren zum ersten Mal mehr als 300 000 ausländische Studierende hierzulande eingeschrieben. Das sind 19 000 mehr als 2013. "Einen besseren Beweis für die internationale Anziehungskraft unserer Hochschulen gibt es kaum", sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka.

Das Ziel bis 2020: 350 000 internationale Studenten

Mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und dem Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) erhebt ihr Ministerium jedes Jahr für den Bericht "Wissenschaft weltoffen", wie viele Ausländer in Deutschland studieren - und wie viele Deutsche ins Ausland gehen. Der Report wurde am Mittwoch in Berlin vorgestellt.

Bis zum Jahr 2020 wollen Bund und Länder 350 000 internationale Studenten an deutschen Unis haben. Hält die derzeitige Entwicklung an, könnte Deutschland dieses Ziel schon früher erreichen, hieß es. Nach den USA und Großbritannien sei die Bundesrepublik bei internationalen Studenten das beliebteste Gastland.

Fast jeder zweite ausländische Student kommt aus Europa. Aber auch im asiatischen Raum steigt das Interesse am deutschen Hochschulsystem. Die mit Abstand meisten ausländischen Studierenden kommen aus China. Im vergangenen Jahr waren mehr als 28 300 Chinesen in Deutschland eingeschrieben. Aus Russland kamen mehr als 11 000 junge Menschen zum Studieren nach Deutschland, aus Indien und Österreich jeweils knapp 10 000. Fast alle streben dabei einen Abschluss an - kommen also nicht nur für ein Semester. Besonders gefragt sind die Universitäten in Berlin. 16,7 Prozent der dort Studierenden kommen aus dem Ausland.

Beliebt sind die deutschen Ingenieurswissenschaften

Am stärksten nachgefragt sind Ingenieurswissenschaften. Diese sind für die Spitzengruppe der Ausländer, die Chinesen, offenbar sehr reizvoll, sie wählen häufig Technische Universitäten. An manchen wird mittlerweile sogar das chinesische Mondfest im Audimax gefeiert. Aber auch angehende Juristen, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftler kommen oft nach Deutschland, ebenso Sprach- oder Kulturwissenschaftler. Die meisten ausländischen Studierenden sind in Masterstudiengänge eingeschrieben.

Für Ministerin Wanka geht es nicht nur um den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch. "Wir möchten auch gute Fachkräfte für uns gewinnen", sagte sie. Man brauche "die besten Köpfe von überall her". Dazu gehörten ganz klar auch Deutsche, die im Ausland wissenschaftliche Erfahrungen gesammelt haben, ergänzte DAAD-Präsidentin Margret Wintermantel. "Im Ausland lernen sie andere Arbeitsweisen und Strukturen kennen und erhalten einen anderen Blick auf die eigene Arbeit." Noch nie seien mehr Deutsche während ihres Studiums zeitweise im Ausland gewesen als heute.

Zwei Drittel der deutschen Studenten verzichten auf Auslandserfahrungen

Die Quote von mittlerweile 37 Prozent aller Hochschüler, die einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt machen, ist allerdings trügerisch. Damit gemeint sind nämlich nicht nur klassische Semester an einer Hochschule, sondern auch Praktika oder selbst Sprachkurse von nur ein oder zwei Wochen Dauer. Mehr als zwei Drittel aller Studenten macht nach wie vor kein Auslandssemester.

Bei der Frage, warum sie kein Interesse daran haben oder kein Aufenthalt zustande kam, wurde häufig genannt: Zeitverluste im Studium und die Anforderungen des Studiums, die das nicht zuließen. Das ist auch ein hausgemachtes Problem vieler Hochschulen. So ist in vielen Studiengängen, selbst wenn sie international ausgerichtet sind, gar kein Zeitfenster für das Ausland eingeplant. Besser geworden ist laut DAAD aber die Anerkennung von Leistungen, die Studenten im Ausland erbracht haben, an der Heimathochschule. Demnach werden drei Viertel der Seminare und Kurse nach der Rückkehr vollständig anerkannt.

Ausländische Studenten fühlen sich an den deutschen Hochschulen nicht wohl

So gut der Austausch den Universitäten und der Wirtschaft auch tun mag: Nur gut die Hälfte der ausländischen Studenten fühlt sich wohl an deutschen Hochschulen. Vor allem ohne gute Deutschkenntnisse könnten sie nur schwer am sozialen Leben außerhalb der Uni teilnehmen, hieß es. "Wer einen englischsprachigen Master macht, hat vielleicht erst mal eine geringere Motivation, Deutsch zu lernen", sagt Jan Kercher vom DAAD. Er sieht die Hochschulen in der Pflicht, ausländische Studierende trotzdem zu Sprachkursen zu motivieren.

Ulrich Heublein vom DZHW ergänzt: "Wer selbst im Ausland war, der weiß, wie schwer es sein kann, Kontakte zu knüpfen." Die Unis müssten zwar den ersten Schritt tun. Aber deutsche Studenten mit Auslandserfahrung seien ebenfalls wichtig - auch für Studierende aus dem Ausland. Die Studentenwerke erneuerten am Mittwoch ihre Forderung nach einer besseren "Willkommenskultur". Nötig seien dazu auch bezahlbare Unterkünfte, etwa in den staatlich geförderten Wohnheimen.

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