München:Junge fliegt von Schule - weil er getratscht hat

  • Weil er Sex-Gerüchte über eine Lehrerin verbreitet hatte, musste ein Schüler in München sein Gymnasium verlassen.
  • Aus Sicht der Schulleitung ist das ein "schweres Fehlverhalten".
  • Doch das Verwaltungsgericht München urteilte nun anders: Die Schulentlassung war rechtswidrig.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Kaum irgendwo wird so viel dummes Zeug herumgetratscht wie auf Schulhöfen. Wegen solch unausgegorener Parolen aus der großen Pause ist der damals elfjährige David vom Luitpold-Gymnasium im Lehel geflogen: Eine Lehrerin solle etwas mit einem Oberstufenschüler haben, hatte ihm ein Gleichaltriger zugeflüstert - und David tratschte es gleich weiter.

Aus Sicht der Schulleitung ist das ein "schweres Fehlverhalten", das mit einem Verweis geahndet wurde. So geht es nicht, diese Schulentlassung "ist rechtswidrig", urteilte aber am Mittwoch das Verwaltungsgericht München. Dasselbe Gymnasium war erst kürzlich in die Schlagzeilen geraten, weil Abiturienten zum Abschlussball eine Stripperin bestellt hatten.

"Ich mache seit 35 Jahren Schulrecht", sagte Rechtsanwalt Peter Wichmann nach dem Urteil zur SZ, "aber ich habe noch nie zweieinhalb Stunden über das Schulhofgeplapper von Elfjährigen verhandeln müssen." Der Anwalt war entsetzt darüber, dass die Schulpsychologin dem Kind gar mangelnde Empathie angelastet hatte. Und Davids Mutter Elena A.: "Meinem Sohn und seinem Freund wurden von der Psychologin zudem ,kriminelle Energie' wegen des dummen Geredes nachgesagt."

Wie die Schule argumentierte

In der Verhandlung vor der 3. Kammer hatte der Schulleiter dargelegt, dass der Schulfrieden durch die Sex-Parole massiv gestört gewesen sei - in kürzester Zeit habe jeder Schüler das Gerücht über die junge Lehrerin gekannt. Sogar von Nacktfotos sei getuschelt worden. Direkt von der Betroffenen darauf angesprochen, erzählte David, was ihm zu Ohren gekommen war.

Die Lehrerin ging zum Direktor. Daraufhin sei der Schüler stundenlang regelrecht verhört worden, berichten seine Eltern. Ihm wurde zum Verhängnis, dass er bereits zwei Abmahnungen hatte. "Er hatte im Musik- und im Theologieunterricht mit seinem Banknachbarn gequatscht", sagt die Mutter. Sie bereue inzwischen, dass sie diese Verweise damals akzeptiert und nicht rechtlich angefochten habe.

Was der Rausschmiss für den Jungen bedeutete

Die Eltern des Schülers hatten angeboten, dass ihr Sohn sich in aller Form vor versammelter Klasse bei der Lehrerin entschuldigen und aufklären werde, dass alles nur ein haltloses Pausenhofgerücht gewesen sei, sagt Anwalt Wichmann. Doch selbst die Tränen des Kindes seien von der Schulleitung nicht als Zeichen der Reue anerkannt worden. "Muss ein Kind Moraltheologie studieren, um Reue zeigen zu können", erregte sich der Jurist in der Verhandlung - was ihm einen tadelnden Blick der Vorsitzenden Richterin eintrug.

David sei damals auf "das Luitpold" gegangen, weil es an keinem anderen Gymnasium jüdischen Religionsunterricht gebe und all seine Freunde aus seiner jüdischen Umgebung dort seien, sagt Elena A. Das sei für ihren Sohn nun verloren. Er gehe jetzt auf eine Privatschule, sei dort aber inzwischen glücklich.

Der gleichfalls tratschende Mitschüler sei ebenfalls von der Schule geflogen - seine Eltern hätten sich aber nicht vor Gericht dagegen gewehrt. Direktor Hieronymus ließ ausrichten, dass er sich nicht äußern wolle, so lange keine schriftliche Urteilsbegründung vorliege. Offen bleibt somit, ob gegen das Urteil Berufung eingelegt wird.

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