Prozess in München:Wenn Musiker zu Konkurrenten werden

  • Emanuele C. und Giovanni F. treten in Münchner Restaurants als Musiker auf.
  • Der eine singt ernsthafte Lieder, der andere ist mit Showeinlagen erfolgreich.
  • Weil C. weniger Erfolg mit seinen Darbietungen hatte, soll er auf seinen Konkurrenten losgegangen sein und muss sich nun wegen versuchten Mordes vor Gericht verantworten.

Von Christian Rost

Aus Neid über das größere Talent des anderen soll ein italienischer Musiker einen Kollegen beinahe totgeprügelt haben. Der mutmaßliche Schläger muss sich seit diesem Mittwoch vor der zweiten Strafkammer am Landgericht München I wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung verantworten. Zum Prozessauftakt räumte der 43-jährige Angeklagte zwar ein, seinen Kollegen geschlagen zu haben. Er habe sich aber nur gewehrt, sagte Emanuele C.

Nach der Darstellung von Staatsanwältin Nicole Selzam traten der Angeklagte wie das 49-jährige Opfer Giovanni F. überwiegend in italienischen Gaststätten im Raum München auf und waren somit Konkurrenten. Während Emanuele C. Lieder in neapolitanischem Dialekt eher ernsthaft darbieten wollte, soll sein Kollege Giovanni F. mehr auf den Unterhaltungsfaktor für das Publikum gesetzt und Karaoke-Veranstaltungen organisiert haben. Das sei bei den Leuten offenbar besser angekommen als neapolitanische Weisen, weshalb der Angeklagte immer weniger gefragt gewesen sei, heißt es in der Anklage.

C. habe deshalb versucht, Ende 2014 seinen Konkurrenten bei Gaststättenbetreibern schlecht zu machen, um selbst wieder mehr Aufträge zu bekommen. Die Rechnung ging wohl nicht auf, jedenfalls buchte eine gemeinsame Bekannte der beiden Musiker lieber die Karaoke-Nummer für den Geburtstag ihrer Tochter als die neapolitanischen Lieder. Als Giovanni F. dann noch ein Bild von seinem Auftritt bei der Geburtstagsfeier stolz auf Facebook postete, soll das beim Angeklagten das Fass zum Überlaufen gebracht haben.

Die Fäuste sollen geflogen sein

Laut Anklage zettelte Emanuele C. zunächst einen Streit über Facebook-Einträge seines Konkurrenten an. Am 4. Januar dieses Jahres soll C. dann auf ein Treffen mit F. gedrängt haben, um sich auszusprechen. Für Staatsanwältin Selzam diente die Verabredung von vornherein einzig dem Zweck, dass C. seine Wut an F. abregieren konnte. Die beiden Männer trafen sich kurz von 20 Uhr auf dem abgelegenen Parkplatz der Islam-Schule in der Freisinger Landstraße.

Ein Zeuge, der zweite Vorstand der Schule, wollte mit seinem Wagen den Parkplatz verlassen, als er mitbekam, wie Emanuele C. auf Giovanni F. losging. Vielfach mit Fäusten soll er auf sein Gegenüber eingeschlagen haben und den Mann auch noch gegen den Kopf getreten haben, als er schon am Boden lag. Danach verließ C. das Gelände und kümmerte sich laut Anklage auch nicht weiter um den bewusstlosen, schwerverletzten F. Der Zeuge, den F. noch bemerkte und verscheuchen wollte, rief Polizei und Rettungsdienst.

Giovanni F. hatte einen Schädelbruch und mehrere Brüche im Gesicht erlitten. 15 Tage lag er auf der Intensivstation in einem Krankenhaus. Als er am Mittwoch als Zeuge aussagte, sah man ihm die Folgen der Schläge noch immer an. Er leide unter Taubheitsgefühlen im Gesicht und müsse auch noch einmal operiert werden, sagte F. Zum möglichen Motiv des Angeklagten sagte das Opfer, der Kollege habe sich ins Musikgeschäft reindrängen wollen.

Der vermeintliche Aggressor sieht sich als Opfer

Emanuele C. hält sich künstlerisch jedenfalls für wertvoller als F. "Ich mache Konzerte, er macht Shows", sagte der Angeklagte. Und bei der Geburtstagsfeier der Tochter der gemeinsamen Bekannten hätte er schon aus zeitlichen Gründen nicht auftreten können. Er sei an diesem Tag für eine Taufe gebucht gewesen. Nach seiner Darstellung sei auch nicht er der Aggressor gewesen, sondern sein Kontrahent.

Bei dem Treffen auf dem Parkplatz habe zuerst F. ihn geohrfeigt und mit der Faust ins Gesicht geschlagen. "Ich blutete aus der Nase." Erst dann habe er sich mit "vielen Faustschlägen" gewehrt. Eigentlich habe er dem am Boden liegenden F. auch helfen wollen, dieser habe aber gesagt: "Lass mich in Ruhe, du Bastard, dafür wirst du bezahlen." Schließlich habe er Angst vor der Polizei bekommen und sei geflüchtet, so der Angeklagte. Vom Auto aus habe er seine Frau angerufen und zu ihr gesagt: "Ich habe Scheiß gebaut." Zu Hause habe ihn dann die Polizei abgeholt.

Für den Prozess sind noch fünf Verhandlungstage angesetzt. Ende Juli könnte ein Urteil gesprochen werden.

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