Prüfungsbester:Kein Blatt liegt zufällig

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Markus Unützer ist Friedhofsgärtner in vierter Generation. (Foto: privat)

Wie die Friedhofsgärtner-Azubis ihre Abschlussprüfung machen

Markus Unützer spricht über Gräber so wie ein Maler über seine Bilder. Der 22-jährige Miesbacher ist Friedhofsgärtner mit Leidenschaft und Prüfungsbester unter den Auszubildenden, die Mittwoch vor einer Woche ihre Abschlussprüfung in München gemacht haben. Bei fast 30 Grad rann ihm der Schweiß von der Stirn, als er in Gärtnerhose und Sonnenhut im Münchner Westfriedhof den Spaten in die Hand nahm. Doch es war nicht die Hitze, die ihm zu schaffen machte. "Die muss ein guter Gärtner aushalten", sagt Unützer. Es war die Nervosität. Nur zweieinhalb Stunden hatten er und seine vier Mitprüflinge Zeit, um einen kahlen Grabstein mit einem kunstvollem Blumenmeer zu umgeben. Unützers Stein war eher eine Säule. Drei Wochen konnte er sich Gedanken machen, wie er ihn verzieren will. Kein Blatt, keine Blüte liegt zufällig. Seine Strenge würden dem Stein zwei leuchtend grüne Smaragdthujen nehmen. Seine Symmetrie spiegele sich in dem Rautenmuster aus Blumen wieder, das vor ihm in rot, blau und gelb leuchtet, so der "Grabkünstler".

Die Leidenschaft fürs Gräberpflanzen hat er schon in die Wiege gelegt bekommen. Seine Eltern haben in seiner Heimat Miesbach direkt neben dem Friedhof ihre Gärtnerei. Seit 67 Jahren gibt es den Betrieb, Unützer ist in vierter Generation Friedhofsgärtner. Dass seine Freunde sich zwischen den Gräbern gruselten, konnte er nie verstehen. Auch jetzt, nach drei Jahren Ausbildung im Betrieb seines Vaters, ist er noch immer begeistert von seinem Beruf. Er liebt die Abwechslung. "Jedes Grab, jede Pflanze ist anders", sagt er. Und immer gibt es jemanden zum Ratschen auf dem Friedhof. Dass es vor allem ältere Männer und Frauen sind, mit denen er sich über den neuesten Dorfklatsch austauscht oder einen Tipp zur Grabpflege gibt, stört ihn nicht. Und nur manchmal beschleicht ihn ein mulmiges Gefühl, der Gedanke daran, was zum Vorschein kommen könnte, wenn er ein Grab umbuddelt. "Man muss den Respekt vor dem Tod bewahren, aber man muss ihn auch ausblenden", sagt er. Bei seiner Prüfung war das einfach. Es waren keine echten Gräber. Noch vier Wochen können Besucher die "Grabkunstwerke" im Westfriedhof in München besichtigen und abstimmen, welches ihnen am besten gefällt. Dann wird sich zeigen, ob Unützer auch Publikumsliebling wird.

© SZ vom 23.07.2015 / nell - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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