Infektionserkrankung:Erster Malaria-Impfstoff kurz vor der Zulassung

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Eine Frau wacht am Bett ihres Malaria-kranken Kindes. Im tropischen Afrika werden weltweit die meisten Fälle registriert.

(Foto: AFP)
  • Der weltweit erste Malaria-Impfstoff könnte in Kürze in Afrika eingesetzt werden. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA gab ihre Zustimmung zum Wirkstoff RTS,S.
  • Die jüngsten Studienergebnisse hatten enttäuscht. Nur jedes dritte Kind profitierte von der Impfung.

Von Berit Uhlmann

Der erste Malaria-Impfstoff der Welt ist seinem Einsatz in den Malaria-Gebieten einen großen Schritt näher gekommen. Der wissenschaftliche Ausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur EMA bewertete das Vakzin mit dem Wirkstoff RTS,S auf Antrag des britischen Pharmakonzerns Glaxo Smith Kline positiv. Auf Basis des Entscheids kann nun die Weltgesundheitsorganisation WHO Empfehlungen für den Einsatz in den betroffenen Ländern aussprechen. Eine Markzulassung für Europa hatte das Unternehmen nicht beantragt.

Seit 100 Jahren suchen Forscher nach einem Impfstoff, allein in RTS,S (Handelsname Mosquirix) stecken 30 Jahre Arbeit, finanziert von Glaxo Smith Kline und der Bill und Melinda Gates Stiftung. An mehr als 15 000 Kindern aus mehren afrikanischen Staaten wurde der Impfstoff getestet. Und doch will sich der Jubel nicht so recht einstellen.

Die jüngsten Daten der Zulassungsstudien hatten allzu große Hoffnungen getrübt. Die Impfung schützte - je nach Alter der Probanden - zwischen 26 und 36 Prozent der Kinder. Diese Bilanz präsentierte ein internationales Forscherteam nach vier Jahren Beobachtung - in diesem Zeitraum habe der Wirkstoff eine "substantielle Zahl" von schweren Malariafällen bei Kindern verhindert. "Wie lange die Schutzwirkung genau anhält, wissen wir nicht", sagt der Tübinger Tropenmediziner Peter Kremsner, der an der Studie beteiligt war. Sicher ist, dass sich der Effekt im Laufe der Zeit abschwächte. Im ersten Jahr hatte die Impfung noch mehr als die Hälfte der Kinder vor einer Infektion bewahrt.

Die meisten der kleinen Probanden vertrugen die Spritzen gut, allerdings erkrankten 21 von ihnen an einer Hirnhautentzündung. Ob es sich um eine zufällige Häufung oder Nebenwirkung handelt, vermag derzeit niemand zu sagen. Trotz des eher durchwachsenen Erfolges hatten die Wissenschaftler dem Impfstoff das Potenzial bescheinigt, einen wichtigen Beitrag zur Kontrolle der Infektionskrankheit zu leisten. Dieser Auffassung schloss ich die EMA nun an: Trotz seiner begrenzten Wirksamkeit überwiege der Nutzen die Risiken, schreibt die Behörde.

Fehlschläge und Kapitulationen

Die meisten Impfstoffe schützen 80 bis 100 Prozent der Geimpften. Dass RTS,S, trotz seiner unterdurchschnittlichen Erfolgsrate, positiv bewertet wird, ist wohl vor allem der Größe des Problems und der unzureichenden Alternativen geschuldet. Noch immer sterben jedes Jahr etwa eine Million Menschen an Malaria, vor allem in Afrika.

Vieles was der Mensch im Kampf gegen die Krankheit versuchte, entpuppte sich als Fehlschlag oder kurzfristiger Erfolg. Neue Medikamente verloren und verlieren ihre Schlagkraft, weil die Erreger Resistenzen entwickeln. Auch die Mücken - die Überträger der Krankheit - werden zunehmend unempfindlich gegen die Insektizide, die sie eigentlich fernhalten sollen.

1958 glaubte die WHO, die Malaria komplett ausrotten zu können. Das Vorhaben scheiterte an den Resistenzen; der Misserfolg dämpfte die Moral im Kampf gegen die Infektionen. Nun ist die WHO erneut am Zug. Sie muss entscheiden, ob und in welchem Umfang sie RTS,S in den Malariagebieten einsetzt. In einem ersten Kommentar zu den jüngsten Forschungsdaten hatten sich WHO-Wissenschaftler bedeckt gehalten, wiesen aber schon einmal auf einen neuralgischen Punkt hin: das Geld. Keinesfalls dürften Ausgaben für die Impfung dazu führen, dass am Ende Mittel für etablierte Maßnahmen wie Netze, Tests, Aufklärung und Medikamente fehlten.

Für deutsche Reisende ändert sich derweil nichts. Sie können sich weiterhin durch die vorbeugende Einnahme von Medikamenten, durch Insektenschutzmittel und Netze recht gut schützen. "Der Schutz durch RTS,S wäre für sie zu gering", sagt der Tropenmediziner Kremsner.

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