Radsport-Übertragung:Ausgebremst

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So schnell die Waden tragen: das Spitzenfeld bei der 16. Etappe der 102. Tour de France am Montag.

(Foto: Jeff Pachoud/AFP)

Trotz deutscher Tour-Erfolge bleiben die erwarteten TV-Zuschauer aus. Die Begeisterung für die Frankreich-Rundfahrt hat unter Dopingskandalen und dem Boykott im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gelitten.

Von Korbinian Eisenberger

Nach seiner Siegesfahrt am Mittwoch war Simon Geschke zu Tränen gerührt. Er hatte gerade seinen ersten Etappensieg überhaupt bei einer Tour de France eingefahren, und bereits den fünften eines deutschen Radsportlers bei der diesjährigen Frankreichrundfahrt. Zeitfahrspezialist Tony Martin war zwei Tage im gelben Trikot des Gesamtführenden unterwegs. Und dann ist da noch André Greipel, der drei Etappen gewonnen hat und theoretisch als erster Deutscher seit Erik Zabel 2001 das grüne Trikot des besten Sprinters überstreifen könnte. Seit 2013 haben deutsche Radsportler 18 von 60 Etappen der wichtigsten Rundfahrt der Welt gewonnen, also knapp ein Drittel. Hierzulande scheint das jedoch nur die wenigsten zu interessieren.

Nach drei Jahren Dopingboykott der Tour der France im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat die ARD dem Radsport wieder eine Chance gegeben, seinen ramponierten Ruf auf der großen Live-Bühne aufzupolieren. Seit Anfang Juli zeigt das Erste zwischen 15 und 17.30 Uhr wieder die spannendste Phase des Renntages. Und trotz der deutschen Erfolge scheint beim TV-Publikum keine Begeisterung aufzukommen. Verglichen mit den Jahren vor der Sendepause, in denen ARD und ZDF die Tour deutlich umfassender zeigten, sind die Einschaltquoten zurückgegangen.

2010 und 2011 stagnierten die Liveübertragungen von ARD und ZDF noch bei knapp 1,3 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil von knapp elf Prozent. Derzeit liegt die Tour-Quote der ARD bei 1,1 Millionen (9,4 Prozent). Bilanz ziehen will der Sender vor der Zieletappe am Sonntag noch nicht. Es soll jedoch wohl keine Quotenvorgabe gegeben haben. Eurosport Deutschland, das auch zwischen 2012 und 2014 live sendete, verzeichnete im Vergleich zum Vorjahr zwar einen leichten Gewinn von 340 000 (3 Prozent) auf 350 000 (3,2), konkurriert aber in diesem Sommer nicht mehr mit der Fußball-WM.

Tatsächlich, so scheint es, sind die Dopingaffären der einstigen Stars in Deutschland lange nicht verziehen. 2003, als der später des Dopings überführte Jan Ullrich noch um den Gesamtsieg kämpfte, verfolgten die Tour im Schnitt noch 3,1 Millionen im TV. Die deutsche Radsport-Berichterstattung ist seither mit am kritischsten. Obwohl es bisher keinen Dopingfall, lediglich eine positive Kokainprobe gab, greifen ARD und Eurosport das Thema Doping täglich in Hintergrundberichten und in den Livesendungen auf, blenden mitunter Zuschauer-Posts dazu ein. Radsport und Betrug gehören in der deutschen Wahrnehmung nach wie vor eng zusammen. Anders als etwa in Spanien, wo traditionell wenig Interesse an Doping-Aufklärung herrscht. Oder in Frankreich, das seine Begeisterung weniger über erfolgreiche Landsmänner als über die Ausrichtung der Tour definiert.

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