Demenzerkrankung:Heillose Gerüchte um ein neues Alzheimermedikament

Seit Tagen wird geraunt, es gebe ein wirksames Medikament gegen Alzheimer. Es ist ein bösartiges Spiel mit der Hoffnung.

Kommentar von Kathrin Zinkant

Medizin kann ziemlich bösartig sein. Ganz besonders, wenn sie falsche Hoffnungen schürt. Und selten wurde das so augenfällig, wie in den vergangenen zwölf Tagen. So lange schon geht nämlich das Gerücht um, man habe endlich ein wirksames Medikament gegen die Alzheimersche Demenz gefunden.

Keine Heilung zwar, eher eine schwache Bremse für den geistigen Verfall. Aber im Angesicht von zig Millionen Betroffenen und ihre Angehörigen trotzdem eine ungeheuerliche Mitteilung. Denn bislang ließ sich gegen den brutalen Niedergang des Gehirns schlicht gar nichts ausrichten. Und genau das ist der Boden, auf dem falsche Hoffnungen gedeihen. Wenn sie gestreut werden.

Man muss ein paar Schritte zurücktreten, um zu erahnen, wie es zu so einem ungeheuren Fehltritt kommen kann. Alzheimer ist eine Krankheit, von der noch immer niemand weiß, wie sie entsteht. Es gibt zwei Hypothesen. Die populäre sagt, das Nervengewebe würde von außerhalb der Zellen zerstört, durch Eiweißmüll, der im Hirn zu Plaques verklumpt. Auf Basis dieser Amyloid-Hypothese wurden schon viele Therapien erforscht. Unter anderem ein Antikörper, der den Müll abräumen soll. Er heißt Solanezumab, kurz "Sola". Leider hilft er nicht. Das hat eine ordentliche Studie an 2052 Demenzpatienten vor drei Jahren eindrücklich gezeigt.

"Sola" soll den Eiweißmüll im Kopf beseitigen

Doch wenn in so einen Flop schon Milliarden investiert wurden: Wer mag da einfach aufgeben? Finanziert vom Pharmahersteller Eli Lilly suchten die Wissenschaftler in den Daten der Studie nochmals nach Hinweisen. Sie fanden etwas, das sich vielleicht doch als Effekt deuten ließ.

Also setzten sie die Studie weitere zwei Jahre fort, aber nur mit Patienten, die milde Symptome einer Alzheimerdemenz hatten. Und es gab keine Kontrollgruppe, die einen Placeboeffekt ausschließt. Die zweite Gruppe begann bloß später mit der Therapie. Man verglich die Therapie also mit sich selbst. Und streute unter Kollegen bald die unerwartete Kunde vom Erfolg: Um ein Drittel langsamer sei der geistige Abbau dank "Sola".

Wie das? Einen Nachweis blieben die Forscher zunächst schlicht schuldig. Es gab nur das Gerücht. Geraune. Bis vor zwei Tagen, als die Nachricht schon einmal den Erdball umkreist und längst die Patientengemüter aufgewühlt hatte. Als die Studie am Donnerstag publiziert wurde, zeigte sie dabei nur, wie schwach die Belege für eine Wirkung von "Sola" bleiben. Und sie stellte einmal mehr unter Beweis, wie gefährlich das Spiel mit der Hoffnung in der Medizin ist. Auch für die Medizin selbst. Denn welcher Kranke vertraut schon gern Gerüchteköchen?

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