Emmerich Müller:Ohne Champagner und Heliskiing

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Der persönlich haftende Gesellschafter der Privatbank Metzler spricht über die Besonderheiten seines Hauses und die Herausforderungen der Branche.

Interview von Meike Schreiber und Katharina Wetzel

Das Bankhaus Metzler ist seit 1674 in Familienbesitz. Es hat Krisen, Kriege und Währungsreformen überdauert und auch die jüngste Finanzkrise ohne Skandale überstanden. Welche Strategie es dafür braucht und warum er keine Angst hat, die junge Kundschaft zu verlieren, sagt Partner Emmerich Müller im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung.

SZ: Griechenland-Krise, Turbulenzen an Chinas Börsen. Wir leben in aufregenden Zeiten. Rufen Ihre Kunden in diesen Tagen häufiger an?

Emmerich Müller: Was wir jetzt erleben, führt natürlich immer wieder zu Rückfragen, aber nicht zu Unruhe. Wir versuchen unseren Kunden genau zu erklären, worauf es bei der Geldanlage wirklich ankommt. Was sind die Themen, die langfristig eine Rolle spielen? Da geht es um den Vermögenserhalt über Generationen. Risiken für Vermögen ergeben sich aus dem persönlichen Umfeld, aus inflationären oder deflationären Prozessen und aus politischen Entscheidungen oder gesellschaftlichen Entwicklungen.

Woher kommt die größte Bedrohung?

Die gesamte westliche Welt hat über lange Zeiträume enorme Schuldenbestände aufgebaut, und wir haben gleichzeitig in Europa mit wenigen Ausnahmen wie etwa Frankreich eine schrumpfende Bevölkerung. Das ist ein strukturelles Problem. Die Schulden, die wir über Jahrzehnte aufgebaut haben, sind nicht tragfähig und die Sozialversicherungssysteme sind überfordert. Das haben wir im Grundsatz in allen westeuropäischen Ländern - nicht nur in Griechenland. Die entscheidende Frage ist, wie Gesellschaften damit künftig umgehen.

Notenbanken haben seit der Finanz krise die Märkte mit Geld geflutet. Gibt es längerfristig wieder attraktive Zinsen?

Wir erwarten nicht, dass wir in nächster Zeit wieder Zinsniveaus sehen, bei denen das eingegangene Risiko ausreichend vergütet wird. Bei Bundesanleihen im fünfjährigen Laufzeitbereich verliert man ja schon Geld. Die Rendite ist negativ.

Sehen Sie derzeit Inflationsrisiken?

Aktuell nicht, aber ich sehe das Potenzial für inflationäre Tendenzen. Ich erwarte, dass wir langfristig relativ niedrige Zinsen behalten. Die Inflation wird dabei nicht das Niveau wie in den Siebziger- oder Neunzigerjahren erreichen, aber Anleger verlieren dann Geld, wenn die Inflationsrate höher ist als der Zins.

Was tun Sie in diesem Umfeld, um negative Renditen zu vermeiden?

Wir haben in den letzten Jahren sukzessive die Aktienquote in unseren gemischten Portfolios erhöht.

Welches Mischverhältnis haben die Portfolios Ihrer Kunden?

Wir sind heute bei Aktienquoten von 60 bis 80 Prozent. Allerdings halten wir immer eine bestimmte Quote in Renten und Barmitteln. In einem deflationären Umfeld ist es entscheidend, über Nominalvermögen zu verfügen, da Sachvermögen an Wert verliert.

Und dann können Sie die Portfolios so schnell umschichten?

Wir investieren nur in liquide Vermögenswerte, die man börsentäglich handeln kann.

Wie wählen Sie die Titel aus?

Wir analysieren den fairen Wert einer Aktie. Entscheidend ist weiterhin die Geschäftsstrategie und die Qualität des Managements. Wenn wir von einem Unternehmen überzeugt sind und die Aktie für unterbewertet halten, kaufen wir sie und halten sie oft viele Jahre. Und ob der Kurs der Aktie in der Zwischenzeit schwankt, ist für unsere Anlageentscheidung nicht relevant. Wichtig ist nur, dass wir keine fehlbewerteten Titel im Portfolio haben.

Zuletzt lagen Sie mit der Strategie ja richtig . . .

Klar, wenn die Aktienmärkte steigen, sollten wir in der Größenordnung dabei sein. Das erste Ziel ist aber immer der Vermögenserhalt.

Eine positive Performance ist nicht das primäre Ziel?

Nein, aber im Durchschnitt der vergangenen Jahre konnten wir mit unseren gemischten Portfolios durchweg positive Renditen erzielen und damit die verwalteten Vermögen nicht nur erhalten, sondern auch mehren.

Das Gemälde von Carl Theodor Reiffenstein von 1849 zeigt das alte Bankhaus Metzler an der Großen Gallusstraße 18 in Frankfurt. (Foto: Metzler)

Wie soll man sein Geld anlegen, wenn man nicht die Mittel für eine Vermögensverwaltung bei Metzler hat?

Sie können auch mit kleinen Beträgen vernünftig in Investmentfonds anlegen. Es wäre nur wichtig, dass Sie es langfristig tun.

Warum Fonds? Sie bieten diese im Private Banking ja nicht an, oder?

Im Private Banking investieren wir ausschließlich in Aktien, Renten und Cash. Diese Anlageformen sind liquide, börsentäglich handelbar und absolut transparent. Wir investieren nicht in Hedge-Fonds, Private Equity, Film-Fonds, Steuer-Sparmodelle. Die liquideste Anlageform ist klassischerweise die Aktie. Eine Allokation in einzelne Aktien macht aber nur Sinn ab einer bestimmten Größenordnung. Für kleinere Vermögen bieten sich Aktienfonds an.

Wie viel kostet die Vermögensverwaltung?

Das ist abhängig von der Art und Größe der Vermögensverwaltung. Für drei Millionen Euro sind es etwa 1,2 Prozent des zu verwaltenden Volumens.

Wie viel Vermögen verwalten Sie im Private Banking?

Wir veröffentlichen die Zahlen nicht, weil jeder Anbieter sein verwaltetes Vermögen anders berechnet. Oft werden Äpfel mit Birnen verglichen. Und man muss sich fragen, welchen Mehrwert der Kunde von oftmals falschen Vergleichen hat.

Branchenexperten sagen, ein Haus brauche 20 bis 30 Milliarden Euro, um profitabel zu sein.

Die Profitabilität hängt in erster Linie von der Kostenstruktur und dem Dienstleistungsspektrum ab. Unser Dienstleistungsangebot ist sehr fokussiert und wir sind gewohnt, auf die Kostenentwicklung zu sehen. Daher können wir als Privatbank profitabel arbeiten.

Das Bankhaus Metzler hat Krisen, Kriege und Währungsreformen überdauert. Welche Strategie braucht es dazu?

Es ist wichtig, dass man eine konsistente Geschäftsstrategie entwickelt und die Disziplin hat, diese auch durchzuhalten. Entscheidungen sollte man weder in Phasen der Panik noch der Euphorie treffen.

Die regulatorischen Anforderungen und die Kosten im Private Banking steigen. In welchen Bereichen sparen Sie?

Wir profitieren davon, dass wir unser Leistungsspektrum so klar definiert haben und uns auf die Vermögensverwaltung konzentrieren. Wir machen keine Testamentsvollstreckung, auch keinen Kunsthandel oder Beratung mit dem ganzen Wahnsinn von Beratungsprotokoll. Die Kostenfrage ist in erster Linie eine Frage der strategischen Ausrichtung. Je mehr Themenbereiche sie abdecken, desto größer ist ihr Fixkostenblock.

Dennoch steigen die Koste n . . .

Da wir eine erfreuliche Geschäftsentwicklung haben, können wir auch mit den steigenden Kosten umgehen. Wir wachsen kontinuierlich. Verantwortlich mit unserem eigenen Geld umzugehen, gehört für uns genauso dazu, wie ein vernünftiger Umgang mit dem Geld, das uns Kunden anvertrauen. Wir haben keine Lear-Jets. Und wir machen auch nicht Champagner und Heliskiing. Das ist nicht Metzler-Art.

Wie bewerten Sie den Verkauf von Hauck & Aufhäuser an Fosun?

Das ist eine echte Chance für Hauck & Aufhäuser. Ich freue mich für jede Bank, die erhalten bleibt. Für die chinesischen Investoren ist es sicher wertvoll, neben einer Bankzulassung eine bestehende Organisation vorzufinden. Andere Wettbewerber, etwa deutsche, würden am liebsten nur die Kunden und die Berater übernehmen und die übrige Infrastruktur schließen. Früher haben sich auch ausländische Banken eingekauft, die in Deutschland ihr Geschäft aufbauen wollten . . .

. . . das ist oftmals gescheitert . . .

. . . weil manchmal unterschätzt wurde, wie langfristig unser Geschäft ausgerichtet sein muss. Zudem sind seit der Finanzkrise die Eigenkapitalerfordernisse noch gestiegen.

Apropos Eigenkapital. Müssten die Eigenkapitalquoten höher sein?

Hohes Eigenkapital halte ich für wichtig. Die reine Höhe der Quoten ist mittlerweile ausreichend. Nicht zufriedenstellend ist allerdings die Art und Weise, wie die Quoten bemessen werden. Die Annahme, dass Staatsanleihen risikolos seien, ist Selbstbetrug. Es wäre dringend an der Zeit, dies zu beenden. Was nützt es uns, wenn die Quoten in Griechenland hoch sind, aber die griechischen Banken neben ihren vielen schlechten Krediten noch griechische Staatsanleihen halten, und ihr Eigenkapital gedeckt ist durch Forderungen gegen den eigenen Staat?

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(Foto: Metzler)

Emmerich Müller, 58, arbeitet seit 15 Jahren für das Bankhaus Metzler. Seit 2005 ist er persönlich haftender Gesellschafter der Bank. Zudem ist er Vorstandsvorsitzender des hessischen Bankenverbandes.

Haben Sie schon mal Kunden verloren, weil das Metzler-Angebot nicht ausreichte?

Unsere Kunden haben natürlich auch noch andere Bankverbindungen. Entscheidend ist für unser Geschäft, dass man im Vorfeld die gegenseitigen Erwartungen bespricht, damit es im Laufe der Geschäftsbeziehung keine Enttäuschungen gibt. Darauf verwenden wir viel Zeit und Energie. Nichts ist schlimmer als ein enttäuschter Kunde.

Was tun Sie, damit die junge Erbengeneration Ihnen treu bleibt?

Die heutigen Erben sind meist um die 50 und haben in der Regel die gleichen Erwartungen wie ihre Eltern. Vermögenserhalt und langfristig eine positive Rendite.

Zu Lebzeiten wird kein Vermögen übertragen?

Doch, das kommt vor und macht auch sehr viel Sinn im Hinblick auf die Erbschaftsteuer, aber das bedeutet nicht, dass die Eltern an ahnungslose Kinder Vermögen übertragen. In der Regel sind die Kinder auf die mit der Geldanlage verbundenen Fragestellungen vorbereitet.

Viele Erbschaften enden im Familienstreit. Haben Sie schon Kunden dadurch verloren?

Ehescheidungen oder Erbstreitigkeiten können ein Vermögen gefährden und das passiert natürlich auch bei unseren Kunden.

Haben Sie einen Tipp, um Streit vorzubeugen?

Gute Verträge und Testamente sind schon mal ein technisches Hilfsmittel, aber das entscheidende ist die Vermittlung von Wertvorstellungen an die betreffenden Menschen. Da reden die Kunden schon auch mal mit uns.

Bieten Sie Ihren Kunden auch digitale Zugangswege zur Bank?

Für uns steht Datensicherheit an erster Stelle. Die Kunden können seit 15 Jahren über das Internet ihr Reporting bekommen, aber nicht als mobile App. Solange wir nicht das Gefühl haben, wir können das Sicherheitsrisiko auf einem mobilen Gerät beherrschen, werden wir es nicht anbieten. Für den Selbstentscheider spielen die Digitalisierung und entsprechende Plattformen eine Rolle, aber wir haben diese Kunden nicht.

Viele Millionärskinder haben selbst eine Finanzausbildung. Berater glauben stark an die Zielgruppe der Selbstentscheider. Warum glauben Sie, dass Vermögensverwaltungsmandate Zukunft haben?

Auch gute Anwälte beschäftigen für bestimmte Fachgebiete andere Anwälte. Inhaber großer Vermögen haben in der Regel den Wunsch, zu delegieren, und unterliegen viel weniger dem Irrtum, sie könnten alles besser.

Wollten Sie schon immer Banker werden?

Ich dachte ursprünglich, ich studiere Jura, Weinbau oder Lehramt. Während der Bundeswehrzeit habe ich mich dann entschieden, Jura zu studieren. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in einer Bank arbeiten würde. Ich wollte damals eigentlich Richter oder Anwalt werden.

Es heißt, Friedrich von Metzler habe lange um Sie werben müssen.

Friedrich von Metzler kannte mich schon lange vor meiner Tätigkeit für seine Bank. Ich arbeitete in dieser Zeit für die BHF-Bank und hatte dort gute Perspektiven.

Was hat Sie letztlich bewogen, zum Bankhaus Metzler zu gehen?

Ich schätze bei Metzler die großen Gestaltungsmöglichkeiten.

Ihre Eltern waren Weinbauern. Sehen Sie Parallelen zu Ihrer Arbeit im Bankbereich?

Ja. Der Begriff Nachhaltigkeit etwa kommt ursprünglich aus dem Bereich der Land- und Forstwirtschaft. So versucht jeder gute Landwirt, sein Land langfristig fruchtbar zu halten. Dieses längerfristige Denken über Generationen hinweg prägt auch unsere Arbeit im Bankgeschäft ganz wesentlich.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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