Handball:Verband vor Zerreißprobe

Bob Hanning

Vor der Zerreißprobe: Bob Hanning, Vize-Präsident Leistungssport beim DHB.

(Foto: Jens Wolf/dpa)

Um den Leistungssport-Vizepräsidenten Bob Hanning zu entmachten, greifen vier Landesverbände zum Äußersten: Sie wollen das komplette Präsidium stürzen. Nicht wenige sprechen von "Irrsinn".

Von Joachim Mölter

Machtkampf, Zerreißprobe, Chaostage, Schlammschlacht - egal, wie man das nennen mag, was sich gerade im Deutschen Handballbund (DHB) abspielt, "es ist alles nicht gut", findet Uwe Schwenker, der als Präsident der Handball- Bundesliga (HBL) auch einen Sitz im DHB-Präsidium hat. Und zwar einen, den man ihm nicht so leicht entziehen kann, wie er betont: "Die Vertreter der Männer- und Frauen-Bundesliga können sie nicht einfach abwählen." Die werden nämlich von ihren Organisationen entsandt.

Die restlichen Mitglieder des DHB-Präsidiums sollen jedoch beim außerordentlichen Bundestag am 26. September in Hannover abgewählt werden, nach erst der Hälfte ihrer auf vier Jahre festgelegten Amtszeit. Das hat zumindest der Landesverband Württemberg beantragt, fristgerecht an diesem Wochenende und abgestimmt mit drei weiteren Landesverbänden - Bayern, Hessen und Niedersachsen. Weil der Bundestag einberufen worden ist, um einen Nachfolger für den im März zurückgetretenen Präsidenten Bernhard Bauer zu küren, beschwören die vier Verbände die Kopflosigkeit des DHB herauf. "Irrsinn", findet Berndt Dugall, Chef der Frauen-Bundesliga (HBF).

Heiner Brand begrüßt den Plan. Das verrät das wahre Ziel

Im Grunde, darin sind sich nicht nur die Ligen-Vertreter Schwenker und Dugall einig, gehe es bei der Geschichte ja nur um einen Kopf - den von Bob Hanning, dem Vizepräsidenten Leistungssport. Wegen dem ist Bauer zurückgetreten; er hatte Hanning mangelnde Teamfähigkeit vorgeworfen, weil der immer mal wieder vorgeprescht war mit seinen Ideen.

Die übrigen Präsidiumsmitglieder hatten noch versucht, einen Kompromiss zwischen Bauer und Hanning herbeizuführen. Schließlich hatte das Duo seit dem Amtsantritt im September 2013 gemeinsam schon viel bewegt und vor allem der Männer-Auswahl nach diversen verpassten Turnieren wieder eine Perspektive in Richtung Weltspitze beschert. Als klar gewesen sei, dass Bauer nicht umzustimmen war, sagt Schwenker, "gab es eine eindeutige Erklärung des Präsidiums, dass es zu Hanning steht". Daran habe sich aus Sicht der Liga-Organisationen auch nichts geändert.

Mit seiner forschen Art hat sich Hanning allerdings nicht nur Freunde im DHB gemacht. Das Verhältnis des ehemaligen Bundestrainers Heiner Brand zu seinem früheren Assistenten ist beispielsweise bis zur Frostgrenze abgekühlt. Dass Brand nun der FAZ sagte, er "begrüße die Initiative der Landesverbände ausdrücklich", kann man wohl als Indiz dafür werten, dass Hanning tatsächlich das Ziel des Umsturz-Versuches ist. Der Antrag kommt ja sicherlich auch nicht zufällig aus Württemberg, Bauers Heimatverband.

Der ehemalige Spitzenbeamte hat sich seit seinem Rücktritt öffentlich nicht geäußert; es heißt aber, dass er zur Rückkehr ins Amt bereit sei - sofern Hanning aus dem Präsidium entfernt ist. Hanning selbst sagt zu den jüngsten Ereignissen: "Mobbing ist das eine, aber was die machen, ist ja schon Bobbing."

Württembergs Verbandschef Hans Artschwager erklärt, bei dem Antrag gehe es nicht nur um "Vergangenheitsbewältigung", also den Konflikt zwischen Bauer und Hanning, sondern auch um die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten. Eine Findungskommission des DHB hat Andreas Michelmann vorgeschlagen, den bisherigen Vize für Amateur- und Breitensport. Artschwager sagt, es gebe "unterschiedliche Meinungen zum Vorgehen und zum Kandidaten", und dass "ein reinigendes Gewitter notwendig ist, wenn Wolken aufgezogen sind".

Ein reinigendes Gewitter sollte es werden. Nun droht ein Orkan

Nun hat er aber mit dem Antrag einen Orkan ausgelöst, der den Verband schwer zu beschädigen droht. In der sechsköpfigen Findungskommission saßen ja auch vier Vertreter der Landesverbände, und deren Votum sei einstimmig für Michelmann ausgefallen, heißt es. Das deutet auf einen Riss unter den Regionalvertretern hin. "Der Handball wird kaputt gemacht", glaubt Berndt Dugall. "Egal, wie es ausgeht, das wird über lange Zeit nicht mehr zu kitten sein", sagte er dem Sportinformationsdienst. Schwenker findet, dass nun alle Präsidentschaftskandidaten beschädigt sind - auch Bauer, falls der ins Amt zurückstrebe: "Er hat immer gefordert, dass persönliche Interessen hinten anstehen. Wenn er zurückkommt, wäre das genau das Gegenteil." Andreas Michaelmann verweist darauf, dass jeder Landesverband Kandidaten vorschlagen konnte; der Name Bauer war offensichtlich nicht dabei: "Aber wenn man das will, muss man es offen sagen und nicht so hinterhältig."

Württembergs Chef Artschwager hat ein Treffen aller Landesverbände einberufen, um das weitere Vorgehen zu diskutieren. Schwenker findet das prinzipiell gut, er hofft, "dass in der Aussprache noch die Vernunft siegt". Artschwager signalisiert zumindest die Möglichkeit, "vor der Abstimmung in Hannover noch in zwei, drei Gesprächsrunden zu gehen und andere Lösungen zu finden". Er bittet darum, nicht noch weiter Öl ins Feuer zu gießen, aber er klingt dabei wie jemand, der gezündelt hat und nun erschrocken merkt, dass es brennt.

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