ARD-Doku:Was hatten die Leute bloß gegen Strauß?

Der Primus - Franz Josef Strauß

Gespielte Geschichte: Bernhard Ulrich als Franz Josef Strauß.

(Foto: BR)

Intelligent, tatkräftig, aber auch sensibel. So zeichnet eine TV-Doku CSU-Übervater Franz Josef Strauß. Aber stimmt diese Geschichtsdeutung?

Von Hans Holzhaider

Fast 27 Jahre ist es her, dass Franz Josef Strauß, 73 Jahre alt, während einer Hirschjagd in der Nähe von Regensburg bewusstlos zusammenbrach und zwei Tage später starb. Wer damals schon alt genug war, um sich für Politik zu interessieren, geht heute mindestens auf die 50 zu. Demnächst steht Strauß' 100. Geburtstag an. Grund genug also, noch einmal einen Blick zu werfen auf das Leben dieses Politikers, der so geliebt und gehasst wurde wie kaum ein zweiter in Deutschland.

Werner Biermann hat Erfahrung mit diesem Stoff. Er hat 2006 eine Strauß-Biografie veröffentlicht, die damals nicht enthusiastisch, aber doch respektvoll besprochen wurde. Das Problem ist nur: Es gibt nicht Neues zu berichten über Strauß. Andererseits ist das aber für moderne Filmemacher kein allzu großes Problem, denn es ist ja üblich geworden, Dokumentationen mit Spielszenen aufzupolieren.

In Der Primus werden wir also Zeuge, wie der kleine Franz Josef in der väterlichen Metzgerei am Fleischwolf steht, wie er vom Vater eine Watschn kassiert, weil er in kindlichem Unverstand ein Nazi-Flugblatt ausgetragen hat, und wie der von der Ostfront heimgekehrte Oberleutnant Strauß in Schongau einen SS-Schergen daran hindert, einen Deserteur aufzuhängen. Das mag sich alles so, oder wenigstens so ähnlich zugetragen haben; genau kommt es darauf ja auch nicht an.

Der Film macht uns nicht klüger

Wenn wir dagegen miterleben dürfen, wie Franz Josef Strauß in der Nacht, in der die Polizei die Redaktion des Spiegel besetzt, bei Adenauer anruft und von diesem carte blanche erhält, den stellvertretenden Chefredakteur Conrad Ahlers - widerrechtlich - in Spanien verhaften zu lassen, dann wüsste man schon gern, aus welcher Quelle der angebliche Wortlaut dieses Telefonats stammt (Adenauer: "Machen se, was se für richtig halten"). Wie edel von Strauß, denkt man sich, dass er den Alten nie verpetzt hat und stattdessen tapfer selbst die Konsequenzen trug. Aber ob die Geschichte auch stimmt? Oder ob Strauß sie nur so kolportiert hat? Wir wissen es nicht, und Biermanns Film macht uns nicht klüger.

Er lässt uns auch allein mit der Frage, warum so viele Menschen so leidenschaftlich gegen Strauß agitiert haben. Gut, einmal hat er das Parlament belogen. Und einmal hat er einem alten Spezl einen lukrativen Posten als Deutschland-Repräsentant des US-Konzerns Lockheed verschafft. Aber im Großen und Ganzen war er doch, das lernen wir aus Biermanns Film, ein intelligenter, tatkräftiger, aber auch sensibler Politiker und ein liebevoller Familienmensch.

Großer Franz Josef statt kleiner Franz Josef

Und dann sieht man immer wieder diese hassverzerrten Gesichter der Demonstranten mit ihren Stoppt-Strauß-Schildern. Was hatten die Leute bloß gegen ihn? Alles nur ideologische Wirrköpfe?

Vielleicht hätte man, statt den kleinen Franz Josef am Fleischwolf doch eher den großen Franz Josef etwa bei seiner Sonthofener Rede (". . .und wenn wir hinkommen und räumen so auf, dass bis zum Rest dieses Jahrhunderts von diesen Banditen keiner mehr wagt das Maul aufzumachen") oder beim Ausmauscheln des DDR-Milliardenkredits mit Schalck-Golodkowski zeigen sollen. Es hätte das Bild ein wenig abgerundet.

Der Primus, ARD, 22.50 Uhr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: