Steuerbetrug:Geld, Gier und Eitelkeit

Steuerbetrug: Daten aus der Privatbank Julius Bär in Zürich wurden verkauft.

Daten aus der Privatbank Julius Bär in Zürich wurden verkauft.

(Foto: Reto Andreoli/Bloomberg)

Die Berner Bundesanwaltschaft hat gegen einen ehemaligen Berliner Steuerfahnder einen Strafbefehl wegen Beihilfe zum Datenklau erlassen. Er hatte Informationen an deutsche Behörden verkauft.

Von Hans Leyendecker

Die Staatsschutzstelle der Berner Bundesanwaltschaft hat gegen einen pensionierten Berliner Steuerfahnder einen Strafbefehl wegen "Gehilfenschaft zu qualifiziertem wirtschaftlichem Nachrichtendienst" und wegen Geldwäscherei erlassen. Der 68-Jährige hatte vor Jahren dem IT-Fachmann Lutz Otte geholfen, Daten deutscher Steuerbetrüger, die ihre Konten bei der Privatbank Julius Bär hatten, für 1,1 Millionen Euro an Finanzbehörden in Nordrhein-Westfalen zu verkaufen.

Der Strafbefehl, der im vorigen Monat ausgestellt wurde, ist bereits rechtskräftig, und die Strafe fiel eher symbolisch aus: Der deutsche Ex-Beamte soll, wie Recherchen des Zürcher Tagesanzeigers und der Süddeutschen Zeitung ergaben, 12 600 Franken bezahlen. Die ohnehin geringe Summe wird nur dann fällig, wenn er in den nächsten zwei Jahren in der Schweiz in ähnlicher Weise straffällig werden sollte. Das Wort Peanuts wäre eine Übertreibung.

"Ich habe die Nase gestrichen voll", sagt dennoch der Ex-Steuerbeamte. "Nie wieder würde ich so etwas machen." Mit Otte sei er "fertig": "ein Gernegroß, eine schillernde Figur". Auch das Wort "Gauner" kann er sich nicht verkneifen.

Der heute 56-jährige IT-Experte Otte, der 2013 in der Schweiz zu drei Jahren Haft verurteilt worden ist, hatte den deutschen Ex-Beamten als Mittelsmann eingeschaltet, um die Daten, die er aus einem Großrechner gezogen hatte, an die deutsche Finanzverwaltung zu verkaufen. Es ist eine komplizierte Geschichte aus dem Milieu, und sie verrät ein bisschen über Geld, Gier, Eitelkeit und auch über die deutsche Finanzbürokratie.

25 Jahre lang hatte der ehemalige Berliner Finanzbeamte als Steuerfahnder gearbeitet, und es waren meist kleine Fälle: "Berlin war früher eine arme Stadt." Wenn im Bankenbereich mal etwas Großes in die Hauptstadt kam, stammten die Unterlagen von Steuerbehörden in Nordrhein-Westfalen. Dann lernte er Otte kennen, und der Ex-Steuerfahnder hoffte, "mal selbst einen riesigen Millionenfall ins Rollen bringen zu können". Das Finanzministerium zeigte, als er dort nachfragte, kein Interesse an den angebotenen Daten. Der Frührentner wurde an Stellen in Nordrhein-Westfalen verwiesen - die machten so etwas. Der Fall landete schließlich bei der Steuerfahndung Münster.

Der ehemalige Berliner Finanzbeamte fuhr nach Westfalen, er brachte Datensätze vorbei, hielt den Kontakt. Das Geld für Otte nahm er auch entgegen. Als "Spesen" nahm er sich, so steht es im Strafbefehl, "ein Bündel 50-Euro -Noten" und "eine Anzahl 100-Euro-Noten". Insgesamt, so schätzen die Schweizer, waren es etwa 10 000 bis 12 000 Euro. "Das hätte ich nicht machen sollen", sagt der Ex-Beamte, der unter Zusicherung freien Geleits in Zürich ausführlich zu seinem Fall ausgesagt hatte. Zuvor hatten die Schweizer Behörden gegen ihn einen Haftbefehl erlassen.

Es mache ihn "fassungslos", sagt er, was IT-Fachmann Otte über ihn erzählt habe. Lutz Otte hat nach der Haftentlassung seinen Fall vermarktet. Ein Buch hat er geschrieben; er war die Hauptfigur in einer Fernsehdokumentation über den "großen Steuerbetrug" und er hat auch einige Interviews gegeben. In einem der Interviews behauptete er, sein Komplize, der Ex-Finanzbeamte, habe 15 Prozent Provision verlangt und bekommen. Das wären über hunderttausend Euro gewesen. "Erfunden", behauptet der Ex-Beamte.

Für die Behauptung Ottes, der Steuerbeamte habe ihm auch geholfen, aus dem Erlös des Datenverkaufs 680 000 Euro Steuerschulden in Deutschland zu begleichen, fand die Berner Bundesanwaltschaft keinen Beleg. Sie ließ den Vorwurf der Anstiftung zur Verletzung des Bankgeheimnisses gegen den früheren Steuerfahnder fallen. Auf die Frage, was er aus alledem gelernt habe, sagt der Ex-Fahnder: "Nicht jeder, der Whistleblower genannt wird, ist einer." Auch wäre es besser gewesen, bei einer "solchen Geschichte nicht selbst in Erscheinung zu treten".

Der sanfte Strafbefehl gegen einen deutschen Steuerfahnder mag dennoch für manchen Schweizer Ermittler Genugtuung sein. Vor drei Jahren hatte die Berner Bundesanwaltschaft gegen drei aktive Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen im Zusammenhang mit dem Fall Credit Suisse ein ähnliches Verfahren eingeleitet. Drei nationale Haftbefehle wurden erlassen. Die drei Ermittler reisen seitdem nicht mehr in die Schweiz, aber sie mischen weiter Schweizer Banken auf. Und das Verfahren ist in der Schublade gelandet.

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