Fifa:"Brutal offen"

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Hat schon so einiges durchgestanden: FIFA Generalsekretär Jerome Valcke, hier bei der WM-Qualifikationsauslosung in Sankt Petersburg, Russland. (Foto: Dennis Grombkowski/Getty)

Weiter Unruhe in der Fifa: Generalsekretär Valcke steht vor dem Aus, Präsident Blatter lässt die Anwälte drohen - und Panama fühlt sich beim Gold Cup bestohlen.

Von Thomas Kistner, München

Nun sind die schönen Tage in St. Petersburg vorüber. Sepp Blatter ist zurück in seinem Schweizer Zufluchtsort. Wie auch sein Adlatus Jérôme Valcke - der allerdings verabschiedet sich quasi schon in den Vorruhestand: Er glaube nicht, dass er nach Blatters Abgang im Februar 2016 noch Fifa-Generalsekretär sei, sagte der Mann, der so viele Geheimnisse mit dem Weltverbandsboss teilt. "Wäre ich der nächste Fifa-Präsident, würde ich mir einen neuen Generalsekretär suchen", sagte Valcke gerade in Russland.

Denkbar sind auch andere Motive für Vackes flotten Rückzug. Der Franzose kann ja nicht ausschließen, dass ihn die Ermittlungen von US-Justiz und Schweizer Behörden rund um die diversen Fifa-Skandale noch persönlich erreichen. Ansätze gäbe es viele, angefangen mit den zehn Millionen Dollar "Entwicklungshilfe", die der finanzklamme WM-Veranstalter Südafrika 2008 ganz dringend in die Karibik schicken musste und die direkt aus Valckes Fifa-Haus an Jack Warner geflossen sind, die Zentralfigur im karibischen Korruptionssumpf. Auch seinen Rauswurf als Fifa-Marketingchef wegen seiner tragenden Rolle im Sponsoring-Skandal 2006 (die Fifa bootete den langjährigen Kreditkarten-Partner Mastercard zugunsten von Marktrivale Visa aus) hatte Valcke auf ungewöhnliche Art überlebt: Monate nach der Affäre, die die Fifa 100 Millionen Dollar kostete , war der von der US-Justiz damals als "Lügner" gerügte Valcke wieder da: als Blatters Generalsekretär.

Niersbach bestätigt: Fifa-Anwälte machten Ernst der Lage klar

Jetzt ist er nur noch ein Schatten. Nach dem Vorstandstreffen vergangene Woche in Zürich saß Valcke nicht mehr an Blatters Seite vor der Presse. Vieles deutete darauf hin, dass der 79-jährige Blatter fieberhaft sein Haus zu bestellen versucht, ehe Anfang 2016 sein Nachfolger gewählt wird. Die gefühlt hundertste hausinterne Reform, die er diesmal ankündigte, hatte Blatter auf typische Art durchgedrückt. Kaum war die Exekutive in Zürich versammelt, darunter Widersacher Uefa-Chef Michel Platini und Gefolge - da schickte Blatter die US-Kanzlei Quinn Emmanuel in den Ring. Ein Juristen-Trio beeindruckte die Vorstände mit seiner Darlegung des Ungemachs, das Fifa und Funktionären aus all den laufenden Ermittlungen erwachsen könnte, und motivierte sie, auf Blatters neuesten Reform-Trip zu gehen. "Ich kann bestätigen, dass uns die von der Fifa beschäftigten Anwälte zur Lage vortrugen", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach der SZ. Aus Teilnehmerkreisen hieß es, die US-Anwälte seien "brutal offen" gewesen. Sie hätten den wachsenden Druck der Sponsoren Coca-Cola und McDonald's thematisiert, und dazu auch ihre Befürchtung, dass der in die USA überstellte Fifa-Vize und Blatter-Intimus Jeffrey Webb "als Kronzeuge auspacken" werde.

Tage später, als Blatter und Russlands auch nicht unumstrittener Präsident Wladimir Putin einander in St. Petersburg den Rücken stärkten, ging in den USA der nächste Fifa-Topsponsor auf Distanz: Bei der Quartals-Bilanzkonferenz erklärte Visa-Vorstandschef Charlie Scharf, die jüngsten Reformschritte seien "völlig unzureichend" und offenbarten nur den "Mangel an Bewusstsein dafür, wie weitreichend die Veränderungen sein müssen". Ohnehin könne es unter der alten Führung keine Erneuerung geben.

Zwei Elfmeter für Mexiko: Panama protestiert gegen "Diebe"

Offenbar hat sich Blatter, auch mit Hilfe der neuen US-Anwälte, vor allem intern Spielraum verschaffen wollen. Selbst kritische Vorstände waren nach der Fifa-Sitzung überzeugt, dass "wir den Behörden rasch etwas vorzeigen müssen". Indes dürfte die US-Justiz kaum glauben, dass der die Fifa seit 34 Jahren regierende Blatter der richtige Erneuerer ist. Und Fifa-interne Integritäts-Checks, wie sie Blatter nun vorschweben, dürften auch keinen Einfluss auf laufende Strafermittlungen haben. So weist der Aktionismus eher in die Zeit nach Blatter. Als Kandidat für Valckes Nachfolge wird Blatters Compliance-Chef Domenico Scala gehandelt, der - trotz großer medialer Bemühungen - bisher kein klares Profil als Fifa-Aufräumer besitzt. Gleiches gilt für Blatters Getreue in seiner vielbelächelten Ethikkommission.

Dieses Gremium steht schon vor der nächsten Herausforderung. Beim Gold Cup in den USA, dem Kontinentalturnier des Nord-/Mittelamerikaverbandes Concacaf, erhob Panamas Verbandschef Pedro Chaluja den Vorwurf, sein Team sei beim 1:2-Halbfinal-K.o. gegen Mexiko dafür abgestraft worden, dass Panama bei der letzten Fifa-Wahl "nicht für Blatter votiert" habe. Das berichtet die New York Times. US-Referee Mark Geiger hatte nach 25 Minuten Panamas Luis Tejada vom Feld gestellt und kurz vor Schluss einen fragwürdigen Handelfmeter gepfiffen - Mexikos Last-Minute-Ausgleich. Ein zweiter Strafstoß verhalf zum 2:1-Sieg. Panamas Kicker posierten danach vor der Presse mit Spruchbändern, auf denen sie die bis vor kurzem von Webb geführte Concacaf als korrupte "ladrones" attackierte: Diebe. Arbeit für Blatters Ethiker.

© SZ vom 27.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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