Kajak:Heimvorteil für alle

Kanuslalom Weltcupfinale

Augsburg als Heimat: Sebastian Schubert, 27, hier beim Weltcup-Finale 2014, mag nicht nur den Eiskanal, sondern auch die Stadt.

(Foto: Stefan Puchner/dpa)

Bei der deutschen Meisterschaft in Augsburg treffen sich gute Bekannte, die dort regelmäßig gemeinsam trainieren.

Von Philipp laberenz

Sitzen oder Knien? In Augsburg ist das eine Glaubensfrage. Wer sich für das eine entscheidet, kann dem anderen nichts abgewinnen. In trauter Abneigung beäugen sich Kajak und Canadier, nehmen jeder für sich in Anspruch, die Krone der Schöpfung des Kanusports zu sein, die "Königsklasse", doch wer sich einmal in die harte Kunststoffhülle dieser schmalen Kanus gezwängt hat, dem fällt die Antwort leicht: gleich ob sitzend oder kniend, ein Kanu ist weder bequem, noch fühlt es sich sicher an. Kein Fortbewegungsmittel für den gehobenen Anspruch.

Auch Sebastian Schubert, 27, hat dazu klare Ansichten: "Ich hab es ab und zu mal auf den Knien ausprobiert, doch mich hat es keine 20 Minuten in dieser Position gehalten." Schnell wieder setzen musste er sich dann, denn Schubert, Kajakfahrer für den KR Hamm , stürzt sich lieber im Sitzen statt auf den Knien in die Eiskanäle dieser Welt, tanzt derart um die Hindernisse, die sich ihm bieten.

Ohne Berührungsängste manövrierte er seinen Kajak bei den deutschen Meisterschaften an diesem Sonntag als einziger durch den Augsburger Eiskanal, ohne an die Slalomstangen zu tippen oder ein Tor auszulassen. Die knapp 300 Meter Strömung trugen ihn über Wellen, Walzen und Pilze hinweg - kein Kehrwasser, kein Schnittwasser brachte ihn aus der Balance. Es war die dritte Meisterschaft in Serie für den gebürtigen Westfalen.

Mit 20 Jahren zog er aus dem Ruhrgebiet nach Schwaben. Schließlich bietet das Leistungszentrum am Lech für den Kanuslalom die besseren Bedingungen als Ruhr, Lenne und Lippe. Der Eiskanal, als erstes künstliches Kanustadion für die Olympischen Spiele 1972 gebaut, ermöglicht tägliches Training, das ganze Jahr hinweg, da er auch im Winter nicht zufriert. "Dazu lässt es sich in Augsburg auch besser wohnen", sagt Schubert.

Mit Alexander Grimm und Hannes Aigner, der am Sonntag auf dem zweiten Platz landete, bildet er aktuell die deutsche Spitze im Kajak. Sie alle wohnen in Augsburg, sehen sich jeden Tag bei Training und Wettkämpfen, treten als Team Deutschland bei Welt- und Europameisterschaften an, teilen sich Hotelzimmer und Plätze auf den Treppchen. "Trotzdem sind wir nicht gerade darauf aus, auch noch in unserer freien Zeit ein Bierchen trinken zu gehen", sagt Grimm, 28, Olympiasieger 2008 in Peking. Zuletzt gewann er bei der Heim-Europameisterschaft im sächsischen Markleeburg die Silbermedaille im Einzel und die Goldmedaille im Team. In Augsburg landete Grimm nun auf dem vierten Platz, sah diesen aber nicht als Misserfolg: "Bei der Leistungsdichte an der Spitze hat ein kleiner Fehler gleich die Folge, nach hinten durchgereicht zu werden." Mit seinem Ritt durch die Stangen sei er zufrieden, der späte Fehler wiederum ärgerlich. "Hier gibt es keinen Heimvorteil, wir alle kennen den Kanal hier ganz genau, wissen um seine Schwierigkeiten und um die Stärken der Gegner", sagte Grimm. "Da freut sich jeder für jeden." Letztlich sei die Weltmeisterschaft im September der Saisonhöhepunkt. Darauf arbeite er hin - und dafür sei die deutsche Meisterschaft die entsprechende Vorbereitung.

Dann treten Grimm, Schubert und Aigner erneut an, in London. Jeder für sich, sowie auch als Mannschaft. Und bis dahin haben sie in Augsburg ausreichend Gelegenheit, noch mal ein Bier zusammen trinken zu gehen - wenn sie denn wollen.

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