Mangelnde Transparenz bei TTIP:Keiner will es gewesen sein

Mangelnde Transparenz bei TTIP: Demonstranten in München protestieren gegen das geplante Abkommen.

Demonstranten in München protestieren gegen das geplante Abkommen.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Nicht einmal die Bundestagsabgeordneten können Einsicht in die Verhandlungstexte über das TTIP-Abkommen nehmen.
  • Jetzt blieb sogar eine Intervention von Bundestagspräsident Norbert Lammert erfolglos.
  • US-Botschaft und deutsches Wirtschaftsministerium schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Von Robert Roßmann, Berlin

Vermutlich gibt es in Deutschland keine Verhandlungen, die mit mehr Argwohn begleitet werden, als die über TTIP. Sogar Befürworter des Freihandelsabkommens zwischen den USA und der EU beklagen die Intransparenz der Gespräche. Nicht einmal die Bundestagsabgeordneten können Einsicht in die Verhandlungstexte nehmen. Dabei sind sie - und nicht die deutschen Beamten in Brüssel und Berlin - die gewählten Vertreter der Bundesbürger. Entsprechend groß ist die Verärgerung vieler Abgeordneter über die Geheimniskrämerei bei der "Transatlantic Trade and Investment Partnership".

Aber wer ist Schuld an der mangelnden Transparenz? Wer sich auf die Suche nach einer Antwort macht, erlebt schnell, dass es darauf keine einfache Antwort gibt.

Fest steht, dass Mitte Mai in der US-Botschaft in Berlin ein Leseraum eröffnet wurde, in dem die TTIP-Verhandlungstexte eingesehen werden können. Bis dahin hatte es nur einen Leseraum in Brüssel gegeben. Diesen Zustand hatte auch die EU-Kommission für unzureichend gehalten. Sie verständigte sich deshalb mit dem US-Handelsbeauftragten darauf, dass auch in den amerikanischen Botschaften in den EU-Mitgliedstaaten solche Räume eingerichtet werden. Der Zugang zu ihnen ist aber streng reglementiert, Bundestagsabgeordnete dürfen sie nicht nutzen.

Das ärgert auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Er habe deshalb am 13. Juli einen Brief an US-Botschafter John B. Emerson geschrieben, sagte ein Sprecher Lammerts am Montag. Darin habe sich der Bundestagspräsident dafür eingesetzt, dass die Abgeordneten "in geeigneter Weise Zugang zu den konsolidierten Verhandlungsdokumenten im Gebäude der US-Botschaft erhalten". Eine Antwort des Botschafters sei "inzwischen erfolgt".

Was der Botschafter geschrieben hat, wollte der Sprecher aber nicht preisgeben. Die Berliner Zeitung berichtete jedoch, die US-Botschaft bleibe bei ihrer restriktiven Haltung. Sind die Amerikaner also Schuld an der mangelnden Transparenz?

US-Botschaft wehrt sich

Die US-Botschaft wehrt sich gegen diesen Eindruck. Auf den Schriftwechsel zwischen Lammert und Emerson will auch sie nicht eingehen, der sei "privat". Die Botschaft verweist aber darauf, dass die USA "als Reaktion auf das Anliegen der EU-Mitgliedstaaten, einfacher Zugang zu den Dokumenten zu erhalten", angeboten hätten, die Texte auch in ihren Botschaften auszulegen.

Das von der EU-Kommission dafür vorgegebene Verfahren sehe vor, dass jeder EU-Staat selbst entscheide, wer den Text in den Leseräumen einsehen dürfe. Die EU-Staaten würden deshalb "zur Vereinfachung des Einlasses in die Leseräume" gebeten, vorab eine Liste dieser Vertreter einzureichen. Für die deutsche Liste sei das Bundeswirtschaftsministerium zuständig. Auf ihr stehen keine Bundestagsabgeordneten.

Das Wirtschaftsministerium hält sich aber ebenfalls für unschuldig. Staatssekretärin Brigitte Zypries (SPD) rechtfertigt in einem Brief an Wirtschaftsausschuss-Chef Peter Ramsauer (CSU) das Verhalten ihres Hauses. Ramsauer gehört zu denen, die TTIP eigentlich begrüßen, die Geheimniskrämerei aber beklagen. Zypries schreibt, die Vereinbarung zwischen der EU-Kommission und den USA über die Einrichtung von Leseräumen habe sich "lediglich auf Regierungsvertreter" bezogen.

"Nach Auskunft der US-Botschaft" sei nicht geplant, auch Abgeordneten nationaler Parlamente Zugang zu den TTIP-Verhandlungstexten zu gewähren. Die Bundesregierung habe dem US-Handelsbeauftragten deshalb nur "eine Liste mit 130 Regierungsmitarbeitern" übermittelt, die Zugang zum Leseraum in der Berliner US-Botschaft benötigen. Gleichzeitig habe die Bundesregierung die US-Seite aber darauf hingewiesen, dass sie die Einrichtung der Leseräume "lediglich als ersten Schritt werte" und weitere Verbesserungen beim Zugang zu den Texten erwarte. Dazu könne etwa eine Datenbank geschaffen werden, die "ggf. auch für den Deutschen Bundestag zugänglich gemacht werden" könnte.

In ihrem Brief an Ramsauer beteuert Zypries, die Bundesregierung werde "sich weiter mit Nachdruck dafür einsetzen", dass auch Bundestagsabgeordnete Zugang zu den Verhandlungstexten erhalten. Dies habe die Regierung bereits "wiederholt sowohl gegenüber der US-Seite als auch gegenüber der Europäischen Kommission gefordert". Erreicht hat sie dabei allerdings nichts. Die US-Botschaft beharrte auch am Montag darauf, dass "das aktuelle Verfahren" nicht vorsehe, dass Bundestagsabgeordnete die TTIP-Texte einsehen dürfen.

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