Kranke Politiker:Blut lockt die Haie

CSU-Chef Horst Seehofer

Nach einem Schwächeanfall vom Wochenende versicherte CSU-Chef Horst Seehofer schnell: Es gebe nichts von Belang.

(Foto: dpa)

Wie steht es um CSU-Chef Seehofer? Schon Spekulationen über ihren Gesundheitszustand können Politikern gefährlich werden.

Kommentar von Robert Roßmann

Helmut Kohl hat in seinen "Erinnerungen" eindringlich beschrieben, wie Politiker ihren Körper quälen. 1989 wollte ihm eine Gruppe um Heiner Geißler den CDU-Vorsitz entreißen. Kurz vor dem entscheidenden Parteitag habe er "wahnsinnige Schmerzen" bekommen, schildert Kohl. "Es kam mir so vor, als könnte ich jeden Moment ohnmächtig werden."

Der Kanzler war an der Prostata erkrankt und hätte sofort operiert werden müssen. Aber Kohl schleppte sich auf den Parteitag nach Bremen, um seine Gegner niederzuringen. In der Kulisse stand zur Sicherheit sein Arzt bereit. Als die Schlacht gewonnen war, eilte Kohl nach Mainz, um sich endlich operieren zu lassen.

Die Botschaft der Geschichte war auch: Krankheit ist in der Politik eine Schwäche. Wer blutet, lockt die Haie an - und davon gibt es viele. Deshalb musst du deine Gebrechen verstecken.

Beispiele dafür gibt es tatsächlich viele. Die Herzinfarkte von Willy Brandt und Hans-Dietrich Genscher wurden kaschiert. Peter Struck hat sogar seinem eigenen Kanzler zunächst verschwiegen, dass er einen Schlaganfall hatte - von den Lügen gegenüber der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.

"Männer wie Stiere, geboren zu regieren"

Womit wir bei Horst Seehofer wären. Bayerns Ministerpräsident hat sich am Wochenende schlecht gefühlt und war deshalb zur Beobachtung in einer Klinik. Die Ärzte haben offenbar nichts gefunden, Seehofer ist wieder im Dienst. Aber die Schlagzeilen sind voll mit Spekulationen über seinen Gesundheitszustand. Sogar sein eigener Staatskanzleichef sah sich zu der Bemerkung veranlasst, er wisse nicht, "was diese Unpässlichkeit auf Dauer bedeutet".

Für Seehofer können solche Spekulationen gefährlich werden. Der penetrant-virile Markus Söder meldet immer deutlicher seine Ansprüche an. "Wir sind Männer wie Stiere, geboren zu regieren, Männer wie Stiere, geboren für die Macht", hat der Söder-Darsteller auf dem Nockherberg nicht grundlos gesungen. Politiker wie Stiere sind nicht krank.

Ausgerechnet Angela Merkel befördert, wenn auch unabsichtlich, dieses archaische Bild vom ewig-starken Politiker. Ein Gutteil ihres Renommees resultiert aus dem Respekt davor, beinahe rund um die Uhr verhandeln und arbeiten zu können. Selbst nach ihrem Ski-Unfall war die Kanzlerin im Dauer-Dienst.

Dabei sind die Zeiten von Brandt und Genscher eigentlich vorbei. Politiker können inzwischen Schwächen eingestehen, ohne Schaden zu nehmen. Wolfgang Schäuble fiel während der Euro-Krise monatelang aus. Der Finanzminister empfing am Krankenbett sogar Reporter. Wenn selbst Schäuble eine Auszeit nehmen kann, müssten das auch alle anderen so halten können - sollte man meinen.

Doch ganz so einfach ist es auch heute noch nicht. Schäuble konnte darauf vertrauen, dass Merkel ihn nicht fallen lässt. Genau das ist der Unterschied zur Lage Seehofers. Der hat niemanden, der schützend die Hand über ihn halten könnte. Ihm geht es wie Kohl 1989: Er darf weiterhin keine Schwäche zeigen.

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