Rumänien:Meniskus-Operation und Steuer-Geschenke

Rumänien: Mit seinem Angeklagten-Status bereitet Victor Ponta auch den Gesprächspartnern in der EU Probleme.

Mit seinem Angeklagten-Status bereitet Victor Ponta auch den Gesprächspartnern in der EU Probleme.

(Foto: Daniel Mihailescu/AFP)

Der angeklagte Ministerpräsident Victor Ponta lässt sich einiges einfallen, um seinen politischen Niedergang hinauszuzögern. Er ist unbeliebter denn je, und auch die EU stellt er vor ein Problem.

Von Florian Hassel, Warschau

Eine Meniskusoperation ist ein Routine-Eingriff - auch in Rumäniens Hauptstadt Bukarest kann Verletzten kompetent geholfen werden. Ministerpräsident Victor Ponta allerdings ließ sein bei einem Basketballspiel in Mitleidenschaft gezogenes Bein lieber im Ausland behandeln: Statt in Bukarest legte sich Ponta in Istanbul im Medipol Universitätskrankenhaus unters Messer.

Der Regierungschef hatte gute Gründe für die medizinische Flucht ins Ausland: Seit Anfang Juni ermittelt gegen ihn die rumänische Antikorruptionsbehörde DNA - unter anderem wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung, Geldwäsche und Dokumentenfälschung. Mit der Verabschiedung in den Krankenstand wich Ponta zunächst Fragen der Staatsanwälte aus.

Nach knapp vier Wochen in Istanbul aber musste Ponta im Juli nach Bukarest zurückkehren. Am 13. Juli erhob die DNA offiziell Anklage gegen den Regierungschef und fror Vermögenswerte ein: Ponta soll vor seiner Zeit als Ministerpräsident von 2007-2011 von einem befreundeten Anwalt - und späteren Minister unter Ponta - ohne Gegenleistung umgerechnet mehr als 50 000 Euro bekommen haben, später Dokumente gefälscht und Steuern hinterzogen haben. Es ist das erste Mal, dass im notorisch korrupten Rumänien ein amtierender Regierungschef angeklagt ist. Eine ungewohnte Situation auch für andere Regierungen, die EU oder andere internationale Partner.

Nur noch ein Fünftel aller Rumänen vertraut dem umstrittenen Regierungschef

Der Anklageerhebung zum Trotz weigert sich Ponta zurückzutreten. Zwar fordert Präsident Klaus Johannis, der populärste Politiker Rumäniens, den Rücktritt des umstrittenen Regierungschefs. Johannis' Nationalliberale Partei (PNL) hat nach eigenen Aussagen bereits eine Million Unterschriften für eine Petition zum Ponta-Rücktritt gesammelt. Einer Umfrage des Inscop-Instituts zufolge vertraut Ponta nur noch ein Fünftel der Rumänen. Doch der Regierungschef hofft, einen Prozess und die mögliche Verurteilung hinauszuzögern - und kündigte an, er müsse sich wohl einer weiteren Operation unterziehen. Ponta hofft offenbar auch, die Justiz zähmen zu können. Seine Partei versucht, mit zahlreichen Änderungsanträgen des Strafgesetzbuches Verurteilungen wegen Korruption oder Interessenkonflikten zu erschweren oder gar unmöglich zu machen.

Zudem will Ponta mit Geldgeschenken die Gunst der Wähler zurückgewinnen. Erst erhöhte die Regierung den Mindestlohn, dann verdoppelte sie das Kindergeld. Ende Juni beschloss die Ponta-Regierung eine Steuerreform mit gleich sechs Senkungen von Steuern und Abgaben, einschließlich einer Senkung der Mehrwertsteuer von 24 auf 19 Prozent. Geschenke, die sich das arme Rumänien nicht leisten kann, warnten sowohl der Internationale Währungsfonds als auch die EU-Kommission. Nur mühsam hat sich das EU-Land von den Folgen der Finanzkrise 2009 erholt; eine neue ist angesichts der Dauerkrise in Griechenland nicht ausgeschlossen.

Präsident Johannis verweigerte den Steuererleichterungen die Unterschrift - und schickte das Paket ans Parlament zurück. Schon kündigte Ponta an, etwa die Mehrwertsteuersenkung notfalls per Notverordnung der Regierung durchzusetzen - ein Instrument, das in Rumänien zunehmend einen ordentlichen Gesetzgebungsprozess ersetzt. Kein Wunder, dass Experten der Bertelsmann-Stiftung Rumänien bei einer Studie über Regierungsqualität unter 41 EU- und OECD-Ländern auf den vorletzten Platz setzten - nur Zypern kam schlechter weg (Platz 1 belegte Finnland).

Dass viele Rumänen mit Pontas Regierung unzufrieden sind, bewiesen sie schon, als sie Ende 2014 trotz massiver Manipulation des Wahlprozesses statt Ponta den als nicht korrupt geltenden deutschstämmigen Bürgermeister von Sibiu (Hermannstadt), Johannis, zum Präsidenten wählten. Einer Inscop-Umfrage zufolge vertrauen Johannis 61,6 Prozent der Rumänen - einsamer Spitzenwert unter rumänischen Politikern. Allerdings ist auch Johannis' Beliebtheit schon leicht gesunken - im April 2015 vertrauten ihm noch 65 Prozent aller Rumänen.

Noch hat auch Johannis' Partei PNL in Umfragen einen deutlichen Vorsprung vor der weithin diskreditierten Ponta-Partei PSD - doch Parlament und damit auch Regierung werden erst 2016 neu gewählt. Wann der Anklageerhebung gegen Regierungschef Ponta auch der Prozess folgt, steht noch nicht fest. Seinen Posten als Parteichef übergab Ponta kürzlich seinem engen Vertrauten Liviu Dragnea. Dieser wurde in diesem Jahr zwar vom Obersten Gericht Rumäniens wegen Unregelmäßigkeiten bei einer 2012 durchgeführten Volksabstimmung zu einem Jahr Gefängnis auf Bewährung verurteilt, doch Dragnea hat Berufung eingelegt, das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Für Rumäniens internationale Partner bedeutet Pontas Angeklagtenstatus ein Problem eigener Art: Die Europäische Kommission, die Korruptionsbekämpfung in Rumänien auf ihrer Prioritätenliste hat, muss nun mit einem selber im Visier der Justiz stehenden Regierungschef verhandeln. Eine Anfrage der SZ, wie die EU mit Pontas Angeklagtenstatus umgehe, blieb bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe unbeantwortet.

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