Tesla Model S P85D im Test:Kaffeefahrt mit Elektro-Boost

Tesla Model S P85D

Mit Elektroautos zu einer umweltfreundlicheren Mobilität: Das Tesla Model S P85D kann im Alltagstest überzeugen.

(Foto: Thomas Harloff; Collage: SZ.de)

Langstrecken mit einem Elektroauto - ja, das funktioniert. Trotz modernster Technik und 400 Kilometern Reichweite will eine Tour im 700 PS starken Tesla Model S aber gut geplant sein.

Von Thomas Harloff

Was war das früher kompliziert vor einer langen Autofahrt: Karten wälzen, Routenpläne erstellen, während der Fahrt den Kilometerzähler im Blick haben. Dann kamen Navigationssysteme, und alles wurde gut, weil komfortabler. Doch fährt man heute ein Elektroauto, kehren die alten Rituale zurück. Denn eine schlampige Vorbereitung kann zu unangenehmen Zwangspausen führen. Selbst mit dem Tesla Model S, dessen Topmodell P85D eine realistische Reichweite von etwa 400 Kilometern schafft. Der Fahrer sollte wissen, wo er den Stromer aufladen kann.

Eigentlich dürfte das alles kein Problem sein. An aktuell 41 Standorten stehen, strategisch über die Republik verteilt, insgesamt 253 von Tesla selbst aufgestellte Schnellladesäulen. In ganz Europa gibt es 173 Standorte mit fast 1000 Säulen. Diese "Supercharger" laden eine leere Batterie in etwa 30 Minuten auf 80 Prozent ihrer Kapazität auf. Zwei Stunden Fahrt, eine halbe Stunde Pause: So soll das Model S zum Langstreckenauto werden. Ein 1500-Kilometer-Trip durch den Süden Deutschlands muss zeigen, ob das funktioniert.

Das Navi denkt nicht effizient

Dessen erster Teil geht von München ins nordwestlich von Stuttgart gelegene Vaihingen/Enz. Die ideale, weil kürzeste und schnellste Strecke führt über die A 8 und die A 81. Teslas Internetseite zufolge stehen nach gut einem Drittel der Strecke, in Jettingen-Scheppach, sieben Supercharger. Der dort getankte Strom müsste locker bis ins Schwabenland reichen. Doch das Tesla-Navi, das in Abhängigkeit von Strecke und Ladesäulen-Situation automatisch die perfekte Route berechnen soll, hat eine andere Idee: Es will das Model S über Nürnberg lotsen. 400 statt 250 Kilometer, vier statt zweieinhalb Stunden reiner Fahrzeit. Der Tesla mag emissionsfrei fahren und keine fossilen Brennstoffe verbrauchen, aber effizient ist das nicht.

Ob er will oder nicht, der Tesla fährt die direkte Route. Eine richtige Entscheidung, denn die Ladesäule an der A 8 funktioniert, die Toiletten sind sauber, und der Kaffee schmeckt. Entspannt geht es dem Ziel im Schwabenland entgegen.

Mit Tricks und Kniffen

Überall, wo der knallrote Amerikaner auftaucht, sorgt er für Aufsehen. Und wer sich auskennt und weiß, dass er in 3,3 Sekunden von null auf hundert beschleunigen kann, will das unbedingt selbst erleben. Die Fähigkeiten des P85D müssen mehrfach demonstriert werden - und die anfängliche Skepsis der Mitfahrer weicht der Überzeugung. Nur die Detailverarbeitung kommt nicht gut an: "Der kostet 124 300 Euro? Dafür müsste die Qualität besser sein." Was zweifellos stimmt.

So spaßig die beschleunigungsträchtigen Spritztouren sind, sie saugen schnell die Batterie leer. Der Akku soll deshalb über Nacht in einer Garage geladen werden. Doch als der Schukostecker eingestöpselt ist, will kein Strom fließen - egal an welcher Steckdose. Dabei ist des Rätsels Lösung simpel: einfach den Stecker um 180 Grad drehen. Tesla setzt in der Steckdose offenbar eine andere Beschaltung voraus, als sie der Elektriker des Gastgebers einst vornahm. Wenn man den Trick mit dem umgedrehten Stecker kennt, ist das Problem keins mehr. In dem Fall ist er unbekannt, und das Elektroauto bleibt mit sehr wenig Strom in der Batterie zurück in der Garage.

Eine Route voller Schnapszahlen

Der Innenraum des Tesla Model S P85D.

Luftig geht es zu im Model-S-Innenraum. Die Verarbeitung könnte aber an einigen Stellen besser sein.

(Foto: Thomas Harloff)

So muss die Stuttgarter Tesla-Niederlassung mit elektrischer Energie aushelfen, bevor es zurück nach München gehen kann. Die Rückfahrt verläuft problemlos. Die Kapazität hätte auch für die komplette Strecke gereicht, doch weil sicher eben sicher ist, wird am bekannten Standort Jettingen-Scheppach nachgeladen. Der Tesla übernachtet mit knapp 100 Kilometern Reichweite, bevor am nächsten Morgen Teil zwei des Trips startet, der in den Osten der Republik führt.

Auch der beginnt mit einer Internetrecherche. In der Theorie ist eine Route entlang der A 9 am besten. Bis zum Supercharger nach Schweitenkirchen sind es 44 Kilometer, die nächste Etappe nach Münchberg ist 222 Kilometer lang. Die 111 Kilometer bis ins heimatliche Erzgebirge sollte der Tesla problemlos schaffen. Etwas Restguthaben für ein paar Kilometer am Zielort gibt es auch noch. Doch wieder hat das Model-S-Navi andere Pläne. Es will unbedingt über die A 93 fahren, was keine gute Idee ist, weil der Supercharger in Wernberg-Köblitz 200 Kilometer vom Ziel entfernt ist. Das würde die Möglichkeiten für Touren im schönen Erzgebirge minimieren.

250 km/h? Nicht an diesem Tag!

Wieder bleibt der Fahrer stur und der Tesla auf der A 9. Das Navi wiederum ignoriert sein Verhalten und will unbedingt nach Wernberg-Köblitz. An jeder Ausfahrt soll das Auto wenden oder über die Landstraße in Richtung A 93 fahren. Warum, ist nicht nachvollziehbar. Denn in Münchberg funktioniert das Laden einwandfrei, und der Kaffee schmeckt ebenfalls gut.

Frisch gestärkt geht es nach Aue im Herzen des Erzgebirges und später dieselbe Strecke zurück nach München. Die zuvor unterschwellig vorhandene Reichweitenangst hat sich gelegt. Ein Reisetempo von 150 km/h ist ideal, um schnell voranzukommen und dabei nicht allzu viel Energie zu verbrauchen. Das Model S schwimmt souverän mit, zeigt flotte Zwischensprints, wenn es nötig ist, und verwöhnt mit gutem Federungskomfort und einer angenehmen, weil kaum vorhandenen Geräuschkulisse. Nur die versprochene Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h bleibt unerreichbar. Mehr als 215 km/h sind trotz freier Strecke und genügend Anlauf nicht drin. Ist dem Kalifornier etwa zu heiß?

Geld kostet allein der Kaffee

Die große Hitze könnte auch die nervenden Zickereien des Infotainmentsystems an diesem Sommertag erklären. Oder den Unwillen des Riesenbildschirms im Cockpit, den Stromanschluss des Wagens freizugeben. Gut, dass es einen Trick gibt, die Klappe mithilfe von Magneten mit dem Supercharger-Kabel zu öffnen. Sonst wäre es eng geworden, mit dem verbliebenen Strom nach München zu kommen.

Wer Fahrten mit Bedacht plant und die nötigen Kniffe kennt, erreicht mit dem Model S hierzulande jedes Ziel. Einfach losfahren und hoffen, irgendwie anzukommen, dürfte dagegen irgendwann schiefgehen. Übrigens: Da man an den Superchargern kostenlos lädt, fielen während der Zwangspausen allein die Kaffeekosten an. Sechs Tassen für 15,60 Euro, das wären beim derzeitigen Tarif nur 14 Liter Diesel gewesen - gerade genug für etwa 200 Kilometer.

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