Imke Duplitzer:"Zivilcourage stört"

Fechten - Imke Duplitzer

"Der Verarschte ist der Sportler": Weltklasse-Fechterin Imke Duplitzer, 39. Ihre Homosexualität machte sie im Jahr 2002 öffentlich.

(Foto: dpa)

Die deutsche Fechterin über das Gefühl, nicht willkommen zu sein, und die Furcht, in manchen Ländern der Welt wegen ihrer Homosexualität zusammengeschlagen zu werden.

Protokoll: Lisa Sonnabend

Imke Duplitzer, 39, ist eine besondere Sportlerin. Die fünfmalige Olympiateilnehmerin reist zu Wettkämpfen nicht nur, um zu gewinnen. Sie sagt auch, wenn sie etwas stört. Ob die Menschenrechtssituation in Katar, der Anti-Homosexuellen-Paragraf in Russland oder das Verhalten von Funktionären. Hier schildert sie, wie es ist, in unfreien Ländern anzutreten.

"Wir haben jedes Jahr einen Weltcup in Katar. Man muss vom Hotel aus nur zweimal um die Ecke gehen, dann sieht man, wie es hinter den Bauzäunen zugeht. Die Bauarbeiter machen auf ihren Bastmatten Pause, der Beton klebt an ihren nackten Füßen, weil sie in Badeschlappen durch frisch gegossenen Beton latschen müssen. Einen schönen Gruß an Herrn Beckenbauer, der ja nach einem Besuch meinte, er hätte keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen! Wenn er mal aus der Lobby rausgegangen wäre, dann hätte er seine schicken Designersandalen gar nicht so weit über den Staub tragen müssen! Als Athlet fragt man sich da schon: Und nun soll ich mich mit dem Bus zum Wettkampf in diese neu errichteten, gigantischen, klimatisierten Stadien karren lassen, als wäre nichts gewesen? Es ist eine Energieaufwendung zu sagen, jetzt setze ich mich erst einmal nicht mit diesen Missständen auseinander, denn ich bin hier, um meinen Job zu erledigen. Aber es nimmt einen mit.

In Ländern wie Katar oder Russland bin ich zudem blöd dran, weil ich homosexuell bin. Ich stehe dort mit dem Gesetz im Konflikt und muss damit rechnen, zusammengeschlagen zu werden. Meine Freundin begleitet mich manchmal zu Turnieren. In Kasan zum Beispiel müssen wir uns schon fragen: Können wir im Hotel kurz Händchen halten? Ein Sportler braucht ja auch während des Wettkampfes hin und wieder Zuspruch. Ich muss dann abwägen: Kann meine Lebensgefährtin mich in der Halle in den Arm nehmen?

Das IOC und die Fifa sitzen auf so viel Kohle, die könnten sagen: Wir setzen Katar wegen der Menschenrechtssituation unter Druck. Oder wir starten ein Hilfs- programm, um die Situation der Bau- arbeiter zu verbessern. Wenn die Verbände wollten, könnten sie Verantwortung übernehmen. Doch sie tun es nicht, weil wirtschaftliche Interessen dranhängen. Der Verarschte ist der Sportler. Ich frage mich schon manchmal: Wieso bin ich da eigentlich hängen geblieben?

Während der Olympischen Spiele 2008 in Peking boykottierte ich die Eröffnungsfeier und äußerte mich nicht gerade systemkonform. Als ich ein Jahr später für einen Wettkampf wieder nach China reiste, bewachten mich zwei Männer rund um die Uhr. In einem Restaurant hatte ich Probleme, die Bestellung aufzugeben und habe die beiden einfach angesprochen: ,Ich weiß, ihr seid wegen mir hier und versteht mich. Könntet ihr bitte der Bedienung sagen, was ich essen möchte?' Am nächsten Tag sind sie ausgewechselt worden. Ein Jahr später wurde ich an der Einreise gehindert. Die Pässe aller anderen Sportler waren schon zurück, während mein Visum noch immer geprüft wurde. Es hieß immer, ich bekomme die Einreiseerlaubnis noch. Doch wenn ich am Freitag einen Wettkampf habe und erst am Donnerstagabend das Visum erhalte, wie soll ich denn da noch hinkommen? Da habe ich beschlossen, nicht mehr nach China zu reisen.

Das Problem war allerdings, dass unser Bundestrainer den Weltcup in China als Qualifikationsturnier für die WM gewählt hatte. Ich musste jedes Mal dafür kämpfen, dass ich ein Ersatzturnier bekomme. Der Bundestrainer war der Meinung: ,Du kannst doch hinfahren, du kriegst dein Visum schon wieder.' In einer solchen Situation kann man keinen Rückhalt, keine Solidarität erwarten. Auch von den Athleten kaum. Denn je weniger Konkurrenten bei einem Wettkampf dabei sind, desto größer ist schließlich die Chance, dass sie es ins Rampenlicht schaffen. Es gibt aber auch ein paar Sportler, die zu mir sagten: ,Ne, echt? Das ist ja eine Sauerei.'

In den vergangenen Monaten ist nun zu beobachten, dass sich zunehmend eine kritische Öffentlichkeit bildet - auch unter Sportlern. Sie haben Fragen zu den umstrittenen Spielen in Sotschi oder den Vergaben der Fußball-WM 2018 und 2022. Es wird Druck aufgebaut auf das IOC und die Fifa. Die Frage ist nun: Wie lange hält der organisierte Sport durch und macht weiter wie bisher? Noch jedenfalls gilt: Zivilcourage der Athleten stört den Ablauf."

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