Populisten in der Politik:Stunde der Großmäuler

Populisten in der Politik: Ein Phänomen, das momentan viele westlichen Demokratien in immer kürzeren Abständen heimsucht: der Trend zum Großmaul. Im Bild: Yannis Varoufakis, Jeremy Corbyn und Donald Trump (von links)

Ein Phänomen, das momentan viele westlichen Demokratien in immer kürzeren Abständen heimsucht: der Trend zum Großmaul. Im Bild: Yannis Varoufakis, Jeremy Corbyn und Donald Trump (von links)

(Foto: Bloomberg / AFP / AFP)

Vereinfacher wie Varoufakis, Corbyn und Trump fallen immer häufiger über die politische Mitte her. Ihr Verkaufstrick funktioniert.

Kommentar von Stefan Kornelius

Vermutlich hatte es die Huffington Post gut gemeint, als sie Donald Trump in den Unterhaltungsteil ihrer Webseite verschob und damit ein klares Urteil sprach: Was der Mann treibt, hat mit Politik nichts zu tun.

Das sehen aber fast ein Viertel der Republikaner-Anhänger in den USA anders, die dem Milliardär heute ihre Stimme geben würden, wenn sie sich jetzt für einen Präsidentschaftskandidaten entscheiden müssten.

Trump führt das Feld der 19 Bewerber mit erheblichem Vorsprung an. Hat er deswegen auch Chancen, gewählt zu werden? Die konventionelle Antwort heißt: Nein, das vergeht wieder; irgendwann wird er mit seinem aufgeblähten Ego nicht mehr durch die Tür passen. Die Wahrscheinlichkeit ist in der Tat hoch, dass Amerikas Konservative keine beleidigenden, provozierenden Hyper-Narzissten im Weißen Haus sehen wollen.

Erfolg eines beängstigenden Phänomens

Und dennoch steckt hinter Trumps Erfolg ein beängstigendes Phänomen, das momentan viele westlichen Demokratien in immer kürzeren Abständen heimsucht: der Trend zum Großmaul. Faust auf den Tisch, Tabus auf der Zunge, Klarheit als Wahrheit: Der Verkaufstrick funktioniert universal, das Publikum dürstet offenbar nach der klaren Kante.

Populisten sind wahrlich kein neues Phänomen in der Politik, aber heutzutage erlebt die einfache Botschaft wieder eine große Konjunktur. In Großbritannien hat der Labour-Hinterbänkler Jeremy Corbyn keine schlechten Chancen, den Vorsitz der Partei zu übernehmen. Corbyn würde sich zu Recht jeden Vergleich mit dem Superkapitalisten Trump verbieten, aber in ihrer Wirkung sind die beiden gleich.

Die simplen Verschreibungen des Briten, angesiedelt am ganz linken Rand des politischen Spektrums, würden die Labour-Partei in die Bedeutungslosigkeit treiben, ähnlich wie der Baulöwe Trump die USA der Lächerlichkeit preisgäbe.

Hohe Begeisterung in politisch satten Gesellschaften

Die Griechen haben sich aus gutem Grund vom etablierten politischen Spektrum abgewandt und bekamen es dann mit einer Partei zu tun, die in ihrem Anspruch auf Klarheit Europa nahezu geschlossen gegen sich aufbrachte.

Syriza lernt nun gerade unter großen Schmerzen, dass sich die Welt nicht ändert, wenn man mit dem Fuß aufstampft. Wenig gelernt hat der geschasste Finanzminister Yanis Varoufakis, dessen Sendungsbewusstsein momentan in den deutschen Wochenmagazinen befriedigt wird. Denn: Es gibt gute Gründe, warum seine Botschaft in den politisch satten Gesellschaften auf hohe Begeisterung stößt.

Die neue Großmäuligkeit stellt einen Purismus in Aussicht, der in der extremen Rechten und Linken angesiedelt ist. Mexikaner sind kriminell, Kapitalismus ist böse, der Euro ist eine Unterdrücker-Währung. Das sind die einfachen Botschaften.

Das mühsame Geschäft der Demokratie überfordert viele Menschen

Corbyn reduziert seine Probleme auf das perfide Großkapital und den amerikanischen Militärismus - und von beidem könne man sich ja verabschieden. Varoufakis weiß auch, wie man sich von allen Fesseln befreit: Er hätte dafür einen Fiskal-Putsch angezettelt.

Die Botschaften kommen an, weil das mühsame Geschäft der Demokratie und die komplexe Gesellschaft viele Menschen überfordern. Weil sich aber keiner so recht verabschieden kann aus der politischen Welt, siedeln sich die Populisten sicherheitshalber auf einem zweiten Planeten an: Wir da unten gegen euch da oben; Masse gegen Elite; wenn wir nur dürften, dann aber würden wir ... Ja, wenn sie denn dürften.

In der Regel ist die politische Mitte noch stark genug, um die Vereinfacher dieser Welt aufzuhalten. Aber die Wut- und Empörungszyklen wiederholen sich immer häufiger. Ein Phänomen der Unterhaltung ist das längst nicht mehr. Trumps gibt es jetzt überall.

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