Bilanz:Trügerische Ruhe

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Lufthansa steigert den Gewinn im ersten Halbjahr drastisch, doch die sinkenden Ticketpreise und das schlechte Logistikgeschäft geben Anlass zur Sorge.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Als Lufthansa-Finanzvorstand Simone Menne über die Gewinnmarge der Konzerntochter Swiss berichtet, gerät sie ins Schmunzeln. Die 11,1 Prozent, die die Schweizer Fluggesellschaft im zweiten Quartal erwirtschaftet habe, sei schlicht "außerordentlich" und deswegen wird nun auch die Gewinnprognose für die Swiss im laufenden Jahr angehoben.

Es gibt also auch erfreuliche Momente im Leben einer ansonsten leidgeprüften Lufthansa-Finanzchefin. Denn die Swiss liefert seit Jahren solche außerordentlich guten Ergebnisse ab und kann damit längst als lohnendes Investment gelten. Auf den ersten Blick dürfte sich Menne auch über den Halbjahresgewinn der gesamten Lufthansa Group freuen, schließlich lag der bei fast einer Milliarde Euro, verglichen mit einem Verlust von 79 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum und ist auch die Folge eines relativ gut gelaufenen zweiten Quartals. Doch bei genauerer Betrachtung ist die Lage dann doch weniger erfreulich. Die Lufthansa-Zahlen zeigen vielmehr, wie sehr der Konzern von äußeren Faktoren abhängig ist, die er nicht oder nur wenig beeinflussen kann.

Zum Beispiel der Ölpreis: 309 Millionen Euro weniger hat das Unternehmen in den ersten sechs Monaten für Treibstoff ausgeben müssen, weil Kerosin auf US-Dollar-Basis viel billiger geworden ist. Wäre Lufthansa eine amerikanische Airline wäre der Effekt noch viel größer gewesen, denn der schwächere Euro verteuert das Öl für europäische Airlines wieder. Mehr noch: Für Lufthansa wirkt sich der starke Dollar unter dem Strich sogar negativ aus. Und den hohen Netto-Gewinn verdankt das Unternehmen vor allem Sondereffekten: Allein 503 Millionen betreffen die Rückführung einer Jetblue-Wandelanleihe. Die Prognose beim operativen Gewinn (Adjusted EBIT) von über 1,5 Milliarden Euro bleibt unverändert.

Wenn man das reine Fluggeschäft betrachtet, und zwar ohne die bei den Preisen positiv wirkenden Währungseffekte, dann ist das Ergebnis ernüchternd. Im zweiten Quartal, das neben dem dritten traditionell das profitabelste ist, sind die Preise im Europaverkehr um 6,1 Prozent gesunken und Menne geht davon aus, dass sich das auch für den Rest des Jahres nicht ändern wird. Im Asienverkehr beträgt der Rückgang 5,8 Prozent und auf den Strecken in den Nahen Osten und nach Afrika gar 10,7 Prozent. Nur bei den Amerikastrecken sind mit minus 2,3 Prozent vergleichsweise stabil.

Das Angebot der Piloten zu neuen Verhandlungen sei "sehr erfreulich"

Lufthansa muss sich also auf dauerhaft deutlich sinkende Preise einstellen. "Wir haben volle Maschinen, aber die Stückerlöse sinken", sagt Menne. Vor dem Hintergrund verteidigt die Finanzchefin die Entscheidung, künftig für Buchungen über Reservierungssysteme wie Amadeus 16 Euro extra zu verlangen. Bislang habe dies, trotz anderslautender Drohungen von Reisebüros und Firmenkunden, noch keine Folgen auf die Vorausbuchungen gehabt. Die Gebühr soll für Flüge vom 1. September an wirksam sein. Im direkten Vertrieb, also etwa bei Buchungen über die Lufthansa-Homepage, wird sie nicht erhoben.

Die Airline erhofft sich davon, dass mehr Kunden direkt bei ihr, statt über Umwege buchen. Auch Firmenkunden, die viele Tickets kaufen, sollen bald direkt ans eigene Buchungssystem angeschlossen werden. Die Arbeiten in der Informationstechnologie seien "schon weit fortgeschritten", hieß es.

Ob das auch für eine mögliche Einigung in dem seit Anfang 2014 andauernden Konflikt mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) gilt, ließ Menne offen. Die VC hatte der Lufthansa nach zwölf Streiks und einer bereits im Ansatz gescheiterten Schlichtung vor wenigen Tagen überraschend angeboten, dass die Piloten künftig in jedem Segment auf Marktniveau bezahlt werden sollen - die Crews der Billigsparte Eurowings etwa wie bei Easyjet und auch bei Lufthansa selbst soll eine Benchmark-Studie angemessene Gehälter ermitteln. Es sei "sehr erfreulich", dass die VC einen "detaillierten Katalog unterbreitet" habe. Dieser müsse nun aber erst einmal untersucht werden. Aber: "Wir werden auf die VC zukommen." Die Gewerkschaft hatte in Aussicht gestellt, den Konflikt bis Anfang September beizulegen.

Während bei den Piloten die Zeichen derzeit auf Entspannung stehen, tut sich eine andere große Baustelle auf: Lufthansa Cargo. Die ersten drei Monate des Jahres liefen noch zufriedenstellend, doch im zweiten Quartal kippte die Lage, sodass die Sparte einen operativen Verlust von zwei Millionen Euro verkraften muss. Laut Menne sind vor allem Überkapazitäten schuld, die die Konkurrenz über den Frühsommer aufgebaut hat. Das Problem ist, diese Überkapazitäten werden nicht so schnell wieder verschwinden. Daher wird die Frachtsparte nur ein Ergebnis "deutlich unter dem Vorjahr" erreichen.

© SZ vom 31.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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